11.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 9

Christiane SchenderleinCDU/CSU - Enquete-Kommission Zukunft der Medienordnung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche gab es tatsächlich eine vielzitierte Rede eines Intendanten, der durchaus den Finger in die Wunde legte und für die Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Art runden Tisch forderte.

Aber es gab auch eine andere Nachricht, die gar nicht so viel Beachtung fand, die aber für die Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen ganz konkreten Zugewinn darstellt. Und zwar gab das ZDF bekannt, dass es die Algorithmen hinter seiner Mediathek offenlegt. Seit vergangener Woche können Nutzerinnen und Nutzer genau nachlesen, wie ihre persönlichen Empfehlungen zustande kommen. Im Gegensatz zu den Algorithmen großer Internetplattformen zielen die des Öffentlich-Rechtlichen eben nicht auf Vorlieben und Häufigkeit ab. Nein, es werden immer auch Angebote gemacht, die über den eigenen Horizont hinausgehen, das heißt: keine Filterblasen, keine Echokammern und keine gleichgerichteten Informationsangebote. Genau das ist die Leistung unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der das auch immer wieder neu beweisen und sich fragen muss: Schafft er es, die Menschen mit seinem Programmangebot umfassend, vielseitig und fundiert zu informieren,

(Beatrix von Storch [AfD]: Er muss es sich fragen, er fragt es sich aber nicht!)

und schafft er es, tatsächlich alle Menschen zu erreichen?

Besonders in Krisensituationen wie der Coronakrise, dem Krieg in der Ukraine und der Energiekrise sind eben nicht Meinungen oder Fake-Bilder entscheidend, sondern richtige Fakten.

(Beatrix von Storch [AfD]: Da müssen Sie selber schon ein bisschen lachen, oder?)

Sie sind die Grundlage für die eigene Meinungsbildung. Im Kern geht es also um Objektivität, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit. Und es ist tatsächlich so: Über zwei Drittel der Bevölkerung vertrauen der Berichterstattung des Öffentlich-Rechtlichen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ja, die über 70-Jährigen!)

Die Zahl der Zugriffe auf öffentlich-rechtliche Nachrichtenportale ist beachtlich.

Doch nicht erst seit der Aufdeckung der Missstände an der Spitze des RBB rollt eine Welle der Kritik über den ÖRR hinweg. Auch wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind kritisch und überzeugt: Wenn wir jetzt nicht ernsthaft etwas an den Strukturen ändern, wird die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schwinden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Genau darin sehe ich eine Gefahr. Denn dort, wo es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, erleben wir polarisierte Gesellschaften; wir erleben ein Zurückgehen von Partizipation, der Beteiligung an demokratischen Entscheidungen sowie eine Radikalisierung der Gesellschaft.

(Beifall des Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Beatrix von Storch [AfD]: Ja, haben wir jetzt eine, oder haben wir keine? Haben wir eine Polarisierung, oder nicht?)

Nur, der Bundestag ist für diese Debatte genau der falsche Ort; denn für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind allein die Landesparlamente zuständig.

(Beifall bei der CDU/CSU – Martin Erwin Renner [AfD]: Wir reden über die Medienordnung, nicht über den Öffentlich-Rechtlichen!)

Vor diesem Hintergrund ist der Antrag als Ganzes als unzulässig zu bewerten.

Die Ministerpräsidentinnen und ‑präsidenten der Länder haben sich im Oktober auf einen neuen Medienstaatsvertrag geeinigt. Bereits 2016 wurde die Arbeitsgruppe der Länder zum Thema „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunkanstalten“ eingesetzt. Sie hatte den Auftrag, eine Reform auszuarbeiten. Ergebnis: Der Auftrag wird geschärft, der Onlineauftrag fortentwickelt, die Sender können mehr Programme ins Internet verlagern, und die Aufsichtsgremien erhalten mehr Aufgaben. So können und sollen sie die Qualität des Programms kontrollieren.

In einem zweiten Teil des Reformprozesses geht es um die Finanzierung. Das ist ja auch richtig; denn die Finanzierung folgt dem Auftrag. Da ist das Bundesverfassungsgerichtsurteil entscheidend, das in Ihrem Antrag auch nicht beachtet wird.

Was den Reformprozess anbelangt, gehört natürlich zur Wahrheit dazu, dass der ganz große Wurf bei der Strukturreform noch nicht getan ist. Denn die Debatte um die Effizienz, das heißt um die Frage, welche Sender welchen Programmauftrag erfüllen sollen, müssen die Länder, die Rundfunkkommission und die Sender miteinander führen. Das heißt, die Frage nach dem Ob stellt sich nicht; das Wie ist zu diskutieren.

Wir stehen zu einem von der Allgemeinheit finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Im AfD-Antrag hingegen wird er offen infrage gestellt. Da heißt es: „Einschätzung der Notwendigkeit, Zulässigkeit und Legitimität eines gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Das ist eine Offenbarung. Wofür brauchen Sie dann noch eine Kommission?

Es ist auch schon angesprochen worden: Sie proklamieren stets die angebliche Staatsnähe des Öffentlich-Rechtlichen und versuchen dann aber, genau in die Gremien dieser Medien hineinzugelangen. Das ist ein klarer Widerspruch.

Die Angriffe auf die Pressefreiheit bis hin zur Zensur sind oft das erste Mittel von Antidemokraten, Diktatoren und Kriegsherren.

(Beatrix von Storch [AfD]: In der Tat!)

Erst am Mittwoch, bei den Gedenkveranstaltungen zum 9. November, haben wir uns auf die Werte Freiheit und Demokratie besonnen. Ein entscheidender Grundpfeiler bei der Bewahrung dieser Werte ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Das Resümee: An den Grundpfeilern unserer Demokratie dürfen wir nicht rütteln, und das sollten auch Sie aus der Geschichte gelernt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Martin Erwin Renner [AfD])

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Erhard Grundl das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548156
Wahlperiode 20
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Enquete-Kommission Zukunft der Medienordnung
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