Otto FrickeFDP - Bundeskanzleramt und Unabhängiger Kontrollrat
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich sagen: Ich finde es sehr wichtig, dass die Redner von Regierung und Opposition dieser Debatte weiter folgen. Ich würde mich sehr freuen, wenn das bei der CDU/CSU auch der Fall wäre. Der eine Redner fehlt schon, der andere versteckt sich in den hinteren Reihen. Er weiß wohl, warum; aber dazu kommen wir gleich noch.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, dieser Haushalt – ich versuche, es vermittelnd zu sagen, aber das muss man sagen – ist ein Haushalt des Übergangs. Durch Corona und die daraus resultierenden Folgen und den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sind viele Probleme auf einmal auf unseren Haushalt zugekommen. Corona schleicht sich hoffentlich aus, kostet aber noch, und die Auswirkungen dessen, was Russland macht, erleben wir an vielen Ecken und Enden. Dennoch ist es uns gelungen, im Kernhaushalt die Schuldenbremse einzuhalten – viele werden jetzt sagen: „Ja, das ist euch wichtig!“; ich sage, ja, das ist wichtig – und gleichzeitig da, wo es notwendig ist, sowohl im Bereich Verteidigung als auch in den Bereichen Elektrizität und Wärme, in Form von Sondervermögen Sicherheit zu geben.
Das sage ich deutlich Richtung CDU/CSU: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.“ Aber nicht immer dieser Mischmasch. Vor ein paar Monaten hieß es noch: Diese Koalition ist nicht in der Lage, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. – Dann stellen wir mit den 200 Milliarden Euro die Mittel zur Verfügung. Doch was sagt die CDU/CSU: Ja, aber wir wissen ja noch gar nicht genau, wofür. – Jetzt kommen wir mit den Vorschlägen, sagen genau, wofür. Und jetzt sagt die CDU/CSU: Ja, aber das passt uns eigentlich gar nicht. – Das ist keine Oppositionspolitik, das ist Obstruktionspolitik und nicht mehr.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Thema, ob die Schuldenbremse wirkt oder nicht: Die CDU/CSU sagt, sie wirkt nicht. Die Linke sagt: Doch, die wirkt; das ist ganz schlimm, denn wir können immer noch nicht mehr ausgeben. – Ich will es als Haushälter einmal vorsichtig mit Blick auf die Regierungsbank formulieren: Hätte es die Schuldenbremse in diesem Haushalt nicht gegeben, hätte es – da bin ich mir sicher – ganz viele Wünsche gegeben, die noch in diesen Haushalt hineingekommen wären. – Insofern sorgt die Schuldenbremse dafür, dass wir da, wo es notwendig ist, durch verstärkte Mittel für Sicherheit sorgen, aber gleichzeitig auch sagen, wohin die Reise mit dieser Koalition im nächsten Jahr geht, nämlich in Richtung Stabilität bei gleichzeitig ausreichender Versorgung in all den Bereichen, in denen sie in einer sozialen Marktwirtschaft notwendig ist.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])
Herr Kollege Dobrindt, da ist nichts in einem Schattenhaushalt. Woher hat denn die CDU/CSU die ganzen Zahlen? Na ja, Sie müssen nur in den Haushalt schauen. Alles steht dadrin, das Sondervermögen für die Bundeswehr, die 200 Milliarden Euro sind dadrin. Da ist nichts im Schatten – es sei denn, man ist nicht in der Lage, das bei Lichte zu betrachten und das im Haushalt nachzulesen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann komme ich zu der Sache mit den angeblichen 500 Milliarden Euro; das will ich auch einmal sagen. Ich habe erst gedacht, ich mache einen Milchmädchenvergleich. Der wäre aber erstens falsch, zweitens passt er nicht, drittens wäre es eine Beleidigung. Dann habe ich gedacht, ich komme mit Adam Riese. Das würde aber auch nicht klappen; denn der ist ja aus Bayern nach Thüringen ausgewandert.
(Stephan Brandner [AfD]: Da ist es schön!)
Also geht das auch nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, wenn Sie sagen, es sind 500 Milliarden Euro neue Schulden, dann zeigt das, dass Sie immer noch nicht verstanden haben, was der Unterschied zwischen einer Schuldenermächtigung – sie dient dazu, im Notfall ausreichend Mittel zu haben – und tatsächlichen Schulden ist. Aber folgen wir einmal der mathematischen Logik des Kollegen Dobrindt und des Kollegen Merz: Danach ist eine Rekordverschuldung in dem Jahr entstanden, in dem wir 600 Milliarden Euro im Rahmen von Coronahilfen über den WSF zur Verfügung gestellt haben. – Herr Kollege Dobrindt, wenn Sie schon solche komischen Rechnungen machen, weil Sie an Oppositionsdyskalkulie leiden, dann sollten Sie sich wenigstens ehrlich machen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
So, ich komme zu der berühmten Frage – dieses Thema will ich noch abräumen –, warum die Erbschaftsteuer auf Immobilien steigt. Wer hat uns den Mist denn eingebrockt? Ein gewisser Herr Seehofer, der in der Immobilienwertermittlungsverordnung die Gesamtnutzungsdauer von Immobilien vereinheitlicht hat.
(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)
Der war es. Dessen Mist müssen wir jetzt wegräumen. Das ist der Grund.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dann so zu tun, als sei diese Regierung dafür verantwortlich, das ist, finde ich, schlimm.
Zum Schluss will ich noch etwas zu Ihrem Verhalten sagen. Ich empfehle allen einen Blick in die Änderungsanträge der CDU/CSU, die draußen vor dem Saal liegen, auch wenn manch einer sagt: Och, das ist so oldstyle, dass die da ausliegen. – Die CDU/CSU sagt hier ja immer: Sparen, sparen, sparen, ihr macht das schlecht. – Und dann geht man da draußen herum und denkt: Ach, ich nehme mir mal die Anträge, die da liegen. – Das sind nur die, die für die bisher beratenen Einzelpläne vorliegen: Änderungsantrag der CDU/CSU: 18 Millionen Euro, nicht einsparen, sondern mehr ausgeben.
(Christian Dürr [FDP]: Aha!)
Änderungsantrag der CDU/CSU: 150 Millionen Euro, nicht einsparen, sondern mehr ausgeben.
(Christian Dürr [FDP]: Aha!)
Änderungsantrag der CDU/CSU: 40 Millionen Euro, nicht einsparen, sondern mehr ausgeben.
(Christian Dürr [FDP]: Aha!)
Änderungsantrag der CDU/CSU: 188 Millionen Euro und noch einmal 20 Millionen Euro, nicht einsparen, sondern mehr ausgeben. – Mir fällt dazu nur König Claudius ein, „Hamlet“, erster Akt, zweite Szene: „Mit einem heiteren, einem nassen Auge“. Um es deutlich zu sagen: Mit einem heiteren Auge, wenn ich sehe, dass Sie Mathematik einfach nicht beherrschen, und einem nassen Auge, wenn ich sehe, dass wir eine so schlechte Opposition haben. Aber so ist es dann wohl.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen auf jeden Fall schauen – dafür verwende ich die letzte Minute, Frau Präsidentin –, was im nächsten Jahr notwendig ist. Das ist der einzige Punkt, wo ich dem Kollegen Merz zustimmen kann: Es wird um ein Wettrennen in dieser sich verändernden Welt gehen, wo und wie investiert wird. Ich sage ausdrücklich: wo und wie in Nachhaltigkeit, in Demografie, in Digitalisierung investiert wird. Wenn wir das hier nicht schaffen – –
(Stephan Brandner [AfD]: Wie wollen Sie in Demografie investieren?)
– Auch in Demografie kann man investieren, und zwar dadurch, dass man Arbeitsplätze schafft, weil das essenziell für das Funktionieren unserer Sozialsysteme ist.
(Christian Dürr [FDP]: Richtig!)
Ich will es deutlich sagen: Unser aller Aufgabe, auch von denen mit schlechter Rechenfähigkeit, wird es sein, der Welt zu sagen: Hier lohnt es sich, zu investieren, hier entsteht die Zukunft, hier entsteht Nachhaltigkeit, hier findet Digitalisierung statt, weil wir verstanden haben, was diese Zeitenwende bedeutet.
(Stephan Brandner [AfD]: Das passiert ja hier alles gerade nicht!)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Kerstin Radomski das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548380 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 69 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzleramt und Unabhängiger Kontrollrat |