Holger BeckerSPD - Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung bei Neuen Energien
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen sicherlich die folgende Situation: Sie sind im Urlaub, und morgens am Pool, wenn die Anlage öffnet, rennen ein paar Touristen wie von der Tarantel gestochen zu den Liegen und werfen dort ein Handtuch drauf.
(Norbert Maria Altenkamp [CDU/CSU]: Ach, Sie sind das!)
Warum ich Ihnen das erzähle? „ Beitrag der Wissenschaft zur Lösung der aktuellen Energiekrise“ – so lautete der Titel des Antrags, der hier ursprünglich besprochen werden sollte. Das war Ihr Handtuch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, das Sie erst mal auf die Liege geworfen haben nach dem Motto: Erst mal eine Debatte anmelden, um sich Zeit zu verschaffen. Uns fällt dann sicherlich was ein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das hat überhaupt nichts mit der Sache zu tun!)
Nun diskutieren wir hier einen Antrag mit einem ganz anderen Zungenschlag. Zunächst würde ich Ihnen tatsächlich auch zugestehen, dass der Titel Ihres Antrages zum Teil ganz in meinem Sinne als Wissenschaftler ist, nämlich die Rolle von Wissenschaft in der Regierung zu stärken. Hier und da, wie auch Kollege Seiter es schon angemerkt hat, sind Elemente dabei, die nicht schlecht, aber eben auch nicht neu sind. Ein paar Beispiele:
Start-ups und KMUs zu fördern, wie in Punkt 12 genannt, ist eigentlich immer ein ratsames Vorgehen; denn KMUs und Start-ups sind der Maschinenraum der deutschen Wirtschaft. Es freut mich, dass Sie das erkannt haben, nachdem Ihr letzter Wirtschaftsminister ja eher ein holpriges Verhältnis in diese Richtung hatte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Ich denke allerdings, da stoßen wir mit der bereits vorliegenden Start-up-Strategie schon ganz bedeutende Entwicklungen an. Es gibt bereits heute im Bereich „Innovationen in der Energiewende“ über 100 junge Unternehmen in diesem Land, die uns an den verschiedensten Stellen mit den verschiedensten Technologien ganz entscheidend voranbringen. Und nicht umsonst waren wir als SPD-Fraktion im Rahmen unserer Klausur in Dresden zum Beispiel bei einem Unternehmen zu Gast, das Anlagen zur Wasserstoffelektrolyse herstellt.
Mit der SprinD haben wir zudem bereits heute ein Instrument, das genau jene schnelle Umsetzung dieses „from lab to fab“, wie Sie es sehr schön in Punkt 3 formuliert haben, bereits als Arbeitsauftrag hat.
Auch Ihr Punkt 7, in dem Sie das sogenannte Pre-commercial Procurement, also den Staat als Ankerkunden, vorschlagen, ist schon längst Teil des Regierungshandelns. Auch dem ist in der Start-up-Strategie ein eigenes Kapitel gewidmet.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Von uns! Alles unsere Politik! Und jetzt zu den neuen Energien!)
Nun gut. Was steht sonst noch so drin? Sie fordern die Bundesregierung auf, „eine ‚Technologieagenda Neue Energienʼ zu erstellen“. Das klingt ganz spannend, aber was umfasst das denn? Das steht nämlich nicht da; weiter geht der Satz in Punkt 1 nämlich nicht.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das steht in den Folgepunkten, Kollege!)
Und Sie nehmen auch nur ein einziges Mal konkret Bezug auf diese Agenda, nämlich bei Punkt 8, wo es um Vergabe geht. Auch da ist es so, dass Start-ups und KMUs bei Forschungsvorhaben bereits jetzt besonders zum Zuge kommen. Das ist geübte Praxis bei Förderrichtlinien.
Sie fordern zudem – ich zitiere –, „einen strategischen Prozess mit einer ideologiefreien, evidenzbasierten Bestandsanalyse aufzusetzen“. Das klingt auch erst mal gut. Aber wie so oft steckt der Teufel im Detail. Wenn die Union nämlich von „ideologiefrei“ spricht, ist zu befürchten, dass sie das genaue Gegenteil meint.
(Beifall der Abg. Ye-One Rhie [SPD])
Sie stellen sich hin und fordern Ideologiefreiheit bei Energiefragen. Aber wie sieht es bei Ihnen selbst aus? In meinem Land, in Thüringen, bekämpft die Union – natürlich völlig ideologiefrei –
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sagt doch mal, was ihr machen wollt! Ihr seid doch in der Regierung!)
Windkraft mit Zähnen und Klauen. Das gestrige Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat glücklicherweise positiv eingegriffen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Sagt doch mal ein Wort, was ihr machen wollt! Das habe ich bei keinem hier gehört!)
Dass die AfD das multidimensional tote Pferd der sogenannten friedlichen Nutzung der Kernenergie reiten möchte, wundert mich nicht. Das Haus hat hier bei der vorangegangenen Abstimmung glücklicherweise mit einer deutlichen Stimme gesprochen. Fragen Sie mal die Leute bei Helmholtz, die wirklich Energieforschung betreiben. Da werden Sie niemanden finden, der diesem Thema auch nur ein My Zukunftspotenzial zuordnet.
(Maja Wallstein [SPD]: So ist es!)
Was haben wir sonst noch? Unter Punkt 6 sprechen Sie von Forschung und Entwicklung im Bereich der Speichertechnologien und auch davon, sich neue Ansätze im Bereich Kernfusion genauer anzuschauen. Keine schlechte Idee. Genau zu diesen Punkten liegen dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestags nämlich bereits Untersuchungsanträge vor.
(Beifall der Abg. Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Stephan Seiter [FDP])
Das Interessante dabei: Diese Anträge kamen nicht auf Initiative der Union, sondern die kamen von unserer Seite, auf Initiative der SPD. Wir, die Koalition, sind es, die diese technologischen Entwicklungen vollständig und ideologiefrei im Blick haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie reden davon, ein Potenzial zu nutzen, das Sie selbst jahrelang wirklich konsequent ignoriert haben, geben vor, Ideen und Konzepte für eine Energieagenda in der Schublade zu haben, während Sie es waren, die über Jahre aktiv die Energiewende in diesem Land sabotiert und ausgebremst haben. Es war Ihr Umweltminister und späterer Wirtschaftsminister, der sich 2012, wie auch Kollegin Sitte schon bemerkt hat, öffentlich über den Zusammenbruch der Photovoltaikindustrie gefreut hat.
Es ist schön, zu sehen, dass Sie von der Union Forschung im Energiebereich als Thema für sich entdeckt haben. Es ist allerdings noch schöner, dass wir in unserer Koalition ebendiesen Weg bereits ein gutes Stück zurückgelegt haben und dass wir dabei sind, eine innovative, technologisch vielfältige, nachhaltige, sichere und ökonomisch sinnvolle Energieversorgung anzugehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Höchst, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548126 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung bei Neuen Energien |