11.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 33

Holger MannSPD - Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung bei Neuen Energien

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal sei gesagt: Wir Sozialdemokraten begrüßen, dass nun auch die Union mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 von einer „unerlässlichen“ und „großen“ Transformation spricht. Das ist gut so; denn es war ja nicht immer so.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP])

Dennoch: Nach Lesen Ihres Antrags von CDU und CSU und auch nach Hören der Debatte stellen sich zahlreiche Fragen.

Die erste ist: Wofür stehen denn Ihre „Neuen Energien“? Sie bemühen diesen Terminus ja nicht nur in der Überschrift. Wollen Sie den Bürgerinnen und Bürgern mit dieser Wortschöpfung Hoffnung machen, dass die Lösung der aktuellen Energiekrise einfach sei, nach dem Motto „Technologie löst alles“? Das hielte ich gerade in der aktuellen Situation für grundfalsch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Oder aber meinen Sie damit neue Energieerzeugungsformen? Falls ja, findet sich auf der letzten Seite Ihres Antrags einzig die konkrete Forderung, „neue Ansätze der Kernfusion (Trägheitsfusion)“ zu fördern. Hierzu sei aber zumindest mal gesagt: Das Prinzip ist alles andere als neu. Es ist seit der Entwicklung der Wasserstoffbombe bekannt und wird seit Dekaden erforscht. Allein in den USA sind seit den 70er-Jahren drei große Forschungsanlagen zur thermonuklearen Kernfusion – das meint es ja – für zweistellige Milliardenbeträge errichtet worden. Zeitpläne wie Ergebnisse blieben leider weit hinter den Erwartungen zurück. Und auch die Fertigstellung der europäischen Anlage bei Bordeaux ist inzwischen um mehr als zehn Jahre in Verzug und beim Budget jenseits von Gut und Böse. Deshalb seien hier zumindest Zweifel angemeldet.

Ich finde umso erstaunlicher, wie viele Fürsprecher dieser Technologieansatz gerade wieder findet. Offensichtlich hoffen immer noch viele darauf, die unerschöpfliche fossile Energiequelle zu finden.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Fossil? Das ist Sonne!)

Ich prognostiziere mit dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik: Das Perpetuum mobile wird Utopie bleiben. Vielleicht erinnern wir uns genau deshalb daran, dass Sonne und Wind Ressourcen bieten, die für die Existenzzeit der Menschheit völlig ausreichend sind.

Zur zweiten Frage: Warum soll ausgerechnet die Wissenschaft die Komplettlösung für die Energiefrage bringen? Damit, meine Damen und Herren, meine ich mitnichten, dass die Wissenschaft keine Ideen und Expertise hätte. Nein, im Gegenteil, sie hat diese bereits mannigfaltig geliefert. Das Problem ist: Es gab wohl nirgends ein so krasses Auseinanderfallen von Expertise und politischem Handeln wie in der Klima- und Energiepolitik, und die gibt es in Teilen dieses Parlaments bis heute.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Obwohl die Wissenschaft seit Jahren vor der globalen Erwärmung und zu hohem Ausstoß durch fossile Energieträger warnt, werden in meinem Bundesland Sachsen in den letzten Jahren Windkraftanlagen zurückgebaut. Dort wie in vielen unionsgeführten Bundesländern hat man sich der Realität verweigert und erschwert den Ausbau der erneuerbaren Energien mit Abstandsregeln und weiteren Verboten. Kurzum, meine Damen und Herren: Nein, wir müssen jetzt in die Umsetzung der Expertise der Wissenschaft kommen, und zwar auf allen Ebenen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Zur dritten Frage: Braucht es jetzt wirklich noch eine Strategie? Seit 2006 gibt es die Hightech-Strategie, die 2007 zur Hightech-Strategie zum Klimaschutz erweitert wurde. 2010 folgte dann die Hightech-Strategie 2020, 2014 die nächste Hightech-Strategie, zudem 2016 die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. In der letzten Koalition haben wir gemeinsam die Hightech-Strategie 2025 und eine Wasserstoffstrategie auf den Weg gebracht. Erinnert, meine Damen und Herren, sei deshalb daran, dass die Union damals nicht nur Herrn Altmaier als Wirtschaftsminister stellte, sondern alle Minister von Wissenschaft über Wirtschaft und Energie, Verkehr, Digitalisierung, Inneres und Bau und jede Möglichkeit hatte, die Transformation voranzubringen, die sie von uns heute mit diesem Antrag einfordert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Thomas Jarzombek [CDU/CSU])

Aber gut, zurück zur Strategiefrage. Just heute ist nicht nur die Eröffnung der fünften Jahreszeit, sondern auch Stichtag für die Ressortrückmeldung zum Entwurf der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation. In deren erster, zweiter und vierter Mission sind die von Ihnen genannten Themen und Herausforderungen klar adressiert. Die Sammlung von Zielen ist jetzt schon sehr ambitioniert. Wir brauchen deshalb keine weitere Metastrategie, sondern es braucht Fokussierung, Vereinbarung von gemeinsamen Zielen und vor allen Dingen deren Umsetzung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Vielen Dank, Herr Kollege Mann. – Damit schließe ich die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548133
Wahlperiode 20
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Rolle der Wissenschaft in der Bundesregierung bei Neuen Energien
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta