Julia KlöcknerCDU/CSU - Änderung des Atomgesetzes
Guten Morgen, sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Kühn, dass Sie hier so gegen Ihren Koalitionspartner FDP austeilen, hätte ich jetzt nicht gedacht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Er hat gegen Sie ausgeteilt!)
Sie haben eben gesagt, Sie hätten bei der Anhörung zugehört.
(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie waren doch gar nicht in der Anhörung! Niemand von Ihnen war da!)
Es gibt schon einen Unterschied zwischen Zuhören und Verstehen und dann auch noch böser Unterstellung. Ich verstehe ja, dass gerade die Grünen ein Problem haben, dass es Ihnen schwerfällt, diesen Gesetzentwurf heute einzubringen und Ihre Haltung zur Kernkraft zu überarbeiten und stückweise der Realität anzupassen. Das kann ich verstehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Timon Gremmels [SPD]: Im Unterschied zu Ihnen haben wir eine Haltung zu dem Thema! – Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber was ich nicht verstehen kann, ist, dass Sie Ihre Schmerzen und Windungen abarbeiten an einer Opposition, die mit Fakten argumentiert
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jakob Blankenburg [SPD]: Tätä! Tätä! Tätä! – Zuruf des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])
und nicht mit Ideologie, so wie Sie das hier machen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich kann Sie verstehen, liebe Grüne, wenn man einen Jürgen Trittin in den eigenen Reihen hat, der immer quer im Stall steht und sagt, er lasse sich sein Lebenswerk nicht – Zitat – versauen. Daran sieht man natürlich, dass die Kernkraftdebatte für Sie zu einem Selbstzweck geworden ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Timon Gremmels [SPD] und Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es geht hier überhaupt nicht um die Frage, wie wir dieser Energiekrise, die Menschen Arbeitsplätze kostet, die diesen Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig macht, die die Menschen abends wegen der steigenden Energiepreise mit Sorgen ins Bett gehen lässt, mit einer Zeitenwende Herr werden können.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eigentlich bedarf es einer Neujustierung der politischen Sichtweisen. Aber wenn jemand bei Ihnen sagt: „Ich lasse mir mein politisches Lebenswerk nicht zerstören“,
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oijoijoi!)
oder in Niedersachsen plakatiert wird: „Bye-bye, AKWs“, dann geht es Ihnen nicht mehr um die Sache, nicht mehr um die Menschen, sondern um Ihren Gründungsmythos, und das wird diesem Land nicht gerecht. Das will ich Ihnen sehr deutlich sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Auch mit einem weiteren Märchen möchte ich mal aufräumen. Wir haben einen jährlichen Strombedarf von etwa 600 Terawattstunden in Deutschland. Die Hälfte davon wird durch Strom aus erneuerbaren Energien gedeckt. Da kann ich nur sagen: Danke für 16 Jahre Bundesregierung unter CDU und CSU!
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fakten, Fakten, Fakten!)
– Ja, Sie lachen jetzt. Ich weiß, dass Fakten wehtun. Deshalb lachen Sie ja heute auch Ihre große Ikone Greta Thunberg aus.
(Zuruf des Abg. Dr. Ralf Stegner [SPD])
Sie haben sie ja lange beklatscht, aber jetzt lachen Sie sie aus.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Im Übrigen lachen Sie auch die Experten Ihrer Gaspreiskommission aus. Sie lachen damit jetzt die Wirtschaftsweisen aus. Sie lachen damit jetzt Studien der Uni Erlangen aus, die genau das besagen, nämlich dass am Ende durch einen Energiemix der Energiepreis gesenkt und die Unabhängigkeit in Deutschland gesichert werden könnte. Es geht doch nicht um alles oder nichts. Es geht doch darum, wie wir einen guten Energiemix hinbekommen. Das wäre mit einer Laufzeitverlängerung um zwei Jahre möglich.
(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Technischer Blödsinn! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um jeden Preis!)
Eines habe ich jetzt gelernt, und zwar vom Kollegen Träger, der ja schon den Sekt kalt stellt. Nach Ihrer Lesart und der der Ampel ist es ja so, dass der Krieg sehr sicher am 15. April 2023 beendet sein wird.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja, der Träger weiß das! – Zurufe von der SPD: Nee, die Atomkraft!)
Dass Sie das wissen, ist hochinteressant. Und wenn Sie sagen, dass dann auch die Energiekrise beendet sein wird –
(Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie Erneuerbare nicht im Kopf haben, ist ja nichts Neues!)
Sie haben jetzt reingerufen: nein, die Atomkraft wird beendet sein –, dann ist das schon eine hohe Form der Dialektik, der wir nicht mehr folgen können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie sagen, die Kernkraftnutzung sei so schlimm, dass Sie das Ihren Kindern nicht zumuten können, und das habe nichts mit dem Krieg zu tun – Stichwort: 15. April nächsten Jahres. Wenn Sie Ihren Kindern in die Augen schauen wollen, müssten Sie die Kernkraftnutzung heute beenden. Warum stimmen Sie dann heute überhaupt noch der Verlängerung zu?
(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden sich hier gerade um Kopf und Kragen! Es wird nicht besser, Frau Klöckner! – Sönke Rix [SPD]: Das ist doch Blödsinn, was Sie da reden!)
Also, Sie müssen doch mal ehrlich bleiben und sagen, was Sie hier umtreibt. Entweder sind es Fakten, oder es ist Ideologie, oder es ist das Machtwort des Kanzlers, der bei einer so wichtigen Frage heute nicht hier sitzt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Carsten Träger [SPD]: Es sind zumindest nicht alternative Fakten!)
Es geht hier auch um die Standortfrage. Ich will in diesem Zusammenhang eines betonen: Ihr Lieblingswort im Koalitionsvertrag ist ja „Transparenz“; fast 30‑mal haben Sie dieses Wort genutzt. Aber eine ergebnisoffene und transparente Prüfung hat ja nicht stattgefunden, weil ein grüner Staatssekretär den Passus,
(Zuruf des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
dass eine AKW-Laufzeitverlängerung eine CO2-Reduktion um 25 bis 30 Millionen Tonnen bewirken würde, aus dem Vermerk streichen ließ. Das heißt, Ihnen geht es doch gar nicht mehr um den Klimaschutz. Ihnen geht es doch nur noch um Parteiprogrammatik, und da nehmen Sie Doppelmoral in Kauf. Das, muss ich sagen, ist mehr als fragwürdig; denn Sie entsolidarisieren sich mit anderen Ländern in Europa. Bei Uniper steigt der Bund ein, Uniper baut Kernkraftwerke in Schweden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Andere Länder in Europa müssen höhere Preise zahlen, auch ärmere Länder, nur Deutschland nutzt die eigenen Möglichkeiten nicht.
(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Blödsinn! Völlig faktenfrei!)
Ich sage sehr klar: Wir haben auch eine Verantwortung anderen gegenüber. Wir wollen gefracktes Gas importieren, aber selber hier nicht fördern.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Sie haben eine Verantwortung zur Wahrheit! Das vergessen Sie!)
Wir wollen Kernenergie importieren, aber selber hier nicht produzieren. Das ist Wegschieben von Verantwortung.
(Zuruf von der AfD: Doppelmoral!)
Das ist wie moderner Kolonialismus, und das haben die Grünen zu verantworten.
Ich bin sehr froh – und damit schließe ich –, dass unser Fraktionsvorsitzender im Vergleich zu dem der FDP, der das nicht ertragen kann, heute da ist. Hiermit gratuliere ich ihm sehr herzlich zu seinem heutigen Geburtstag.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Robert Farle [fraktionslos])
Dem Glückwunsch schließe ich mich an, Herr Merz. Am 11.11. Geburtstag zu haben, ist auch etwas Besonderes.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wir strahlen alle!)
Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dr. Nina Scheer.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548101 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Atomgesetzes |