30.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 72 / Zusatzpunkt 1

Nils SchmidSPD - Aktuelle Stunde - Proteste in China und deutsche China-Politik

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie tief muss man sinken, liebe Kollegin Dağdelen,

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ach!)

um bei einer Rede über die chinesische Coronapolitik nur eine darauf bezogene Aussage zu treffen: nämlich sie mit den deutschen restriktiven Maßnahmen zu der Zeit zu vergleichen, als wir Corona bekämpft haben?

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Argumente! Wir argumentieren!)

Wie tief muss man sinken? Und wie erbärmlich ist es, dass Sie über alles andere reden, bloß nicht über die Unterdrückung der Menschenrechte in China? Wie erbärmlich ist das?

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich sage Ihnen eins: Dass kaum jemand von Ihrer Fraktion bei Ihrer Rede noch anwesend war und dass Sie Applaus von rechtsaußen bekommen haben,

(Enrico Komning [AfD]: Wir klatschen bei jedem, der die Wahrheit sagt!)

zeigt an, auf welche rutschige, schiefe Bahn sich die Linkspartei in der Außenpolitik inzwischen begeben hat.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD] – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Jetzt klatscht auch einer von der falschen Seite!)

Ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie angesichts der dystopischen Bilder, die uns aus China seit Jahren erreichen, ein paar Worte des Mitgefühls für die Abertausenden, ja, Millionen von Menschen gefunden hätten, die seit Jahren weggesperrt worden sind, in deren Land Säuglinge von ihren Eltern getrennt werden, wo massenhaft Infizierte interniert werden. Das ist doch das, was uns aus China erreicht. Das hat mit den restriktiven Maßnahmen, die in demokratischen Gesellschaften im Zuge der Coronabekämpfung getroffen worden sind, nichts, aber überhaupt nichts zu tun. Deshalb verwahre ich mich gegen jede Vermischung in dieser Debatte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Ich will aber auch sagen: Es gibt ermutigende Bilder aus China – das ist ja auch der Anlass der Debatte –: Menschen, die aufstehen und sagen, sie lassen sich das nicht mehr länger bieten. Graf Lambsdorff hat zu Recht darauf hingewiesen: Der Wunsch nach Freiheit, nach persönlicher Entfaltung ist universell. Er ist nicht an Kulturen gebunden. Er darf nicht relativiert werden mit dem Verweis auf vermeintliche asiatische Werte, chinesische Traditionen, afrikanische Werte oder was auch immer. Er ist universell, und das sollte uns Mut machen, auch im Falle von China.

Die Gesellschaft in China wird sich weiterentwickeln. Ich sehe nicht, Herr Wadephul, dass das Regime schon auf tönernen Füßen stünde. Aber die Kraft der Freiheit wird sich früher oder später auch in China durchsetzen und Bahn brechen. Die Menschen in China werden über den Weg, den sie in ihrem Leben beschreiten wollen, individuell entscheiden können. Das wollen wir nach Kräften von außen befördern und unterstützen; denn wir teilen mit diesen Chinesinnen und Chinesen den Wunsch nach Freiheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

In der Bekämpfung des Coronavirus ist die Systemrivalität zwischen autoritären und demokratischen Systemen deutlich zutage getreten. Der Streit um die beste Lösung ist in Demokratien möglich. Das Ringen um bessere Lösungen, das Auswerten von nicht so erfolgreichen Lösungsansätzen, das ständige Verbessern der Politik ist bei uns im Streit im Parlament und außerhalb des Parlamentes, auf der Straße, in den Medien möglich, während es in China nicht möglich ist. Deshalb ist Präsident Xi jetzt in der Sackgasse, aus der er nicht herauskommt.

Ich habe die Vermutung, dass es schon lange nicht mehr nur um den richtigen Weg der Coronabekämpfung geht, sondern letzten Endes erleben wir gerade ein gesellschaftliches Großexperiment in China darüber, wie lange eine Gesellschaft es sich bieten lässt, dass ein ganzes Volk weggesperrt wird; denn Chinas Politik der letzten Jahre zielt ja auch auf eine allgemeine Abschottung von der Weltgesellschaft und vom Austausch mit anderen Gesellschaften in der Welt. Deshalb ist es auch so verständlich, dass die Chinesinnen und Chinesen sich das nicht länger bieten lassen.

Wir wissen aber auch: Die Repressionsmittel sind groß und stark. Deshalb können wir nicht darauf setzen, dass sich Demokratie und Freiheit mit einem Schlag durchsetzen. Aber wir können aus meiner Sicht drei Punkte sehr deutlich machen:

Erstens. Das Recht auf friedliche Proteste, auf freie Meinungsäußerung auf der Straße muss auch in China gelten.

Zweitens. Berichterstattung über solche Proteste muss möglich sein für Journalisten aus dem In- und Ausland. Es darf nicht sein, dass Journalisten weggesperrt, festgenommen, ja, misshandelt werden.

Drittens. Bei aller Systemrivalität und allem Wettbewerb, den wir in Wirtschafts- und Technologiefragen mit China austragen: Es gibt auch ein Angebot zur Kooperation. Es gibt Impfstoffe westlicher Provenienz, die selbstverständlich auch der chinesischen Regierung angeboten werden. Wir sind bereit, Europa ist bereit, Impfstoffe mit Chinesinnen und Chinesen zu teilen, damit sie einen besseren Impfschutz erreichen können. Auch dieses Angebot steht; und das sollten wir deutlich aussprechen gegenüber den Menschen in China, die diese Hilfe im Kampf gegen das Coronavirus dringend brauchen könnten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU])

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Nicolas Zippelius das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548785
Wahlperiode 20
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Proteste in China und deutsche China-Politik
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