11.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 37

Alexander Graf LambsdorffFDP - Sahel-Zone als Schlüsselregion für Europas Sicherheit

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Hunko, wenn dieser Antrag eines nicht ist, dann ist es: eindeutig. Aber er enthält einen Kernsatz, der, glaube ich, der Ausgangspunkt der Debatte ist; er sollte jedenfalls der Ausgangspunkt der Debatte sein. Ich stimme diesem Kernsatz vollumfänglich zu. Der lautet wie folgt:

Gleichwohl bleibt die Stabilität der Sahel-Region im Sicherheitsinteresse Deutschlands und Europas. Die Folgen wachsender Instabilität und zunehmender Migration werden in Europa unmittelbar zu spüren sein.

Das stimmt, das ist so. Aber was folgt daraus? Daraus folgt, dass wir ein Engagement in der Region brauchen, und zwar ein Engagement im vernetzten Ansatz, das politische, entwicklungspolitische, militärische und sicherheitspolitische Komponenten zusammendenkt. Das ist die Konsequenz aus diesem Kernsatz des Unionsantrages.

Dann kommen wir zu einer Diskussion über die Instrumente; die kann man führen. Das eine Instrument, das wir haben, nimmt interessanterweise den Gedanken des vernetzten Ansatzes schon im Namen auf. Das „I“ in „MINUSMA“ heißt „Intégrée“; es ist die Mission Intégrée, die integrierte vernetzte Mission der Vereinten Nationen in Mali.

Fangen wir mit dem Politischen an. Die politische Unterstützung der Vereinten Nationen für die Gewährleistung von Grunddienstleistungen an die Bevölkerung ist unentbehrlich; Bamako alleine kann es zurzeit ohne die Vereinten Nationen nicht leisten. Es gibt einen Übergangsplan zur Demokratie mit einem Wahlkalender: ein Verfassungsreferendum im März, Kommunalwahlen im Juni, Parlamentswahlen im November und im Februar 2024 die Präsidentschaftswahlen – all das unter Ägide der Vereinten Nationen. Das ist der demokratische, der politische Fahrplan.

Militärisch – das problematisiert der Antrag zu Recht, und wir diskutieren es in der Koalition ja genauso –: Klar, es gibt Probleme – und man darf sie auch nicht kleinreden – mit der Rotation, mit MedEvac, mit der Luftnahunterstützung, mit der Bürokratie, mit den Drohnen. Ich war gerade über eine Woche in diesen drei Ländern – Mali, Burkina Faso und Niger – unterwegs. Ich habe dem Außenminister von Mali sehr klar gesagt und diesen Punkt sehr deutlich gemacht: Für die Entscheidung darüber, ob unsere Soldatinnen und Soldaten bleiben können, muss sich das verbessern. – Er hat das auch konstruktiv aufgenommen.

(Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Ich hoffe, dass sich daraus was entwickelt, genauso wie aus dem Gespräch mit dem speziellen Vertreter des Generalsekretärs, Herrn Wane, mit dem wir uns vor einigen Tagen hier in Berlin getroffen haben.

Was Sie allerdings im Antrag über die Präsenz im Feld schreiben, liebe Union, ist schlicht falsch. Sie schreiben, es gäbe keine Präsenz der Bundeswehr im Feld wegen der Probleme, die es an der einen oder anderen Stelle gibt. Das stimmt einfach nicht. As we speak – während wir hier stehen –, ist die Aufklärungskompagnie in Ansongo im Einsatz in einer vierwöchigen Mission zur Sicherung der Straße von Mali nach Niger. Die sind draußen im Feld in einem vierwöchigen Einsatz außerhalb des Lagers. Also, es ist nicht ganz so schlecht, wie Sie es hier teilweise anklingen lassen.

Der dritte Punkt im militärischen Kontext. Sie schreiben: Es sind russische Söldner in Gao. – Ich war selbst in Gao, ich habe es gesehen; ich bin am Eingang des Camps vorbeigefahren. Aber jetzt mal im Ernst: Ein paar russische Söldner können doch nicht ausschlaggebend dafür sein, wie wir über 1 200 Bundeswehrsoldaten entscheiden. Entschuldigung!

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir bewundern die ukrainische Armee für ihren Widerstand, ihren Kampf gegen die russischen Streitkräfte. Dann kommen drei Dutzend Söldner, und wir ziehen unsere Leute deswegen zurück? Nein, im Gegenteil. Das russische Engagement in Afrika ist ja Teil eines großen Einkreisungsplans gegen Westeuropa.

(Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD] – Karsten Hilse [AfD]: Jetzt wird es abenteuerlich! 36 Söldner kreisen ein!)

Belarus, Serbien, Syrien, Libyen, Algerien, die Zentralafrikanische Republik, jetzt auch Mali: Russland verfolgt eine Politik zur Kontrolle der Migrationsrouten. Erinnern wir uns bitte an die Bilder von der belarussisch-polnischen Grenze. Das war ein ganz kleiner Vorgeschmack auf das, was passiert, wenn wir den Russen die Kontrolle im Sahel überlassen. Von daher glaube ich: Das kann keine Antwort sein. Es kann kein Kriterium sein, wegen ein paar Söldnern, die sich in so ein großes Konzept einfügen, jetzt den Rückzug anzutreten. Das darf nicht passieren!

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie verlangen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, eine Evaluierung. Da kann ich Sie beruhigen: Die läuft. Innerhalb der Bundesregierung wird sie im Dezember kommen. Innerhalb von MINUSMA selber wird man eine Evaluierung machen, die wird im Januar dem Sicherheitsrat vorgelegt. Wir werden beides hier im Deutschen Bundestag debattieren und daraus auch unsere Schlüsse ziehen.

Das Fazit, meine Damen und Herren. Wir brauchen eine Diskussion über die Instrumente. Wie sind wir wo erfolgreich? Wir brauchen ein regionales Engagement. Die Lage in Mali ist schwierig. In Burkina Faso haben wir eine Beratermission der Bundeswehr. Wir haben in Niger zurzeit die Mission Gazelle, wo wir uns jetzt zurückziehen und unser Footprint erheblich kleiner wird. Wir brauchen den vernetzten Ansatz; wir müssen Sicherheit, Entwicklung und Politik weiterhin zusammendenken. Und – das ist ein Punkt, wo ich dem Unionsantrag zustimme – wir brauchen eine strategische Orientierung. Auch ich würde mir deswegen eine Sahelstrategie aus dem Auswärtigen Amt wünschen, die wir hier im Deutschen Bundestag debattieren und mit der wir die öffentliche Debatte führen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU erhält das Wort Armin Schwarz.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548184
Wahlperiode 20
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Sahel-Zone als Schlüsselregion für Europas Sicherheit
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta