Wiebke EsdarSPD - Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2023
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Deutschland werden jede Stunde 13 Frauen Opfer der Brutalität ihres aktuellen oder ehemaligen Partners. Im letzten Jahr wurden mehr als 100 Frauen getötet, weil sie eine Frau waren. Diese Tötungen tragen einen Namen. Sie müssen als das benannt werden, was sie sind: Femizide.
Heute ist Orange Day, der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Darum tragen viele Abgeordnete der demokratischen Parteien hier im Haus orangefarbene Kleidungsstücke.
(Stephan Brandner [AfD]: Ich sehe genau zwei Stück!)
Ich freue mich über Ihre Krawatte, Herr Lindner. Ich interpretiere sie nicht als Zufall, sondern als klares Zeichen.
Wir tragen heute Orange, um ein Zeichen zu setzen. Symbolik, sei es eine Farbe oder eine Kapitänsbinde, ist wichtig in der Politik, um zu zeigen, wofür wir stehen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Boehringer [AfD]: Unverschämtheit, Demokratie so zu vereinnahmen! Was glauben Sie, wer Sie sind?)
Aber, meine Damen und Herren, Politik ist viel mehr. Darum sind wir heute hier zusammengekommen, um den Haushalt zu debattieren und zu beschließen; denn Politik darf nie bei Empörung enden, darf nie die Symbolik überhöhen, sondern muss den Zeichen genauso wie den Worten Taten folgen lassen, und das tun wir mit diesem Haushalt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Oh ja! In der Tat!)
Darum haben wir als Haushälterinnen und Haushälter in den letzten Monaten Tabellen studiert, Deckblätter geschrieben und über das Geld verhandelt und so im parlamentarischen Verfahren, in der schon angesprochenen berühmten Bereinigungssitzung, noch einige Akzente gesetzt. Ich kann nur einen ganz kleinen Ausschnitt davon wiedergeben:
Wir haben zum Beispiel 700 Millionen Euro zusätzlich für Fördermaßnahmen nach dem SGB II – jetzt Bürgergeld – für die Unterstützung der Jobcenter zur Verfügung gestellt. Neben der Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro, der größten Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik,
(Stephan Brandner [AfD]: Bei der größten Inflation in der Geschichte der Republik! Eine Luftnummer!)
haben wir beim Kinderzuschlag 400 Millionen Euro draufgesattelt und 130 Millionen Euro beim Unterhaltsvorschuss.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben die Mittel um 2,2 Milliarden Euro für mehr Wohngeld aufgestockt, weil wir mit der Wohngeldreform mehr Menschen unterstützen wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben 2 Milliarden Euro zusätzlich für die humanitäre Hilfe im weltweiten Kampf gegen den Hunger, für zivile Krisenprävention und zur Finanzierung des Resettlement-Programms für Menschen in Gefahr in Afghanistan bereitgestellt.
Wir haben 500 Millionen Euro zusätzlich fürs nächste Jahr für den Schienenverkehr bewilligt und 700 Millionen Euro für zusätzliche Investitionsvorhaben in den Kommunen vor Ort, beispielsweise um Schwimmbäder oder Turnhallen zu sanieren oder die Anpassung an den Klimawandel vor Ort voranzubringen.
Wir fördern ein Pilotprojekt und setzen 100 Millionen Euro für den Kulturpass ein, den die jungen Menschen, die im nächsten Jahr 18 werden, für den kostenlosen Zugang zu Museen und Theatern einsetzen können, aber auch, um Bücher zu kaufen.
Wir haben 7,5 Millionen Euro und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von rund 60 Millionen Euro für die GRACE-Satellitenmission, eines der wichtigen Forschungsvorhaben für den Kampf gegen den Klimawandel, bereitgestellt.
Ich könnte so weitermachen. Helge Braun hat ganz ausführlich dargestellt, wie viele Änderungsanträge wir hatten.
Ich will aber noch eine Frage beantworten, und zwar die Frage, was wir gegen Gewalt an Frauen tun. Damit meine ich nicht nur die Symbolik, sondern auch Taten. Ich will nur drei Beispiele herausgreifen; es gibt letztlich viel mehr.
Mit dem Haushalt des Innenministeriums wird das Projekt „Gewaltfrei in die Zukunft“ finanziert. Im Rahmen dessen wird eine Tarn-App entwickelt, die es Menschen, vor allem Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, ermöglicht, Angriffe zu dokumentieren und verschlüsselt und rechtssicher zu speichern, welche Verletzungen sie erlitten haben, um die Strafverfolgung besser umsetzen zu können.
Im Einzelplan des Familienministeriums werden Projekte zur Erprobung von geeigneten Maßnahmen zur Gewaltprävention in den Bereichen „Sexismusfemizide“ und „digitale Gewalt“ gefördert, zum Beispiel die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt.
Für den Etat des Justizministeriums haben wir, weil gerade Frauen online von Hass-Posts und anderer psychischer Gewalt betroffen sind, im parlamentarischen Verfahren beschlossen, die Arbeit der Beratungsstelle HateAid mit 500 000 Euro zu unterstützen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gyde Jensen [FDP] – Peter Boehringer [AfD]: Und wo sind die Mittel gegen islamistische Zuwanderung?)
Liebe Bundesregierung, wenn wir als Haushälterinnen und Haushälter zu Recht immer wieder zur Sparsamkeit mahnen, dann seien Sie als Mitglieder der Bundesregierung gewiss: Auch wenn die Symbolik oft das kostengünstigste Mittel der Politik ist, wollen wir Taten sehen, die ganz konkret etwas bewirken, und wir wissen, dass die fast immer etwas kosten.
In diesem Sinne bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit mit den Ministerien und werbe für den Haushalt, der ein guter geworden ist. Stimmen Sie dem gleich zu!
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Norbert Kleinwächter für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548727 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2023 |