Jessica RosenthalSPD - Bildung und Forschung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Es ist in dieser Debatte sehr deutlich geworden – ich glaube, es steht außer Frage –, dass wir in kriegs- und krisengebeutelten Zeiten leben. Das trifft wieder einmal vor allem junge Menschen; das ist in der in den letzten Tagen veröffentlichten Studie „Jugend in Deutschland“ sehr deutlich geworden. Über 70 Prozent der jungen Menschen haben Angst vor der Inflation, über 60 Prozent haben Angst vor Krieg in Europa, und ein Viertel gibt unumwunden zu, dass die eigene psychische Gesundheit in keiner guten Verfassung ist. Denn ja, es ist die gleiche Generation, die vieles mit Distanz und viel Onlinelernen meistern musste.
Ich persönlich werde Alvina nicht vergessen, die ich auf der Sommertour in Bonn getroffen habe und die mir sehr eindrücklich erläutert hat, wie es für sie war, in Distanz zu ihren Mitschülern zu sein, wie es sie geschlaucht hat, wie sehr es ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hat, nach der Schule plötzlich ohne Plan dazustehen, und dass sie dann eine lange Zeit gar nicht wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist doch unerträglich! Das haben Sie ihr doch eingebrockt!)
Daher muss sich dieser Bundeshaushalt, ganz besonders der Bildungshaushalt, daran messen lassen, ob wir alles in unserer Macht Stehende tun, um junge Menschen vor den Auswirkungen der Krise zu schützen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
ob alles dafür getan wird, ihnen trotz dieser schwierigen Bedingungen die Berufslaufbahn, Studium oder Ausbildung, zu ermöglichen, die sie für ein gutes und selbstbestimmtes Leben brauchen und sich wünschen.
Deshalb ist es gut, dass wir in diesem Haushalt den Weg für die 200 Euro direkte Unterstützung für Studierende und Fachschüler/-innen freigemacht haben; denn so federn wir die Kostensteigerungen für Betroffene direkt ab.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb ist es auch gut und wichtig, dass wir Gas- und Strompreisbremsen mit diesem Haushalt finanzieren, und die gelten ganz besonders für Bildungseinrichtungen.
Ich sage deutlich: Es gibt keine Entschuldigungen mehr, von niemandem von uns, weder vom Bund noch von den Ländern noch von anderen Ebenen: Bildung muss an erster Stelle stehen, und das darf kein Lippenbekenntnis sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Gerade den vielen Studierenden will ich deutlich sagen: Die Zeiten von Onlinelehre und geschlossenen Bibliotheken sind ein für alle Mal vorbei.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist ja absurd!)
Bildungseinrichtungen und damit alle Hochschulen und Lernorte müssen im gesamten Land offen bleiben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es darf keine Antwort auf die Energiekrise sein, dass Studierende und junge Menschen wieder ihre Lernorte verlieren: Keine geschlossenen Hochschulen! Keine verkürzten Öffnungszeiten von Bibliotheken!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Nicole Höchst [AfD]: Sagen Sie das der Uni Koblenz!)
Angesicht der Erfahrungen von jungen Menschen geht es jetzt nicht nur um die Frage, inwiefern wir diese Krise bewältigen. Mit Blick auf die strukturellen Herausforderungen müssen wir auch dafür sorgen, dass die strukturellen Maßnahmen entsprechend finanziert werden. Das haben wir uns gerade im Bereich der beruflichen Bildung vorgenommen: mit der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung, aber eben auch mit der Ausbildungsplatzgarantie.
Dass junge Menschen die Schule verlassen, ohne für sich selbst zu wissen, was ihre beruflichen Vorstellungen sind, ist – das will ich sehr deutlich sagen – kein individuelles Problem von jungen Menschen. Es ist ein systemisches Problem. Deshalb müssen wir gerade jetzt, wo der Fachkräftemangel in aller Munde ist, eine gemeinsame Kraftanstrengung bewältigen und junge Menschen befähigen, sich beruflich zu orientieren.
Eine Berufsorientierung darf dann aber nicht in unübersichtlichen Einzelmaßnahmen versanden, sondern muss mit gemeinsamen Standards und praxisnah aus der Sicht von jungen Menschen konzipiert werden. Ich wünsche mir, dass wir diesen Fokus ganz explizit auch mit der Exzellenzinitiative aufgreifen, für die 20 Millionen Euro für die nächsten Jahre vorgesehen sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte, dass junge Menschen gerade die Vielfältigkeit des dualen Ausbildungssystems unabhängig von der eigenen familiären Prägung kennenlernen und sich selbst durch eine mit der Ausbildung verzahnten Weiterbildungsberatung die vielfältigen Karrierechancen öffnen können.
Doch nicht nur die Berufsorientierung braucht es, damit wir endlich besser darin werden, dass Menschen den beruflichen Weg wählen, den sie möchten. Es geht auch um eine systemische Antwort, die wir mit der Ausbildungsplatzgarantie geben. Gerade wenn junge Menschen nach der Schule nicht wissen, wie sie weitermachen sollen, dann brauchen sie Ansprechstrukturen; mit den Jugendberufsagenturen, die wir flächendeckend ausbauen, leisten wir das. Das ist auch Teil der Garantie. Wir strukturieren das Übergangssystem, damit junge Menschen so schnell wie möglich zu einer Ausbildung und zu einem Abschluss kommen. Genau das brauchen wir.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.
Ich freue mich – um das mit Ihrer Erlaubnis noch zuletzt zu sagen –, dass wir eine Kultur der zweiten Chancen stärken, indem wir 2 Millionen Euro zusätzlich in die Alphabetisierungskurse der Volkshochschulen stecken.
(Beifall bei der SPD)
Das ist wichtig und notwendig. In diesem Sinne sollten wir weitermachen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548663 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 70 |
Tagesordnungspunkt | Bildung und Forschung |