Saskia EskenSPD - Bundeskanzleramt und Unabhängiger Kontrollrat
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am Samstag jährte sich die Bundestagswahl, mit der Willy Brandt 1972 als Kanzler der Bundesrepublik bestätigt wurde. 50 Jahre ist das jetzt her. Viele Zitate Brandts aus dieser Zeit sind legendär. Dazu gehört natürlich auch sein Appell, mehr Demokratie zu wagen. Denn das ist sie, unsere Demokratie: Sie ist ein Wagnis.
Demokratinnen und Demokraten gehen ein Wagnis ein, wenn sie Politik offen und partizipativ gestalten, wenn sie multipolare, wenn sie lagerübergreifende Koalitionen mit Demokraten eingehen. Denn das bedeutet, geteilte Macht als wahre Macht zu begreifen – im Inneren wie im Äußeren. Die Demokratie ist also ein Wagnis, und gleichzeitig ist sie, wie Rolf Mützenich gerade ganz richtig gesagt hat, unsere einzige Hoffnung. Unser Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt eine solche wagemutige, hoffnungsfrohe demokratische Gesinnung an jedem Tag und mit großem Erfolg – in der Führung der Ampel ebenso wie auf den internationalen Bühnen.
Es ist kein Zufall, dass der Koalitionsvertrag, den wir vor einem Jahr geschlossen haben, den Titel „Mehr Fortschritt wagen“ trägt. Als ich für die SPD diesen Vertrag unterzeichnet habe, da waren mir zwei Dinge besonders wichtig:
Erstens. Wir formulieren den Anspruch, dieses Land zu modernisieren, den Wirtschaftsstandort und die Gesellschaft fit zu machen für die Zukunft in Anerkennung der Realität und inmitten der Krisen, die wir erleben und bewältigen müssen, mit aktiver Industriepolitik, mit einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung und nicht zuletzt mit einer Strategie zur Bewältigung des Fachkräftemangels; denn das ist die Achillesferse unserer wirtschaftlichen Entwicklung.
Zweitens. Es geht mir, es geht uns um Respekt, Respekt für jeden Menschen, Respekt für jeden Abschluss, für jede Tätigkeit. Deshalb haben wir den Mindestlohn auf 12 Euro erhöht. Wir senken die Abgaben für geringe Einkommen unter 2 000 Euro, damit sich Leistung lohnt. Und wir modernisieren unseren Sozialstaat. Das neue Bürgergeld bedeutet zusammen mit der Ausweitung des Wohngelds und der wesentlichen Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag die größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir wollen einen Sozialstaat, der Menschen auf Augenhöhe begegnet und sie bestmöglich und ganz individuell dabei unterstützt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, egal ob sie arbeiten, doch der Lohn ihrer Arbeit nicht zum Leben reicht, ob sie erwerbslos sind und ihnen die Qualifikation fehlt, ob sie in Ausbildung sind oder ob sie eine Chance im sozialen Arbeitsmarkt brauchen. So vielfältig sind die Lebenssituationen von Menschen in Grundsicherung. Wir werden ihnen gerecht und stärken ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das ist für mich Respekt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ganz klar haben wir mit der Reform des Bürgergelds im Blick, dass erwerbslose Menschen in Arbeit kommen. Aber nachhaltig und nicht nur so, dass sie in einer ewigen Drehtür zwischen prekärer Arbeit und Jobcenter gefangen sind. Deshalb stellen wir Qualifikation jetzt in den Vordergrund, schaffen den Vermittlungsvorrang ab und schaffen einen Ausbildungsbonus und ein Weiterbildungsgeld.
(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Im Kern bedeutet dieses Bürgergeld also mehr Geld, mehr Teilhabe, mehr Qualifikation und mehr Respekt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Respekt für jedermann und jede Frau, das beinhaltet auch Respekt vor anderen Meinungen und Perspektiven. Bevor es jetzt Tumult auf der rechten Seite des Parlaments gibt: Nein, Sie sind damit nicht gemeint. Es gibt keine Toleranz und es gibt keinen Respekt für die Intoleranz, und Ihr Hass ist keine Meinung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christian Dürr [FDP])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Respekt und mit ehrlichem Interesse an der Auffassung anderer haben wir diese Koalition gebildet. Dass wir unsere Vorhaben gemeinsam so voranbringen, dass niemand mit der Faust in der Tasche zur Abstimmung gehen muss, das ist eine besondere Qualität der Arbeit in dieser Koalition. Dafür gilt mein ganz herzlicher Dank den Kolleginnen und Kollegen, die in der Regierung und die im parlamentarischen Verfahren immer wieder und jeden Tag daran arbeiten, dass das gelingt, und zwar sowohl in der Bewältigung der multiplen Krisen als auch in der Modernisierung unseres Landes und in der Stärkung des Zusammenhalts.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Martin Erwin Renner für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548382 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 69 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzleramt und Unabhängiger Kontrollrat |