Michael BrandCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben gerade jeden Tag in dramatischer Art und Weise, wie eine barbarische und mittelalterliche Form der Kriegsführung nicht nur auf Eroberung, sondern auch auf Vernichtung der Lebensgrundlagen für Millionen von Menschen zielt. Das ist nicht nur militärisch eine für Europa neue bzw. alte Ära; es ist die Rückkehr zu einer schlimmen, barbarischen Zeit. Unsere politische Reaktion auf diese Herausforderung ist von strategischer Bedeutung:
Humanitäre Hilfe ist hier nicht Hilfe in Not allein, sondern auch Hilfe bei der Prävention. Sie ist vor allem strategischer Pfeiler zur Sicherung und Wiederherstellung von Stabilität und Sicherheit in Europa; denn Putins Vernichtungskrieg soll Millionen von Flüchtlingen nach Polen, Deutschland und in andere Länder vertreiben, um das freie Europa zu destabilisieren. Umso deutlicher sagen wir dem Kriegsherrn im Kreml: Dieses verbrecherische Kalkül wird scheitern. Menschlichkeit und Zivilisation werden gegen diese Barbarei am Ende siegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das tapfere und beeindruckende Volk der Ukraine, das um sein Überleben kämpft, braucht nicht nur politische und militärische Hilfe, sondern massiv auch humanitäre Hilfe. Die Hilfsbereitschaft unserer polnischen Nachbarn für die Flüchtlinge ist schlicht großartig. Für diese große Geste möchte ich auch im Namen dieses Hauses den Menschen in Polen ausdrücklich unseren großen Respekt und auch unsere Dankbarkeit aussprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für den Frieden in Europa ist es von strategischer Bedeutung, dass unsere Bereitschaft als Staat zur Hilfe wie auch die großartige Hilfsbereitschaft unserer Bevölkerung erhalten und gefördert werden. Hier gilt gerade für Deutschland, die Ukraine und deren Nachbarn nicht nur mit warmen Worten, sondern auch mit massiver humanitärer Hilfe zu unterstützen.
Umso mehr ist die von Außenministerin Baerbock vorgeschlagene Kürzung im Regierungsentwurf für die humanitäre Hilfe ein fatales Signal. Liebe Kollegin Müntefering, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das als Einzige in der Debatte angesprochen haben; denn es gab in den vergangenen Regierungen immer den Konsens, dass es aufgrund der steigenden Anzahl und der Dauer von Krisen auf der Welt notwendig ist, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden.
Frau Ministerin, Sie finden freundliche Worte für die Ukraine und für Polen. Mit Ihrer geplanten drastischen Kürzung der Mittel für die humanitäre Hilfe haben Sie diese eigenen Worte Lügen gestraft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben damit nicht nur der Glaubwürdigkeit Ihres Amtes, sondern – schlimmer – auch der Glaubwürdigkeit Deutschlands geschadet. Und die Wahrheit ist: Erst die Initiative der CDU/CSU
(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
– wir haben ja den Antrag gestellt, wir haben Vorschläge auf den Tisch gelegt, die die Ampelkoalition abgelehnt hat; ich erinnere an die erste Lesung und an die Beratungen im Ausschuss – und erst der öffentliche Druck – auch humanitärer Helfer, erfahrener NGOs, der Partner der Vereinten Nationen – haben die Kehrtwende zurück zu einer verantwortlichen Politik eingeleitet. Statt der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Kürzung von über 500 Millionen Euro stehen nun über 700 Millionen Euro mehr zur Verfügung, um das Minimum an humanitärer Hilfe in verschiedenen Bereichen – von der Ukraine über die globale Nahrungsmittelkrise bis hin zu anderen Krisen – abzusichern.
Die ursprünglich vorgesehene Kürzung hat natürlich nicht nur die Partner im Bereich der humanitären Hilfe verunsichert, sondern auch für große Herausforderungen hinsichtlich der Planbarkeit und der Verlässlichkeit der humanitären Hilfe gesorgt, und das führt natürlich dazu – das wissen wir alle, die mit humanitärer Hilfe zu tun haben –, dass die Lebensmittelkosten steigen, wenn nicht rechtzeitig Nahrung eingekauft wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss sich noch mal vor Augen halten, was es bedeutet, einen solchen Regierungsentwurf ausgerechnet in der größten humanitären Krise in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg und angesichts einer drohenden globalen Hungerkatastrophe vorzulegen. Ich kann in dieser Debatte nur sagen: Die Selbstwahrnehmung der Koalition und die Realität klaffen hier schon ziemlich weit auseinander.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deutschland muss ein strategisches Interesse daran behalten, ein humanitärer Riese zu bleiben. Diese Bundesregierung wollte uns auf den Weg zu einem humanitären Zwerg schicken.
(Ulrich Lechte [FDP]: Ach, bitte!)
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir Gott sei Dank verhindert.
Auch im Bereich der Menschenrechte ist diese Regierung leider auf dem Weg, ein Zwerg zu werden.
(Ulrich Lechte [FDP]: Sie haben wohl den vorgelegten Haushalt nicht gelesen!)
Große Worte von Frau Baerbock zu Menschenrechten und Freiheit in China, Kritik am Ausverkauf deutscher Infrastruktur, und dann einknicken und nur eine kleine Protokollnotiz beim Einstieg Chinas am Hamburger Hafen hinterlassen,
(Ulrich Lechte [FDP]: Wir können doch nur eure Gesetze umsetzen! Ihr habt so einen Mist hinterlassen, und wir müssen damit umgehen!)
das ist kein Rückgrat gegenüber dem Kanzleramt.
Gleiches gilt für die zutiefst korrupte FIFA-Fußball-WM in Katar.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Statt für die Menschenrechte dort einzutreten, ist von Vizekanzler Habeck und seiner Verbeugung vor dem Emir, der Innenministerin und ihrer unverantwortlichen Wiedergabe der Propagandalinie Katars bis zur indifferenten Haltung des Bundeskanzlers verdammt viel Opportunismus zu sehen.
Herr Kollege.
Angesichts der Lage und einer Blockade selbst von simplen Armbinden durch die FIFA-Katar-Connection
(Ulrich Lechte [FDP]: Was hat denn die Bundesregierung damit zu tun?)
ist es ein Zeichen von Rückgratlosigkeit, dass Frau Faeser sich heute nicht hier der Debatte stellt, sondern nach Katar reist.
Wir können nur hoffen, dass diese Verzwergung der deutschen Haltung, die unseren Interessen schadet, bald aufhört. Das jedenfalls fordern wir mit Nachdruck.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Ralf Stegner [SPD])
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Max Lucks, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548412 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 69 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |