30.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 72 / Zusatzpunkt 1

Johann WadephulCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Proteste in China und deutsche China-Politik

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Vielen Dank – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir erneut miteinander über die Lage in China diskutieren. Ich weiß jetzt nicht ganz, ob ein Bewusstseinswandel bei der Ampelkoalition der Grund dafür ist oder ob Hintergrund eher die taktische Überlegung ist, dass man die Aktuelle Stunde zu Ihrer Einbürgerungspolitik, die wir beantragt haben, auf den morgigen Tag vertagen wollte.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja auch eine Idee! Darauf bin ich gar nicht gekommen!)

Wie dem auch sei: Wir nehmen das Angebot wahr und diskutieren, Herr Kollege Trittin, mit Ihnen gerne wieder über die China-Politik, natürlich auch vor dem Hintergrund dieser bemerkenswerten Proteste, die Sie eingehend beschrieben haben und die ja in einem wirklich frappierenden Gegensatz zu den Entscheidungen der KP Chinas stehen, die gerade einige Tage zuvor für einen Machtzuwachs in der Person von Präsident Xi gesorgt haben, wie wir ihn seit Mao Tse-tung in diesem Land nicht gesehen haben.

Dass dieses Regime dennoch auf tönernen Füßen steht, haben die Proteste gezeigt, und Sie, Herr Kollege Trittin – da will ich Ihnen auch gar nicht widersprechen –, haben das gerade eben noch einmal nachgezeichnet. Das zeigt, dieses Regime ist vulnerabel, zumindest für einen Moment, und das bedeutet, dass wir uns positionieren können und müssen und dass wir hier auch eine Möglichkeit zum Einwirken haben.

Voraussetzung dafür ist nur, dass wir – und das ist auch der Titel Ihrer Aktuellen Stunde – eine kohärente China-Politik der Bundesregierung haben, und die sehen wir nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn die Rede, Herr Kollege Trittin, die Sie hier gehalten haben, würde der Bundeskanzler hier nie so halten. Der steht offensichtlich für eine ganz andere China-Politik; das hat seine Reise noch mal sehr eindrücklich gezeigt: eine Reise der verpassten Chancen, eine Reise des Weiter-so, eine Reise des Business as usual.

Und das muss ich in dieser Situation schon sagen: Wer in der jetzigen Situation verkennt, dass China sich massiv verändert, dass China sich immer mehr von einem autoritären zu einem diktatorischen System wandelt, das internationale Regeln nicht achtet, sondern eine sinozentrische Weltordnung errichten will, und dass sich Deutschland gemeinsam mit europäischen Partnern dazu positionieren muss, der erkennt die Zeichen der Zeit nicht, und das gilt für den Bundeskanzler.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insofern war die Kritik der Bundesaußenministerin bemerkenswert, die gesagt hat: Der Bundeskanzler hat den Zeitpunkt der Reise entschieden. Jetzt sind die Botschaften entscheidend, die wir gemeinsam im Koalitionsvertrag festgelegt haben, die Botschaften, die auch ich hier mit nach Zentralasien gebracht habe, um die auch in China deutlich zu machen. – So Annalena Baerbock! Davon, von all den Botschaften, hat der Bundeskanzler überhaupt nichts gesagt.

Das merkt man dann auch sehr konkret in der Politik, die diese Bundesregierung macht. Herr Kollege Trittin, das, was Sie gerade eben angemahnt haben, geschieht eben alles nicht: das Zurückverlagern, was Sie gefordert haben, das Unabhängigmachen. Nein, man geht tiefer in eine Abhängigkeit von China rein, und das hat keine Entscheidung so deutlich gemacht wie die Entscheidung, dass man eine Beteiligung von COSCO, wenn auch eine Minderheitsbeteiligung, an kritischer Infrastruktur im Hamburger Hafen zugelassen hat.

(Zurufe der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Gyde Jensen [FDP])

Frau Stark-Watzinger, die Bundesforschungsministerin, hat das kritisiert und hat gesagt: Das darf man nicht machen. Omid Nouripour von den Grünen hat gesagt: Das darf man nicht machen.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann hat Daniel Günther sich durchgesetzt!)

Und dennoch hat der Bundeskanzler das gemacht. Das zeigt: Am Ende – das ist genauso wie bei den Panzerlieferungen in die Ukraine, die nicht stattfinden – spielen Grüne und FDP in der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland keine Rolle. Der Bundeskanzler entscheidet das alleine, und er macht an dieser Stelle eine verkehrte Außenpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil ich hier die geschätzte Kollegin Gyde Jensen sehe: Sie haben gemeinsam mit der FDP-Fraktion – Herr Graf Lambsdorff wird sich auch entsinnen – in der letzten Legislaturperiode Wert darauf gelegt, dass wir gegenüber China eine klarere Politik machen,

(Frank Schwabe [SPD]: Hat ja bloß bei der Kanzlerin nicht funktioniert!)

und sogar gefordert, dass der EU-China-Gipfel abgesagt wird. So sind Sie aufgetreten und auch Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner.

(Zuruf der Abg. Gyde Jensen [FDP])

Nun haben Sie mit einem Kabinettsposten in der Bundesregierung jeden Anspruch aufgegeben, eine solche internationale Politik zu machen. Das sieht man jetzt auch ganz praktisch: Von Ihrem Anspruch, eine deutsche China-Politik zu machen, die diese Kritik deutlich rüberbringt, ist nichts übrig geblieben. Deswegen gibt es jeden Anlass, eine kohärente deutsche China-Politik zu formulieren, die deutlich macht: China ist ein systemischer Rivale, dem wir uns gemeinsam mit unseren europäischen Partnern entgegenstellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Dagmar Schmidt für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548780
Wahlperiode 20
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Proteste in China und deutsche China-Politik
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