24.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 70 / Einzelplan 11

Claudia RaffelhüschenFDP - Arbeit und Soziales

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Jetzt wird es wieder ein bisschen ruhiger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Minister Hubertus Heil! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufstellung des Arbeits- und Sozialetats war in diesem Jahr besonders anspruchsvoll. Corona, Ukrainekrieg und Energiekrise – all das tangiert insbesondere den Einzelplan 11. Wir haben einen soliden Regierungsentwurf in den letzten Wochen noch weiter konsolidieren können; denn die Frage, wie wir das zur Verfügung stehende Geld noch besser verausgaben können, bleibt ein wichtiger Grundsatz – und zwar immer, nicht nur in Krisenzeiten.

Absolut klar war für uns, dass alle Änderungen, die wir als Koalition am Regierungsentwurf vornehmen, im eigenen Etat gegenfinanziert sind. So gewähren wir nun der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern mehr Spielraum im Bereich der Eingliederung und kompensieren dies einmalig im Haushaltsjahr 2023 und aufgrund des entstehenden Mehrbedarfs durch den Rechtskreiswechsel der Ukrainegeflüchteten über das Bürgergeld. Das ist sachlogisch; denn wir setzen hiermit einen Anreiz zu mehr Aktiv- statt Passivleistungen.

(Beifall des Abg. Pascal Kober [FDP])

Selbstverständlich bleibt es bei unserem Grundsatz: Arbeit muss sich lohnen. Deshalb gilt es, diejenigen zu unterstützen, die aus dem Ausland in unseren Arbeitsmarkt hineinkommen, die sich fort- und weiterbilden wollen oder die bisher keine Chance auf berufliche Qualifikation hatten.

Im Gesamtbudget SGB II stehen den Jobcentern – unter Einbezug aller Ausgabeposten – nun 10,35 Milliarden Euro zur Verfügung. Hier haben wir den Etat also deutlich verstärkt und den Hilferufen aus den Jobcentern Gehör verschafft. Sie leisten großartige Arbeit vor Ort, und ich freue mich auf weitere Erfolge im kommenden Jahr.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mehr Menschen in Arbeit zu bringen, muss unser Hauptziel sein und bleiben; denn damit entlasten wir darüber hinaus auch unsere Sozialversicherungssysteme.

Außerdem starten wir das Bundesprogramm Barrierefreiheit mit 2 Millionen Euro Anstoßfinanzierung

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

für mehr Teilhabe beeinträchtigter Menschen am gesellschaftlichen Leben. Pünktlich zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember setzen wir ein Zeichen und ermöglichen, dass die mit dem Programm verbundenen Maßnahmen in 2023 pünktlich starten können.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da wir Haushaltspolitiker unsere Arbeit als Hüter des Geldes ernst nehmen, haben wir die Ausgaben gesperrt, bis uns ein Konzept über die konkrete Ausgestaltung der Bundesinitiative vorgelegt wird. Wir wollen so sicherstellen, dass das zusätzliche Geld auch wirklich sachgerecht verausgabt wird.

Darüber hinaus stärken wir die Nationale Armutskonferenz und den sogenannten Partizipationsfonds.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit den bisherigen Förderentscheidungen konnten aufgrund der knappen Mittelausstattung nicht alle Anträge bewilligt werden, etwa aus dem Bereich der Gehörlosen-Community. Mit den zusätzlichen Mitteln soll nun mehr Spielraum geschaffen werden, um weitere Projekte fördern zu können.

Mit all diesen Vorhaben setzen wir weitere zentrale Versprechen aus dem Koalitionsvertrag um und zeigen gleichwohl, dass Steuergeld ein endliches Gut ist; denn wir finanzieren diese aus dem eigenen Etat gegen.

Oftmals hat der Staat leider nicht nur ein Ausgabenproblem, sondern auch ein Ausgabenstrukturproblem. Nicht nur über das Wieviel, sondern auch über das Wofür haben wir uns gemeinsam mit dem BMAS ausgetauscht. Ich bin sehr froh darüber, dass wir im Kapitel „Arbeitswelt im Wandel“ – hier liegt der Mittelabfluss seit Jahren deutlich unter dem veranschlagten Sollansatz – 10 Millionen Euro zugunsten des Bundeshaushalts kürzen konnten. Koalition und BMAS setzen damit ein gemeinsames Zeichen: Wo Geld nicht gebraucht wird, setzen wir es frei.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich bleibt ein zentraler Krisenherd des Einzelplans die Rente. Die Zukunftsfähigkeit unserer Rentenversicherung hat höchste Priorität. Ich freue mich deshalb wirklich über den Einstieg in ein kapitalgedecktes System!

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist hanebüchener Unsinn!)

Mit dem Renteneintritt der Babyboomer ab dem Jahr 2025 werden unsere Rentenkassen jedoch unter noch massiveren Druck geraten: Sie haben weniger Kinder geboren, sind jedoch selbst viele. Die Rentenversicherung sieht sich also bald mit immer weniger Einzahlern und immer mehr Empfängern konfrontiert.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war schon immer so!)

Dieser demografische Effekt wird noch eklatanter, wenn wir die steigende Lebenserwartung hinzuziehen, die Rente somit immer länger bezogen wird. Die fünf großen Rentenzuschüsse betragen im Jahr 2023 zusammen 106,6 Milliarden Euro. Hier ist etwas aus den Fugen geraten, und es braucht nun dringend sanfte Impulse an den Stellschrauben der Rente

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viel Prozent vom Bruttoinlandsprodukt sind das?)

und mehr Flexibilität beim Renteneintrittsalter. Denn selbstverständlich sollte ein Dachdecker nicht mit 60 Jahren noch weiterarbeiten müssen; andere Berufsgruppen können und wollen das aber durchaus.

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ja erlaubt!)

Leider hat es bisher fast keine Regierung geschafft, dem Rentensystem eine Therapie zu verabreichen. Wir machen das anders und denken langfristig – für unsere Kinder und Enkelkinder!

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie wollen zocken mit der Rente!)

10 Milliarden Euro Kapitalstock sind ein Lichtblick, ein guter Anfang und ein sehr gutes Signal für unsere Jugend.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Ein Tropfen auf den heißen Stein!)

Eine Notoperation an unserem eigentlich umlagefinanzierten System ersetzen sie jedoch nicht. Lieber Herr Minister, ich würde mich über einen gemeinsamen Aufbruch freuen. Lassen Sie uns zu diesem Thema im Gespräch bleiben.

Abschließend noch eine Erfolgsmeldung. Es geht um den Fonds zur Abmilderung von Härtefällen in der Ost-West-Rentenüberleitung, für Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer, der im Bundeshaushalt 2023 nicht mehr etatisiert ist. Für das aktuell laufende Haushaltsjahr stehen 500 Millionen Euro zur Verfügung, die mit einer Sperre versehen waren. Ursprünglich sollte das Fondsvolumen von den Bundesländern um den gleichen Betrag ergänzt werden. Hier wurde eine gemeinschaftliche Beteiligung seitens der Länder aber abgelehnt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die zahlen ja auch schon 1,17 Milliarden Euro für das AAÜG!)

Das ist aus mehreren Gründen wirklich zynisch: Erstens wurde im Bundesrat oft und vehement angemahnt, dass mehr für die beschriebenen Bedarfsgruppen getan werden muss. Zweitens sprechen wir hier über Menschen in fortgeschrittenem Alter, die eine Entschädigung nicht nur aus finanziellen, sondern eben auch aus symbolischen Gründen mehr als verdient hätten. Drittens weisen die Länder gegenüber dem Bund einen deutlichen Einnahme- bzw. Haushaltsüberschuss auf. Als Ampelkoalition haben wir die Sperre in der vergangenen Sitzung des Haushaltsausschusses aufgehoben, sodass der Bundesanteil nun bald an die Anspruchsberechtigten ausgezahlt werden kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Bund wird den möglichen Ausfall der hälftigen Beteiligung durch die Bundesländer jedoch nicht kompensieren, und das ist richtig.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Das ist falsch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie sagte schon Hans-Dietrich Genscher:

Liberale wissen, verantwortliche Politik muss der Freiheit und der Würde jedes einzelnen Menschen dienen. Aber Freiheit und Verantwortung gehören für uns Liberale untrennbar zusammen.

(Beifall bei der FDP)

Daher gilt: Wir sind für die Menschen in diesem Land da, wir lassen niemanden alleine. Gleichwohl gilt aber auch: Wir haben eine große Verantwortung für die zukünftigen Generationen. Das sind unsere Kinder und unsere Enkelkinder, und ihnen wollen hoffentlich wir alle einen solideren Staat hinterlassen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Stephan Stracke.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548471
Wahlperiode 20
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Arbeit und Soziales
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