11.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 33

Thomas JarzombekCDU/CSU - Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung bei Neuen Energien

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in Deutschland in einer der größten Krisen. Sie ist durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erzeugt worden. Die Auswirkungen sind klar. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten hier im Deutschen Bundestag sehr viel darüber gesprochen, wie wir insbesondere die Folgen dieser Energiekrise mildern können. Insgesamt stehen 300 Milliarden Euro zur Verfügung. Was wird mit dem Geld gemacht? Wir reden über Hilfen für diejenigen, die sie brauchen, wir reden über Sparen, und wir reden darüber, Gas aus anderen Staaten zu beziehen, LNG aus den USA und woher auch immer.

Meine Damen und Herren, das, was ich in der Diskussion der letzten Monate vermisse, ist die Frage, wie wir auch mit Technologie dieses Problem angehen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir in Deutschland sind eine Ingenieursnation. Wir haben viele Beiträge geleistet, um die Menschheit nach vorne zu bringen. Das beginnt mit dem Buchdruck und geht über die Glühbirne, das Telefon, das Periodensystem, die Straßenbahn, das Auto, die Relativitätstheorie bis zum ersten Computer. Das alles waren deutsche Erfindungen. Sogar die Goldbären zitiert das „Handelsblatt“ als eine fundamentale Erfindung.

Meine Damen und Herren, warum sollten unsere Ingenieurinnen und Ingenieure, unsere Forscher und Wissenschaftler nicht in der Lage sein, auch für diese Krise Lösungen zu finden? Es gibt sie. Es gibt reife Technologien, die in unseren außeruniversitären Forschungseinrichtungen, an unseren Universitäten und an unseren Hochschulen für angewandte Wissenschaften entwickelt worden sind.

Ich vermisse die Stimme der Forschungsministerin. Ich habe sie in diesem ganzen Kontext nicht gehört. Ich vermisse die entsprechenden Ausgaben. Von diesen rund 300 Milliarden Euro sind 0 Euro für Technologie vorgesehen. Alles, was Sie heute tun, zum Beispiel mit der Wasserstoffinitiative und anderem, sind Dinge, für die wir in der Coronakrise das Budget zur Verfügung gestellt haben; 9 Milliarden Euro allein für das Thema Wasserstoff.

Deshalb: Als Serviceopposition zeigen wir Ihnen heute, wie eine Strategie aussehen sollte, die Sie sich zu eigen machen müssen, wie ich finde. Wir brauchen dringend eine Technologieagenda.

Wir brauchen erstens eine wissenschaftsbasierte schonungslose Analyse; damit muss es beginnen.

Wir brauchen zweitens eine Initiative für Schnellläufer. Was können wir kurzfristig erreichen? Technologie heute aus dem Labor in die Fabrik und zum Beispiel im Fall von Solarzellen auf die Häuserdächer.

Wir brauchen drittens einen strategischen Ansatz. In dieser ganzen Diskussion wird ständig darüber geredet, wie wir durch diesen Winter kommen. Aber, vereinfacht gesprochen, womit wollen wir in fünf Jahren heizen? Darauf müssen wir heute die Antwort finden und dafür auch die richtigen Entscheidungen treffen.

Es geht auch um eine langfristige Perspektive. Die langfristige Perspektive betrifft Themen wie zum Beispiel Kernfusion, wo der eine oder andere sagt: Das ist Zukunftsmusik. – Sicherlich wird die Kernfusion in den nächsten fünf oder zehn Jahren keinen Beitrag zu unserer Energieversorgung leisten, aber heute müssen die Entscheidungen getroffen werden. Wenn heute nicht die Entscheidungen für diese Technologie getroffen werden, bei der wir gut sind – wir haben zwei spannende Start-ups in Darmstadt und in München; wir haben Wendelstein 7‑X, wir haben ITER –, wenn heute nicht die Entscheidungen getroffen werden, hier zu investieren, dann werden die Talente woanders hingehen, ins Silicon Valley, nach China, und die Technik wird für uns nicht erschließbar sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will das auch mal für diesen mittelfristigen Zeitrahmen etwas konkretisieren. Was kann man in drei bis fünf Jahren schaffen? Wir haben gestern schon über E‑Fuels und andere Dinge geredet. Wenn wir mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unserer außeruniversitären Forschungseinrichtungen diskutieren, sagen die immer: Wir brauchen globale Energiepartnerschaften. – Wir haben so etwas auch schon im BMBF begonnen, als wir noch in der Regierung waren. Wir müssen das jetzt skalieren. Das betrifft zum Beispiel Projekte wie das in Patagonien, wo tatsächlich am Ende 550 Millionen Liter E‑Fuels in den nächsten Jahren im industriellen Maßstab hergestellt werden, übrigens mit Fördergeldern des BMWi aus der alten Legislaturperiode. Das sind Technologien, die wir skalieren müssen, die wir im industriellen Maßstab brauchen.

Was ist der Beitrag der Forschung? Ganz einfach. Es gibt zum Beispiel Start-ups, die sich gerade auf dieser Falling-Walls-Konferenz präsentiert haben und die mit neuen Verfahren deutlich effizienter Methanol aus grüner Energie erzeugen können, was am Ende die Basis dafür ist, genau diese Energie nach Deutschland zu bekommen. Hier können wir wirklich einen Impact leisten und aus diesen 550 Millionen Litern E‑Fuels dieser Anlage vielleicht 2 Milliarden oder 3 Milliarden Liter machen. Das ist der Beitrag, den die Forschung hier leisten muss.

Frau Ministerin, wir haben Ihnen in der letzten Sitzungswoche ein Konzept vorgelegt, wie Sie einen Rettungsschirm für die Wissenschaft aufspannen können; Sie hatten das nicht auf dem Schirm. Sie sind aber an dem Tag der Debatte darauf eingegangen. Das war schlau. Wir haben in der letzten Sitzungswoche ein Konzept vorgelegt, wie Sie 200 Euro an die Studierenden ausbringen können. Da haben Sie viel zu spät auf uns gehört. Deshalb werden Sie nicht zum 1. Januar 2023 fertig. Jetzt folgen Sie unserem Konzept. Auch das ist schlau.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb appelliere ich an Sie: Seien Sie auch hier klug! Nehmen Sie unseren Ball dieser Technologieagenda auf! Wir können diese Krise nicht lösen ohne neue Technologie. Dort müssen wir investieren. Wir müssen es wissenschaftsbasiert machen, und wir müssen die Köpfe unserer Forscherinnen und Forscher nutzen, um aus dieser Krise zu kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, unterbreche ich die Aussprache und komme zurück zu den Tagesordnungspunkten 32 a bis 32 d. Die Zeit für die dritte namentliche Abstimmung ist vorbei. Deshalb frage ich: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist erkennbar nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen wie immer später bekannt gegeben.

Wir kommen zurück zu Tagesordnungspunkt 33. Ich erteile als nächster Rednerin der Kollegin Ye-One Rhie, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548118
Wahlperiode 20
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung bei Neuen Energien
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