Thomas HackerFDP - Bundeskanzleramt und Unabhängiger Kontrollrat
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kultur – Deutschland ist eine Kulturnation. Fragt man die Menschen auf der Straße, was Kultur für sie ausmacht, wird man viele Antworten erhalten: Graphic Novels, NFT-Kunst, in Bayreuth vielleicht Wagner-Opern, Literatur und Musik von Klassik bis Pop, Plattdeutsch oder Ballett, dazu die breiten kulturellen Traditionen, die Menschen aus ihren Heimatländern mit nach Deutschland gebracht haben. Kultur und ihre Ausdrucksformen sind so vielfältig wie die Menschen, die sie erreichen.
Deutlich ist jedoch ihr Beitrag zu unserem gesellschaftlichen Miteinander; vielleicht mag man sogar von einem Beitrag zur Zivilisation sprechen, auch wenn das bisweilen strittig diskutiert wird. Der Soziologe Dirk Baecker fasst es in einem Essay zur Coronakrise meines Empfindens nach treffend zusammen – ich zitiere –:
Der wichtigste Beitrag der Kultur ... besteht darin, für eine Qualität der Begegnung, des Gesprächs, der Debatte zu sorgen, die es erlaubt, sich im besten Sinne des Wortes „zivilisiert“ ... zu verständigen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Erik von Malottki [SPD])
Darum geht es uns in der Ampel in diesen umwälzenden Zeiten, angesichts der großen gesellschaftlichen Bewährungsproben, die wir haben: Die Coronakrise ist im Kulturbetrieb noch nicht ganz überwunden, und morgen sind es bereits neun Monate, in denen der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine in Europa tobt.
Der Bundeshaushalt 2023 setzt ein entschlossenes Zeichen für Kultur und für Medien. Wo andere den Rotstift ansetzen würden, stellen wir erneut mehr Geld bereit. Dafür danke ich Christian Lindner, Claudia Roth und den Haushältern ausdrücklich. So können wir die kulturpolitischen Schwerpunkte unserer gemeinsamen Koalition beibehalten.
Wir setzen aber gleichzeitig auch neue Impulse: Der Kulturpass richtet sich besonders an die junge Generation. Gerade sie, liebe Union, waren doch in den letzten zwei Jahren der Pandemie die großen Leidtragenden. Die Faszination von Livekulturerlebnissen kann durch Youtube, Netflix und Co nicht wirklich dauerhaft kompensiert werden.
Ja, Kultur braucht Investitionen – Investitionen in Kulturdenkmäler wie die Andreaskapelle im Bamberger Dom oder in Kulturorte wie das „Kino International“ hier in Berlin.
Mit dem Haushalt kommen wir aber auch unserer erinnerungskulturellen Verantwortung nach. In einer digitalen Welt muss die Auseinandersetzung mit und die Erinnerung an die NS-Verbrechen auch im digitalen Raum stattfinden. Hier können wir die junge Generation erreichen und für die unvorstellbaren Zivilisationsbrüche in unserer Geschichte sensibilisieren.
Unsere erinnerungskulturelle Verantwortung gilt auch für die Jahrzehnte in einem getrennten und schließlich wiedervereinten Deutschland. Wir stärken nicht allein die Arbeit von Gedenkstätten und Institutionen, sondern auch die Bereitstellung eines digitalen kollektiven Gedächtnisses. Mit 13,5 Millionen Euro kann das Bundesarchiv auch in den nächsten Jahren die vorhandenen Dokumente der Staatssicherheit der DDR digitalisieren und für die Nachwelt erhalten. Für uns bleibt der aufrichtige Blick in die Vergangenheit die Voraussetzung für die demokratische Gestaltung unserer Zukunft.
Über den einen oder anderen Änderungsantrag, den wir heute beraten, kann man nur den Kopf schütteln. Es ist zwar richtig, das Mahnmal für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland zu unterstützen. Wer dafür aber die Mittel für die Deutsche Welle kürzen will, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Die Deutsche Welle hat einen entscheidenden Anteil daran, unsere gemeinsamen europäischen Werte, unsere Demokratie, unsere Kultur, unsere Freiheit in die Welt hinauszutragen. Sie hilft genauso Exiljournalistinnen und ‑journalisten, ihre Arbeit fortzusetzen, sich dem russischen Diktator entgegenstellen zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeshaushalt 2023 schafft die richtigen Voraussetzungen, die kulturelle Vielfalt zu stärken, die Kulturschaffenden zu unterstützen, Menschen, die vor dem Krieg fliehen, Hoffnung zu geben. So kann die Kultur ihre Wirkung entfalten, ihren Beitrag leisten für eine freie und zivilisierte Welt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Sepp Müller für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548385 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 69 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzleramt und Unabhängiger Kontrollrat |