24.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 70 / Einzelplan 10

Albert StegemannCDU/CSU - Ernährung und Landwirtschaft

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Aus schlecht informierten Kreisen hört man immer wieder, Haushaltsreden seien langweilig, es gehe um trockene Zahlen. Ich kann Ihnen sagen, ich empfinde das ganz anders, weil Haushaltsreden ehrlich sind, weil man an ihnen erkennen kann, wie eine Regierung, wie Parteien, wie Fraktionen tatsächlich zu Themen stehen und welche Themen sie priorisieren.

Mit Blick auf den jetzigen Haushalt kann man sagen: Er ist vielleicht ein bisschen langweilig; es ist ein Aufwuchs von 2 Prozent. Bei 10,4 Prozent Inflation könnte man sagen, dass es auch ein bisschen mehr hätte sein können.

Wenn man ein bisschen genauer hinschaut, dann sieht man, dass die Verwaltungsausgaben erheblich gestiegen und die Leistungen für Landwirte geschrumpft sind. – Aber auch das: Das könnte man alles kritisieren, aber an der Stelle wollen wir gar nicht kleinkariert sein.

Es gibt aber ein paar Dinge, die gar nicht wesentlich auffallen, uns aber große Sorgen bereiten:

Ich komme auch auf die Unterstützung und den Umbau der Tierhaltung zu sprechen. Einige Kollegen haben ja schon stolz wie Bolle hier vorgetragen: Mensch, 150 Millionen Euro sind jetzt doch mal ein Anfang!

Ich wende mich jetzt auch mal an Sie, Herr Özdemir. Sie haben diese 150 Millionen Euro immer wieder ins Schaufenster gestellt. Seit Jahren diskutieren wir immer wieder darüber: in der ZKL, in der Borchert-Kommission, dem Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, mit Borchert zusammen. Es gibt wissenschaftliche Berechnungen, die besagen, dass wir für einen ehrlichen Umbau der Tierhaltung mindestens 4 Milliarden Euro im Jahr brauchen. Diese Zahl stammt aus der Zeit vor der hohen Teuerungsrate, vor den Teuerungen durch Inflation und, vor allen Dingen, vor der überproportionalen Inflation der Kosten am Bau. Das heißt, wenn wir einen Umbau der Tierhaltung organisieren wollen, dann müssen wir uns ehrlich machen und uns auf Kosten von inzwischen 6 bis 8 Milliarden Euro einstellen. Und Sie kommen hier mit 150 Millionen Euro! Diese Summe ist lächerlich, absolut lächerlich!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich nehme Ihnen das persönlich gar nicht übel, aber ich glaube, Sie wissen einfach nicht, was in den landwirtschaftlichen Betrieben los ist.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was habt ihr denn gemacht?)

Herr Ebner, Sie reden auch immer über ressourcenschonendes Handeln. Eine Ressource machen wir zurzeit kaputt, und das ist die Zuversicht bei jungen Landwirten. Haben Sie sich in den letzten Jahren mal mit jungen Landwirten unterhalten?

(Dr. Anne Monika Spallek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Die haben die Nase voll! Deshalb haben sie Sie abgewählt!)

Wissen Sie, was auf den Höfen los ist? Es gibt keine Möglichkeit, zu investieren. Sie bekommen keine Baugenehmigung, sie haben baurechtliche Probleme, immissionsrechtliche Probleme. Außerdem gibt es Probleme bei der Markteinschätzung

(Carina Konrad [FDP]: Schön, dass Sie aufzeigen, was Sie alles schlecht gemacht haben!)

und eine fehlende Akzeptanz der Gesellschaft und der Politik. Und Sie kommen hier mit 150 Millionen Euro! Also wirklich, das ist ein absoluter Treppenwitz. Das kann ich leider nicht anders bezeichnen, und ich kann Ihnen das auch nicht ersparen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kommen Sie mit Ihrer Milliarde. Ja, bitte schön, 1 Milliarde über drei, vier Jahre verteilt: Entschuldigung, das lasse ich Ihnen nicht durchgehen.

(Dr. Anne Monika Spallek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn geleistet?)

Dass Sie sich in der Ampel nicht einig werden, ist das Problem der Ampel und der Fraktionen. Wir als Opposition bewerten die Arbeit der Bundesregierung, und die hat hier einfach nicht stattgefunden. Ich bitte, das auch mal zu akzeptieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anne Monika Spallek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nichts gemacht! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, ich würde die Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bitten, so spaßig das heute Abend ist, doch eher zuzuhören und nicht verstärkt dazwischenzurufen.

Wunderbar!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber ich freue mich natürlich, wenn das, was man hier spricht, wahrgenommen wird und Reaktionen hervorruft.

Schauen wir uns an, was an Schaufensterpolitik gemacht wird. Ich habe heute der Presse entnommen, dass da jetzt eine Viertelmillion für einen Bundestierschutzbeauftragten ausgegeben wird. Das ist wirklich Schaufensterpolitik. Damit hilft man vielleicht einem alten grünen Parteifreund. Das ist eine B-6-Stelle; die ist hochdotiert. Garniert ist das Ganze noch mit zwei A-13-Stellen. Da macht man wirklich reine Schaufensterpolitik. Da, wo Sie wirklich was hätten tun können – in der Borchert-Kommission war man schon so weit –, da versagen Sie, und das ist absolut nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Carina Konrad [FDP]: Kein einziger Vorschlag von Ihnen! – Zuruf des Abg. Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will Ihnen noch etwas sagen: Was nicht direkt im Einzelplan 10 steht, wir hier aber dringend mal besprechen sollten, ist die Übergewinnbesteuerung bei den Biogasanlagen. Wir waren gestern fast mit der kompletten Truppe der Union, die jetzt hier sitzt, bei der Demonstration und haben uns die Sorgen angehört. Es gibt jetzt ja auch ein bisschen Bewegung in der Sache. Es weiß aber, glaube ich, jeder hier im Haus – hinter vorgehaltener Hand erzählt das jeder –: Es waren Haushaltspolitiker der Union, die das am Ende mit Habeck ein Stück weit ausgehandelt haben.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP – Carina Konrad [FDP]: Das ist jetzt Quatsch!)

Deswegen noch mal Danke an unseren Chefhaushälter. Der hat da wirklich eine gute Vorarbeit geleistet.

Natürlich geht das Ganze nicht weit genug. Wenn wir die Bagatellgrenze bei 1 Megawatt belassen, dann reicht das nicht aus. Dann sind die Anlagenbetreiber diskriminiert, die jetzt wirklich auf Flexibilisierung gesetzt und investiert haben, also genau das getan haben, was wir von ihnen wollten, nämlich dann Strom abzuliefern, wenn das Netz ihn braucht. Bei diesen Anlagen wird jetzt nicht der Gewinn, sondern der Erlös abgeschöpft. Es gibt einfach einen großen Unterschied zwischen Gewinn und Umsatz. Das wird ja häufig durcheinandergebracht.

Ich appelliere noch mal: An der Stelle sollten Sie Anwalt der Landwirte sein. Herr Özdemir, in Ihrer Antrittsrede haben Sie gesagt, Sie wollen Anwalt der Landwirte sein. Das waren jetzt vielleicht nur kleine Beispiele, aber Sie haben gezeigt, dass Sie bislang allenfalls, maximal, ein Pflichtverteidiger waren. Deswegen forderte ich Sie von hier aus auf: Fangen Sie an, Ihre Arbeit aufzunehmen! Werden Sie zum Anwalt der Landwirte, und kümmern Sie sich endlich um die Interessen der Landwirte! Die warten darauf, und dazu wollen wir Sie motivieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes hat das Wort Herr Bundesminister Cem Özdemir für die Bundesregierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548629
Wahlperiode 20
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
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