24.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 70 / Einzelplan 30

Wiebke EsdarSPD - Bildung und Forschung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Das BMBF verzeichnet auch in diesem Jahr eine Plafonderhöhung. Das heißt, in haushalterisch angespannter Lage steht uns mehr Geld für Bildung und Forschung zur Verfügung, und das ist gut. Das ist aber auch klar, weil wir als Fortschrittskoalition uns einig sind, dass Fortschritt zum Wohle der Menschen nur durch mehr Bildung und mehr Forschung erreicht werden kann.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich will mich bei Christoph Meyer, Bruno Hönel, meinen Pendants bei FDP und Grünen, aber auch bei den anderen Kolleginnen und Kollegen und, Frau Ministerin, wenn Sie erlauben, auch noch einmal insbesondere bei Jens Brandenburg als Parlamentarischem Staatssekretär bedanken, der uns immer mit dem gesamten Haus sehr gut unterstützt hat, wenn wir Fragen hatten, wenn wir Abwägungen treffen mussten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt nimmt die Notwendigkeiten der Krise auf. Wir stellen nicht nur 700 Millionen Euro für die Energiepauschale für Studierende zur Verfügung, sondern auch die Mittel für den zweiten Heizkostenzuschuss für BAföG-Beziehende und AFBG-Geförderte. Ich muss es aus aktuellem Anlass noch einmal deutlich sagen: Die Energiepauschale, die wir als Bund jetzt allen Studierenden zur Verfügung stellen, ist eine Entlastung für gestiegene Heizkosten, nicht für mehr Heizkosten, weil die Studierenden im Winter nach Hause geschickt werden. Es ist die Verantwortung der Länder und der Hochschulen, dass die Hochschulen in diesem Winter offen bleiben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zum größten Posten im Bereich Bildung. Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Haushalt die erste BAföG-Reform etatisiert, den Rechtsanspruch der Studierenden auf die neuen, erhöhten Fördersätze, aber vor allem auch die Ausweitung auf mehr Geförderte durch die Anhebung der Freibeträge und die Anhebung der Altersgrenze auf 45 Jahre. Das ist gut. Wir erwarten, gekoppelt mit der Kindergrundsicherung, in dieser Legislaturperiode auch noch den zweiten Reformschritt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben im parlamentarischen Verfahren Akzente gesetzt. Wenn die tagesaktuelle Politik durch akutes Krisenmanagement dominiert wird, dann stellt sich natürlich auch die Frage: Was können wir in Bildung und Forschung dazu beitragen? Die Menschen sind beunruhigt durch den Klimawandel, gestresst von der Coronapandemie und verunsichert, nachdem Putin durch seinen Angriff den Krieg wieder mitten nach Europa gebracht hat. Sie sind verunsichert, was das für den Frieden in Europa bedeutet, aber auch ob der Fragen, wie unser Wohlstand noch zu sichern ist und wie es in der internationalen Friedensordnung aussieht. Darum müssen wir doch feststellen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt strapaziert ist, und dann muss es auch einen Beitrag von Forschung, Bildung und Wissenschaft geben, wie wir diesen strapazierten gesellschaftlichen Zusammenhalt auch unter den neuen Umständen stärken und sichern können, wie wir unsere Demokratie bestehen lassen können.

Darum haben wir in der Friedens- und Konfliktforschung im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens noch mal den Bereich so gestärkt, dass, obwohl schmerzhafte Einschnitte vorgesehen waren, am Ende mehr Geld für sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung zur Verfügung steht. Wir fördern beispielsweise die Trilaterale Wasatia Graduate School bis 2029. Dort können junge Menschen aus Palästina, Israel und Deutschland zu Themen wie Konflikt und Frieden, zu Antisemitismus, Islamophobie und Shoah forschen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir fördern mit zusätzlichen 60 Millionen Euro die naturwissenschaftliche Friedensforschung. Auch wenn die Union in der Haushaltssitzung reflexhaft befürchtete, es gebe eine Ideologisierung der Naturwissenschaften, will ich erklären, dass es darum geht, dass die Rolle der Naturwissenschaften und der Technikwissenschaften bei Themen wie Abrüstung, chemische Waffen und biologische Waffen als Grundlage genommen wird, um zu forschen und zu schauen: Was kann Wissenschaft dazu beitragen, dass beispielsweise Rüstungskontrolle oder Abrüstung besser gelingt oder dass die Verbreitung biologischer und chemischer Kampfstoffe verhindert wird?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir stellen 2,1 Millionen Euro jährlich bereit, um am Institut für interdisziplinäre Konfliktforschung an der Universität Bielefeld eine Konfliktakademie aufzubauen. Das ist ein Projekt, das mir sehr am Herzen liegt, und zwar deshalb: Wenn wir sagen, dass Wissenschaft und Forschung uns in der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts unterstützen sollen, dann müssen wir doch dafür sorgen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Das heißt, dass wir sie in die Gesellschaft hineintragen, ob es um eskalierende Konflikte bei Busfahrerinnen und Busfahrern geht, ob das Beschäftigte in den Jobcentern sind oder ob es Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind. Diese Konfliktakademie wird dafür sorgen, dass wir empirisch forschen und analysieren, welche Muster es bei diesen Konflikten gibt, sie dann aber mit Coaching und Beratung an die Menschen herantragen, um so wirklich auch einen ganz anwendungsorientierten, unterstützenden Beitrag der Forschung in diesen Zeiten zu leisten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ein weiterer Bestandteil wird sein, dass sich die Konfliktakademie mit Polarisierungsprozessen auseinandersetzt. Das ist mir noch mal wichtig, weil, wenn wir uns nach links und rechts umschauen, in anderen Ländern doch schon erkennbar ist, wie auch unsere Demokratie unter Druck gerät, weil es eine zu große Polarisierung in der Gesellschaft gibt. Dem Ziel, da einen Beitrag zu leisten, um unsere Demokratie zu stützen, sollten wir uns alle verschreiben.

Wir haben uns im Koalitionsvertrag viel vorgenommen. Kerstin Radomski, du hast es schon angesprochen: Wir werden im nächsten Jahr die DATI gründen, und das ist auch gut so, weil die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation damit strukturbildend in der deutschen Forschungsförderung einen Meilenstein setzt. Als Sozialdemokratin sage ich: Endlich geschieht das, weil wir eine deutsche Transfergesellschaft oder ‑gemeinschaft schon ganz lange fordern. Wir reagieren damit auf eine Förderlücke, die wir haben.

Dem Eindruck, den du da gerade vermittelt hast, möchte ich noch einmal widersprechen: Wir geben die Mittel frei für die Rechtsberatung zur Gründung, wir geben die Mittel frei für den Stakeholder-Prozess, weil wir die Community einbinden wollen, und die Mittel in Bezug auf die Frage, wie die Fördergelder vergeben werden, wobei uns beispielsweise ganz wichtig ist, dass wir nicht nur technologische, sondern auch soziale und ökologische Innovation wollen. Bei der Frage der Vergabe der Gelder wird für uns ganz wichtig sein, dass es ein wissenschaftsgeleitetes Verfahren gibt, nicht aber politische Einflussnahme oder Rollenkonflikte. Diese Mittel sind weiter beschwert, und das finde ich als Haushälterin auch richtig. Wir werden das eng begleiten. Aber es geht doch darum, dass wir vorankommen, weil es ein großes Projekt ist, weil wir einen ambitionierten Koalitionsvertrag haben und in vier Jahren auch im zweiten Jahr dann die Gründung erfolgen kann.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wow!)

– Ja, Herr Jarzombek, da brauchen Sie gar nicht so zu tun. Sie haben als Koalitionspartner bei uns in den letzten Jahren nicht den Mut gehabt, dass wir es gründen, und darum sind wir so froh, dass wir es jetzt mit der Ampelkoalition hinkriegen. So einfach ist das.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich war am Dienstagvormittag zu einem Besuch im Naturkundemuseum in Berlin, einem der großen Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft. Am Vormittag sind dann vor allem viele Schulklassen da. Sie glauben gar nicht, in wie viele begeisterte und wissbegierige Kinderaugen wir da gucken konnten, die unter den riesigen Skeletten der Dinosaurier umhergelaufen sind. Es war total trubelig, aber viele standen auch einfach da und waren am Staunen. Diese Begeisterung, diese Wissbegierde zu erhalten, am besten vom Kindergarten bis zur Hochschule, oder – noch besser – ein Leben lang den Forschergeist zu wecken, das ist doch die Aufgabe guter Bildungspolitik und guter Forschungspolitik. Dafür kämpfen wir, dafür streiten wir eben auch in haushalterisch angespannter Lage um den besten Einsatz der Haushaltsmittel.

Daran mitwirken zu können, dafür bin ich dankbar, und das treibt mich auch jetzt schon an für die nächsten Verhandlungen für den Haushalt 2024. Für heute Abend herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort erhält Dr. Petra Sitte für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548648
Wahlperiode 20
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Bildung und Forschung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta