10.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 66 / Zusatzpunkt 17

Günter KringsCDU/CSU - Reaktion auf russischen Angriffskrieg - Sondertribunal

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den größten Errungenschaften des Völkerstrafrechts der letzten Jahrzehnte gehört, dass das Führen eines Angriffskrieges heute als Verbrechen weltweit geächtet ist. Dieses Verbrechen steht als sogenanntes Führungsverbrechen neben den Straftatbeständen, mit denen der Internationale Strafgerichtshof Gewaltexzesse im Krieg verurteilen kann. Täter dieses Verbrechens können nur die obersten politischen und militärischen Entscheidungsträger sein, also die, die letztlich über Krieg und Frieden entscheiden. Und es ist gut, dass das Völkerstrafrecht inzwischen auch diese Täter in den Blick nimmt und eben nicht nach dem Motto handelt: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.

Aber Russland muss eine Anklage wegen dieses Verbrechens nach der geltenden Rechtslage überhaupt nicht befürchten. Russland wird mit seinem Veto im Sicherheitsrat immer verhindern können, dass dieser Sicherheitsrat den Strafgerichtshof zu einem Verfahren ermächtigt. Meine Damen und Herren, das können und das dürfen wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Menschen in der Ukraine, insbesondere an Orten unter russischer Besatzung, mussten und müssen Unvorstellbares erleiden. Es ist deshalb gut, dass die Ermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, etwa durch Angriffe auf Zivilisten oder Folter, begonnen haben. Aber das Verbrechen des Angriffskriegs als solches können wir nur und ausschließlich in einem Sondertribunal zur Anklage bringen. Im Einklang mit der ukrainischen Regierung und mit vielen Völkerrechtlern fordern wir genau deswegen dieses Sondertribunal.

Meine Damen und Herren, ich selbst habe mich einer internationalen Initiative hierzu bereits im März angeschlossen. Mit unserem Antrag haben wir etwas länger gewartet, bis zum jetzigen Zeitpunkt, weil wir – ich sage das offen – bis zuletzt gehofft haben, dass sich die Bundesregierung in dieser Sache selbst an die Spitze der Bewegung stellt. Das hat sie leider auch innerhalb der Europäischen Union nicht getan. Wir halten dieses Abtauchen auch deshalb für fatal, weil unser Land historisch doch eine besondere Verantwortung hat, für die Durchsetzung des Völkerrechts international einzutreten.

Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt der Ukraine dabei helfen wollen, die europäischen Rechtsstaatsstandards zu erreichen, dann sollten wir zugleich auch selber unsere Hausaufgaben machen, wenn es um die Durchsetzung des Völkerrechts geht. Meine Damen und Herren, es ist blamabel, dass die Bundesregierung und vor allem auch die Außenministerin sich bei diesem wichtigen Werkzeug des Völkerrechts wegducken.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: Die Außenministerin ist immer blamabel! – Gegenruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unverschämtheit!)

Wir wollen bitte keine Lippenbekenntnisse mehr, sondern wir fordern, dass Deutschland in der EU, in der UNO zum Treiber für die Einrichtung eines Sondertribunals wird; denn die Völkergemeinschaft muss nicht nur die vielen einzelnen Kriegsverbrechen vor Gericht bringen, sondern auch das Kriegsverbrechen, das, wie es schon im Nürnberger Urteil 1946 hieß –

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

– letzter Satz; ich würde den Satz aus dem Nürnberger Urteil gegen die NS-Kriegsverbrecher gerne noch zitieren –, –

Aber bitte schnell.

„alle Schrecken der anderen Verbrechen einschließt“. Es wäre schön, wenn Sie diesen Satz einmal auf sich wirken ließen. Das hat das Thema, glaube ich, verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548040
Wahlperiode 20
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Reaktion auf russischen Angriffskrieg - Sondertribunal
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