Nicolas ZippeliusCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Proteste in China und deutsche China-Politik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Protest kennt viele Formen: still, laut, einsam oder in Massen. Der Kollege Trittin hat es gerade schon angesprochen: In China ist es derzeit ein weißes Blatt Papier, es sind aber auch Blumensträuße oder eine Tierrasse, deren Name bei richtiger Aussprache auch eine gewisse Kritik an der Parteiführung ausdrücken kann.
Für die Bilder, die wir aus China erhalten, gibt es Gründe: langfristige Gründe, nämlich die Zero-Covid-Politik, welche die Kommunistische Partei nun seit fast drei Jahren rigoros durchsetzt, und kurzfristige Gründe, in dem Fall der Lockdown in Xinjiang, infolge dessen zehn Personen zu Tode gekommen waren – zu Tode gekommen, weil sie das Gebäude nicht verlassen konnten, da sie eingesperrt waren. Meine Damen und Herren, es wurde vom Herrn Kollegen Schmid schon angesprochen und ist richtig: Die Proteste haben ihren Ursprung in einem ureigenen Streben des Menschen, und zwar in dem Streben nach Freiheit.
Was aber ist an diesen Protesten anders? Landesweite Proteste zum gleichen Thema sind in China extrem selten. Wir müssen diesbezüglich genauer hinsehen; denn hier demonstriert ein Querschnitt der Bevölkerung: Alt und Jung, Intellektuelle, Arbeiter, Landwirte, Studenten, Han-Chinesen und andere Ethnien. Daraus gilt es die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Proteste zeigen die Unzufriedenheit der Bürger mit der Zero-Covid-Politik.
Die Zero-Covid-Politik sollte ursprünglich die Überlegenheit des eigenen Systems gegenüber dem Westen zeigen. Die anfänglichen Erfolge haben sich inzwischen aber zerschlagen. Wir sehen daran sehr genau: Autoritäre Systeme sind eben keine Antwort auf die großen Herausforderungen unserer Zeit.
Hier kommen wir aber – der Titel der Aktuellen Stunde sagt es schon – zur deutschen China-Politik. Und diese kann nicht ganz ohne Kritik bleiben. Bislang fehlen Worte der Außenministerin zu den Geschehnissen in China. Bislang ist sie absolut stumm, obwohl wir wissen, dass zum Beispiel laut Artikel 35 der chinesischen Verfassung die Rede- und Versammlungsfreiheit geschützt ist. Wir erwarten, dass das Außenministerium und die Außenministerin da eine klare Botschaft übersenden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
So komme ich auch zur China-Politik und auf die China-Strategie zu sprechen; denn die China-Politik der Bundesregierung steht sinnbildlich für das Handeln der Ampelkoalition im vergangenen Jahr. Entgegen der ersten Ankündigung hängt sie dem Zeitplan hinterher. Sie bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, und eine Einigkeit ist überhaupt nicht ersichtlich. Viel schlimmer noch: Der Streit bezüglich der China-Strategie und der China-Politik wird in der Koalition ganz offen auf offener Bühne ausgetragen. Man fragt sich dann schon, wo der wertegeleitete Ansatz, den die Außenministerin propagiert, enden soll; denn dieser wertegeleitete Ansatz bröckelt. Er bröckelt nicht auf internationaler Bühne, nein, er zerbröckelt am Widerstand im 400 Meter von hier entfernten Bundeskanzleramt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir als Unionsfraktion beschäftigen uns intensiv mit der China-Politik der Bundesregierung. Aus meinem Büro stammen mehrere schriftliche Anfragen. Wir haben eine Kleine Anfrage zur China-Strategie der Bundesregierung mit 57 konkreten Fragen gestellt – 57 konkrete Fragen! –, unter anderem zum Beispiel, wie konkret die Leitlinie zum Indo-Pazifik der Bundesregierung aus dem Jahr 2021 in die China-Strategie der Bundesregierung eingearbeitet wird. Ein Drittel – ein Drittel! – dieser Fragen wurde mit einer standardisierten Antwort beantwortet.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wenig!)
Wenn zeitgleich Journalisten hier im Regierungsviertel bereits über den ersten Entwurf der China-Strategie verfügen, dann kann man an dieser Stelle nur sagen: Die Nichtbeantwortung unserer Kleinen Anfrage, während gleichzeitig aus dem Außenministerium an Journalisten durchgestochen wird,
(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
ist eine Form der Missachtung des Parlaments, die überhaupt nicht geht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist ja nichts Neues bei dieser Regierung!)
– Das stimmt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bei der Vorgängerregierung war das natürlich ganz anders!)
Apropos Entwurf der China-Strategie der Bundesregierung. In diesem kommt das Wort „Diaspora“ zum Beispiel kein einziges Mal vor. Wenn wir allerdings wissen, welche Bedeutung Auslandschinesen für die chinesische Führung haben, ist dieser blinde Fleck in der Ausarbeitung des Außenministeriums geradezu fatal. Und das zieht sich durch: Die Außenministerin will nach außen Härte projizieren, und gleichzeitig trifft sich der Bundeskanzler unter vier Augen in China mit Xi Jinping und spricht danach von „Verlässlichkeit und Vertrauen“.
Bei der China-Politik, liebe Koalition, müssen Sie sich immer wieder darüber im Klaren werden, was sie für ein Zeichen nach außen gibt. Der renommierte französische China-Experte François Godement äußerte über das Statement des Bundeskanzlers zu Verlässlichkeit und Vertrauen pures Entsetzen.
Ich komme zum Schluss. Wir müssen an dieser Stelle bemerken: Die Kompetenz bezüglich der Außenpolitik liegt mit Sicherheit nicht im Außenministerium.
Kollege.
Sie liegt bei Bundeskanzler Scholz und bei seinem wichtigsten Berater Herrn Plötner, von dem es heißt, dass er die Außenpolitik deutlicher gestalten wird, als die Außenministerin es in dieser Legislatur jemals können wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein kleiner Hinweis, Herr Kollege: Die Ankündigung des Schlusspunktes ersetzt diesen nicht.
Das Wort hat der Staatsminister Dr. Tobias Lindner.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Nicolas Zippelius [CDU/CSU]: Ich danke Ihnen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das gilt fraktionsübergreifend!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548786 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Proteste in China und deutsche China-Politik |