Peggy SchierenbeckSPD - Ernährung und Landwirtschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Ich stehe heute vor Ihnen und bin sehr, sehr froh. Ich bin froh über 12 Millionen Euro für eine Maßnahme, die für die Gesundheit unserer Gesellschaft entscheidend ist: den Modellregionenwettbewerb für eine gesunde und nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung. Vier Punkte möchte ich dabei besonders hervorheben: Der Zugang zu gesunder Ernährung ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Wir brauchen gleiche und faire Gesundheitschancen für alle. Wir stärken die Bildung im Bereich Ernährung. Wir sagen der Ernährungsarmut den Kampf an.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Warum brauchen wir dafür einen Modellregionenwettbewerb? Auch bei uns in Deutschland gibt es Hunger – nicht unbedingt Hunger mangels Kalorien, sondern viel mehr einen versteckten Hunger, weil das Essen nicht genügend Nährstoffe enthält, unserem Körper nicht das gibt, was er eigentlich braucht, weil es nicht gesund genug ist. Das ist Ernährungsarmut, meine Damen und Herren,
(Beifall der Abg. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und dieses Problem der Ernährungsarmut tritt in Deutschland auf. Ernährungsarmut ist also Mangel- und Fehlernährung. Ernährungsbedingte Krankheiten, Übergewicht und Nährstoffmangel sind die Folge. Ernährungsarmut ist oft armutsbedingt, weil zum Beispiel preisgünstige Lebensmittel meist sehr energiedicht, aber nährstoffarm sind. Für mich zeigt das ganz klar, wie stark soziale Gerechtigkeit und Ernährung zusammenhängen. Hier sehe ich unseren Auftrag, zu handeln.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diesen Auftrag sehe ich insbesondere bei unseren Kindern und Jugendlichen; denn – ich finde das alarmierend – etwa jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig oder sogar adipös. Corona hat die Ernährungssituation nicht besser gemacht, ganz im Gegenteil. Wir wissen, dass sich die Zahlen zu Übergewicht und ungesunder Ernährung noch verschlechtert haben. Vor allem für die Kinder sind die gesundheitlichen Auswirkungen einer Fehlernährung dramatisch. Zum Beispiel schränkt sie ihre körperliche und geistige Entwicklung ein. Zum Beispiel leiden sie an Diabetes oder sogar an Bluthochdruck. Zum Beispiel kommen sie durch Übergewicht viel früher in die Pubertät; man stelle sich das bitte einmal vor. Zum Beispiel leidet ihr seelisches Wohlbefinden. Wir wissen, wie sehr Körper und Psyche zusammenhängen.
Wir sehen also: Satt sein allein reicht nicht aus. Was müssen wir also tun? Wir müssen die Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung in den Blick nehmen. Täglich nehmen 17 Millionen Menschen in Deutschland an diesen Orten ihr Essen zu sich, das heißt in den Kantinen und Mensen, in Kitas, Schulen, Universitäten, Betrieben, Senioreneinrichtungen und Krankenhäusern. Deshalb ist das ein so großer Hebel für uns.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Ziel muss sein: eine leckere, gesunde, hochwertige und nachhaltige Verpflegung für alle. Gerade jetzt, in Zeiten steigender Lebensmittelpreise, ist das besonders wichtig. Eine gesunde Ernährung darf nicht zum Luxusgut werden. Hohe Preise für gesunde Lebensmittel sind ein Brandbeschleuniger für Ernährungsarmut. Der Modellregionenwettbewerb ist eine riesengroße Chance, weil er uns als Bund ermöglicht, an dieser Stelle Einfluss zu nehmen und Vorbilder zu schaffen. Er zeigt Wege, wie eine faire und sozial gerechte Ernährung der Zukunft gelingen kann.
Das bedeutet: Kantinen und Mensen sollen Wohlfühlorte sein. Denken Sie nur an Ihren letzten Besuch in Ihrem Lieblingsrestaurant – ein Ort, an dem Sie sich gerne aufhalten, Energie tanken und genießen. So soll es auch in Kantinen sein. Denn Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme; Essen ist Genuss, soll Spaß machen, ermöglicht Begegnungen. Und man kann so viel darüber lernen. Das bedeutet wiederum, dass Kantinen und Mensen zu Lern- und Erlebnisräumen werden müssen. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Kantine – ein Ort, an dem Sie sich in Zukunft wohlfühlen werden – und lernen dabei etwas über das, was Sie gerade essen, was Nahrung mit Ihrem Körper und Ihrer Gesundheit zu tun hat. Um Ihnen die Qual der Essensauswahl zu erleichtern, schaffen wir faire Ernährungsumgebungen, also ein Umfeld, das die gesunde Wahl zur leichteren macht.
Weil das alles noch nicht genug ist, muss auch die Qualität stimmen. Das stellen die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sicher. Und weil mir unsere Landwirtschaft so wichtig ist, sollen regionale, saisonale und ökologisch erzeugte Lebensmittel Vorrang haben. Auch das Klima ist mir wichtig. Deswegen stärken wir das pflanzenbetonte Angebot. Das bedeutet: mehr attraktive Speisen aus Gemüse, Rohkost, Salat und Hülsenfrüchten und weniger Fleisch.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Elektroschocks für Fleischesser!)
Auch das ist eine Empfehlung der DGE, und die Umwelt dankt es uns.
Meine Damen und Herren, ich will, dass Sie wissen, was ich weiß: Ernährung ist der effektivste Hebel, um unsere Gesundheit zu verbessern und nachhaltiger zu leben. Es ist unser Auftrag, unsere Fürsorgepflicht, all diese Erkenntnisse über Ernährung umzusetzen. Die Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung sind dafür der beste Ort. Der Modellregionenwettbewerb dient uns als Instrument für die Ernährungswende, damit alle die gleiche Chance auf ein gesundes Leben haben.
Danke.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist unser fraktionsloser Kollege Stefan Seidler.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548639 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 70 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |