Carsten TrägerSPD - Änderung des Atomgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Deutschland steigt aus der Atomenergie aus.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Abwarten!)
In genau 155 Tagen ist es so weit. Das passt zum heutigen Bulzermärtl. 155 Mal werden wir noch wach, dann wird unser Land ein ganzes Stück sicherer sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Mit teurer Energie!)
Ich weiß ja nicht, was Sie an diesem 15. April tun werden – und bei einigen will ich es auch gar nicht wissen –, ich werde an diesem Tag – es ist ein Samstag – meine Kinder und meine Frau umarmen und mit einem Glas Sekt anstoßen. Das gefährliche Kapitel der Kernspaltung zum Zwecke der Stromerzeugung schließt sich dann ein für alle Mal in Deutschland.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Oh Gott! Das lässt sich doch nicht aushalten hier!)
Unwiderruflich, endgültig – es bleibt beim Ausstieg aus der Atomenergie. Damit ziehen wir einen Schlussstrich unter eine Debatte, die uns durch den Überfall von Putins Armeen auf die freie Ukraine aufgedrängt wurde. Niemand hätte in Deutschland noch ernsthaft am Atomausstieg gerüttelt, wenn nicht das Gas als Rückgrat unserer Energieversorgung innerhalb weniger Monate komplett ausgefallen wäre. Seitdem arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Energieversorgung neu aufzustellen.
Was Olaf Scholz gesagt hat, ist richtig: Wir müssen über diesen Winter kommen. Wir beschleunigen deshalb den Ausbau der erneuerbaren Energien, wir kaufen fossile Energieträger in der ganzen Welt, wir lassen sogar unsere Kohlekraftwerke länger am Netz, wir bauen Flüssiggasterminals in Rekordzeit, inklusive der Infrastruktur im Hinterland, und wir debattieren eben auch über den sogenannten Streckbetrieb. Wir haben das lange geprüft, und ich glaube, es ist auch unsere Verantwortung als Entscheider in diesem Land, dass wir uns diese Entscheidung eben nicht leicht gemacht haben. Die üblichen Verdächtigen haben natürlich schon vorher gewusst, dass wir die Atomkraftwerke jetzt jahrelang weiterbetreiben müssen, aber die verantwortungsvolle Seite in diesem Haus hat sich die notwendige Zeit genommen und diesen Stresstest durchführen lassen. Dieser wurde nicht von den Ministerien durchgeführt, sondern von den Betreibern der Stromübertragungsnetze.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Am Ende kommt eine Entscheidung, die nicht jedem von uns schmeckt, die aber insgesamt richtig ist. Den Streckbetrieb finden wir verantwortbar, und er wird einen Beitrag dazu leisten, dass wir über den Winter kommen. Deshalb beschließen wir heute, dass die restlichen Brennstäbe, die sich bereits in den Kraftwerken befinden, ertüchtigt werden dürfen und bis zum Ende verbraucht werden dürfen. Dieses Ende ist der 15. April. Das beschließen wir heute, nicht mehr und nicht weniger.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Stresstest der Energiewirtschaft – wir wollen uns eben bestmöglich vorbereiten – hat gezeigt: Atomkraft leistet nur einen kleinen Teil. Die Atomkraft leistet nicht einmal einen Anteil zur Strommenge, die wir benötigen, sondern sie leistet einen Teil zur besseren Verteilung des Stroms innerhalb Deutschlands; denn in Bayern wird zu wenig Energie erzeugt, und es stehen in Bayern zu wenige Leitungen für den Transport von norddeutschem Strom in die energieintensiven Zentren des Landes zur Verfügung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ja, Herr Söder, hätten Sie richtig für die Zukunft Bayerns vorgesorgt, dann bräuchten wir den Streckbetrieb nicht. Machen Sie es mit sich und Ihrem Gewissen aus, warum Sie nicht anders gehandelt haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])
Wir hoffen, dass die Hochrisikotechnologie die nächsten dreieinhalb Monate noch unfallfrei übersteht. Denn das muss man auch einmal ehrlich zu Ende denken: Was ist denn, wenn das nicht gelingt? Was ist, wenn wir, weil wir möglicherweise irgendwelche Sicherheitsüberprüfungen hinausgezögert haben, uns dann doch damit konfrontiert sehen – das wird hoffentlich nicht eintreten –, dass ein Unfall passiert? Wer trägt dann die Verantwortung dafür? Diese Frage, Herr Bilger, haben Sie nicht gestellt, und Sie haben sie auch nicht beantwortet; ich glaube, aus guten Gründen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Immer der, der die Entscheidungen trifft!)
– Genau, Sie werden dann derjenige sein, der uns das dann vorwirft. Das kann ich mir schon vorstellen.
Mit der wärmeren Jahreszeit haben wir es dann hoffentlich geschafft. Es bleibt beim Atomausstieg. Wir steigen ein für alle Mal aus dieser Hochrisikotechnologie aus. Da können Sie von der Union sich auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln; dann ist Schluss, ein für alle Mal.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Bilger, jetzt habe ich leider nur noch 13 Sekunden; deswegen spare ich mir die Replik auf Ihre Ausführungen.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das war der beste Teil Ihrer Rede! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bin froh, dass wir heute einen guten Beschluss fassen werden und dass dann dieses Kapitel ein für alle Mal beendet ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andreas Bleck [AfD]: Diese Regierung wird sich nicht mehr lange halten, trotz Laufzeitverlängerung!)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Thomas Ehrhorn.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548096 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Atomgesetzes |