Stefan MüllerCDU/CSU - Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2023
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt eine Haushaltswoche hinter uns, und es ist ja guter Brauch, am Ende einer Haushaltswoche, in der Schlussrunde, ein Fazit zu ziehen und sich vielleicht auch ein paar Fragen zu stellen. Ich habe mir in den letzten Tagen zwei Fragen gestellt. Die erste Frage lautete: Wird Olaf Scholz – das wissen wir aber noch nicht – vielleicht noch kommen und die Kapitänsbinde tragen?
Die zweite Frage, die ich mir gestellt habe, ist: Was hätte eigentlich Christian Lindner als Fraktionsvorsitzender der FDP gesagt, wenn wir in unserer Regierungszeit einen solchen Haushalt vorgelegt hätten,
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Da muss er selber lachen!)
wenn wir vorgegeben hätten, die Schuldenbremse einzuhalten, das aber nur schaffen, weil Geld aus der Rücklage entnommen wird, Ausgaben in Schattenhaushalte verschoben werden und Buchungsregeln geändert werden?
(Peter Boehringer [AfD]: Tricks! Buchungstricks!)
Was hätte Christian Lindner zu unserer Regierungszeit gesagt, wenn sich unser Finanzminister dann auch noch hierhingestellt und gesagt hätte: „Das ist solide, seriös, vorausschauend, nachhaltig; mit diesem Haushalt wird ein Bild der Sparsamkeit gezeichnet, und das Ganze ist auch verfassungskonform“? Wir werden es leider nicht erfahren. Aber alles, was wir gerade hier gehört haben, hätte Christian Lindner zu unserer Regierungszeit jedenfalls nicht durchgehen lassen – zu Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich glaube, Franz Müntefering war es, der einmal gesagt hat, es sei nicht fair, wenn man nach Wahlen an Wahlversprechen vor den Wahlen erinnert. Ich will es trotzdem tun.
(Otto Fricke [FDP]: Der hat gesagt: Opposition ist Mist! – Bettina Hagedorn [SPD]: Opposition ist Mist, hat er gesagt!)
– Das hat er auch gesagt, das stimmt. – Nichtsdestotrotz hat die FDP noch in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl versprochen:
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Haben Sie mitbekommen, dass Russland die Ukraine angegriffen hat? Haben Sie irgendwas mitbekommen? Das ist ja unglaublich!)
Dabei stehen wir für eine solide und investitionsorientierte Haushaltspolitik und zur im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Denn jede Generation hat ihre Herausforderungen und muss über die finanzpolitischen Spielräume verfügen, um diesen gerecht werden zu können.
Die Realität sieht aber anders aus. Die Realität sieht so aus, dass Sie seit Beginn Ihrer Regierung 545 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen zulasten des Haushaltes ausgebracht haben: 60 Milliarden Euro beim zweiten Nachtragshaushalt 2021, 140 Milliarden Euro beim Bundeshaushalt 2022, 100 Milliarden Euro beim Bundeswehr-Sondervermögen, 200 Milliarden Euro beim Abwehrschirm und 45,6 Milliarden beim Bundeshaushalt 2023. Das sind über eine halbe Billion Euro in gerade mal zwölf Monaten. Wenn Sie all diese Kreditermächtigungen ausnutzen, werden Sie in dieser Wahlperiode mehr Schulden machen als sechs Bundeskanzler, von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl, zusammen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn Fortschritt für Sie bedeutet, neue Maßstäbe beim Schuldenmachen zu setzen, dann haben Sie das Etikett „Fortschrittskoalition“ wirklich verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist weder generationengerecht noch nachhaltig und ganz sicher nicht das, was Sie vor der Wahl versprochen haben.
Übrigens ist der Bundesrechnungshof da sehr klar in seinem Urteil. In seinem Bericht vom 18. Oktober zur Finanzierung des Abwehrschirms kritisiert der Bundesrechnungshof unter der Überschrift „Finanzierung des Schutzschirms verfassungs- und haushaltsrechtlich problematisch“:
Die vorgesehene Finanzierung des Schutzschirms durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist in mehrfacher Hinsicht problematisch:
– Die Etatisierung der Mittel in einem Sondervermögen verstärkt die bereits bestehende Intransparenz des Bundeshaushaltsplans.
– Die vorgesehene Kreditaufnahme „auf Vorrat“ verstößt gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Jährlichkeit.
Die Auswirkungen sind schon klar zu sehen. Früher konnte man in den Bundeshaushalt schauen und wusste, wie viel Geld der Bund ausgeben wird. Jetzt muss man noch etwa 200 Milliarden Euro – so genau wissen Sie es nicht – hinzuaddieren, um zu wissen, wie viel man will und wie viel der Bund ausgibt.
(Otto Fricke [FDP]: Die stehen auch im Haushalt, Herr Kollege! Man müsste nur mal lesen! – Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, Lesen würde helfen! – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)
– Herr Fricke, ich sage gleich gerne noch was zu Ihnen, wenn die Zeit bleibt. – Das Gleiche bei den Schulden. Früher konnte man in den Bundeshaushalt schauen und wusste, wie viel Geld der Bund sich leihen würde. Jetzt muss man noch verschiedene Sondervermögen hinzuaddieren.
(Otto Fricke [FDP]: Nein, die stehen doch auch im Haushalt, Herr Kollege! – Gegenruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]: Nicht so seine Stärke!)
– Herr Fricke, weil Sie gerade reinrufen: Es war den haushaltspolitischen Sprechern der Ampelkoalition nicht mal möglich, genau zu sagen, was denn der Bund im nächsten Jahr ausgeben wird.
(Otto Fricke [FDP]: Ja, zum Glück nicht! Man muss nicht das Geld ausgeben, das im Haushalt steht, Herr Kollege! Das ist eine Ermächtigung! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das Haushaltsrecht gar nicht verstanden!)
Das ist übrigens alles auf Youtube ab Minute 55 nachzuschauen. Sie haben gesagt, Sie wüssten es nicht so genau, müssten mal nachgucken, Sie liefern die Zahlen nach.
(Otto Fricke [FDP]: Bei Ihnen bestimmt die Bayerische Staatsregierung, was ausgegeben wird, hier das Parlament!)
Auch Herr Kindler sagte: Wir müssen die Zahlen nachliefern, wir wissen es nicht. – Ich glaube, Herr Rohde war es dann, der am Ende gesagt hat: Es tut uns leid; wir hatten jetzt 16 Stunden Haushaltsbereinigungssitzung. – Ich sage mal: Das kann man mit Müdigkeit entschuldigen.
(Otto Fricke [FDP]: 18! – Gegenruf der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mal da ist er korrekt!)
– Von mir aus waren es 18. – Am Ende liegt es aber doch nicht an 18 Stunden Bereinigungssitzung, sondern an der Intransparenz Ihres Haushaltes,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Wiehle [AfD])
dass Sie selbst nicht mehr wissen, wie die Zahlen zustande kommen, und in einer Bundespressekonferenz nicht einmal mehr einfache Fragen beantworten können.
Ich fasse zusammen:
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Bitte nicht!)
Die Schuldenbremse, für die Sie sich rühmen, Herr Bundesfinanzminister, wird nur auf dem Papier eingehalten. Sie schaffen das nur mit Entnahmen aus der Rücklage, mit Buchungstricks, mit Schattenhaushalten. Finanzpolitische Solidität sieht wahrlich anders aus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Dr. Wiebke Esdar für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548726 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2023 |