Konstantin KuhleFDP - Inneres und Heimat, Datenschutzbeauftragter
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verschiedene Redner haben hier schon über das Thema Migration gesprochen. Dazu will ich einmal klarstellen: Wir werden bis Ende 2022 voraussichtlich knapp 200 000 Erstanträge auf Asyl in Deutschland haben. Das sind hohe Zahlen, aber diese Zahlen sind weit entfernt von den Spitzenzahlen in 2015/2016, und deswegen muss man diese Situation als eine eigene Situation in dieser Zeit bewerten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber die besondere Situation, die wir haben, ist, dass wir ganz viele Antragsteller aus dem Irak, aus Syrien und aus Afghanistan haben und dass sich diese Antragsteller in der Verantwortlichkeit der Kommunen mit zahlreichen Ukrainerinnen und Ukrainern mischen. Diese Kombination aus der Bearbeitung der Erstanträge auf Asyl und der Aufnahme von Ukrainern stellt die Kommunen vor besondere Herausforderungen.
Es ist richtig: Wir als Bund dürfen die Kommunen in dieser Situation nicht alleine lassen.
(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)
Deswegen ist es gut und richtig, dass der Bund die Kommunen finanziell unterstützt. Er tut das nicht im Rahmen des Bundeshaushalts, sondern im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung. Es ist richtig, dass die Kommunen hier unterstützt werden; denn alleine werden sie es nicht schaffen, mit dieser schwierigen Situation fertigzuwerden.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich mache mir ein bisschen Sorgen, dass wir, wenn wir über Migrationspolitik sprechen, nur über Krisen sprechen. Wir müssen aber auch den Fokus der Migrationspolitik in diesem Land mal klarkriegen. Und der Fokus muss sein, dass wir mehr reguläre und weniger irreguläre Migration brauchen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Deswegen ist es gut, dass diese Ampelkoalition schon bald den Chancen-Aufenthalt auf den Weg bringt; denn der sorgt für mehr Integration in den Arbeitsmarkt. Deswegen ist es gut, dass diese Ampelkoalition schon bald ein Eckpunktepapier zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt beschließen wird; denn das ist das, was unsere Wirtschaft und unser Land brauchen.
(Zuruf des Abg. Martin Hess [AfD])
Deswegen ist es auch gut, dass diese Ampelkoalition schon bald die Asylverfahren beschleunigen wird, damit klar ist, ob Menschen einen Aufenthaltstitel in Deutschland haben oder ob sie keinen haben.
Ich will dazu auch sagen: Wenn es so ist, dass Menschen keinen Aufenthaltstitel, keinen Anspruch auf Aufenthalt haben, dann muss auch die Rückkehr in das Heimatland der Regelfall sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])
Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir miteinander auch darüber sprechen, wie Bund und Länder bei Abschiebungen noch besser zusammenarbeiten können.
Meine Damen und Herren, liebe Frau Bundesinnenministerin, Sie sind ja gerade in der Türkei gewesen, und ich finde das richtig; denn wir werden dieses Thema Migration nicht alleine lösen. Das, was die Türkei da macht – die unwürdige Behandlung von Syrern, die unwürdige Behandlung von Afghanen –, ist doch ein wesentlicher Triebfaktor dafür, warum die Zahlen auch in Deutschland und in Europa hochgehen. Deswegen ist es richtig, dass wir denen in der Türkei da deutlich machen: Wir nehmen das nicht hin, und wir wollen da eine andere Politik auch in der Zusammenarbeit mit der Türkei.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn man über die Türkei spricht, dann muss man sich aber auch klarmachen – das ist das zweite Thema, das ich kurz ansprechen möchte –, dass die Türkei, genau wie andere Staaten, als autoritär regierter Staat hier in Deutschland unmittelbar Einfluss auf unsere Politik nimmt. Ich will einmal die sogenannte UID erwähnen, die Union Internationaler Demokraten, eine Vereinigung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und die gezielt Terror und Druck machen soll auf die Menschen in türkischstämmigen Communitys in Deutschland. Das wird gemacht über die UID, das wird gemacht über TRT Deutsch, das wird gemacht über DITIB-Moscheen. All das müssen wir bekämpfen. Das ist hinderlich für Integration. Deswegen müssen wir uns auch darum kümmern, dass Imame in Deutschland ausgebildet werden und nicht ferngesteuert werden aus der Türkei, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Da ist aber eine große Spaltung!)
Wenn man sich anschaut, welche autoritären Staaten das noch machen – China über sogenannte Polizeistationen, der Iran über Einrichtungen wie das IZH in Hamburg oder auch Russland über zahlreiche Cyberattacken –, dann ist es richtig, an unserer Widerstandskraft zu arbeiten. Das sollten wir tun. Aber wir sollten niemals vergessen, mit wem wir es bei autoritär regierten Regimen zu tun haben, und müssen ganz deutlich machen, dass sich die liberale Demokratie auch gegen diese Versuche der Unterwanderung verteidigen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sehr viel Spaltung! Ob die Ampel das aushält?)
Vielen Dank, Herr Kollege Kuhle. – Nun hören wir Josef Oster, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548590 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 70 |
Tagesordnungspunkt | Inneres und Heimat, Datenschutzbeauftragter |