Frank SchwabeSPD - Aktuelle Stunde - Proteste in China und deutsche China-Politik
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Wir leben in der Tat in einer Welt – das ist, glaube ich, auch in dieser Debatte deutlich geworden –, die sich neu sortiert. Bei allem Schrecklichen, das wir gerade in der Welt erleben, gibt es aber auch Hoffnungsschimmer, mit denen man vielleicht gar nicht gerechnet hat. Und ich finde, diese Proteste in China gehören dazu.
Wir haben in den letzten Jahren nicht nur den Eindruck gehabt, dass sich die Lage für Menschenrechte, Demokratie und Freiheit in vielen Ländern der Welt verschlechtert, sondern das geben auch die Daten her. Aber wir haben jetzt diese Entwicklungen in China und im Iran, wir hatten sie auch – und haben sie vielleicht noch – in Belarus und nordafrikanischen Staaten, und wir haben sie – hoffentlich wird das demnächst noch mehr – auch in Russland. Das heißt, es gibt diesen Willen zu Freiheit und Menschenrechten. Das ist nichts, was vom Westen gesteuert wird, sondern kommt von den Menschen selbst, kommt aus den Gesellschaften. Das verdient unsere volle Sympathie, unseren Respekt und unsere volle Unterstützung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gyde Jensen [FDP])
Das ist auch in der Debatte deutlich geworden: Es geht nicht nur um die Coronamaßnahmen, sondern es kulminiert in den Coronamaßnahmen. Es liegt an der Allmachtsfantasie in China, einem totalitären Staat, der glaubt, alles regeln zu können und mit den Menschen machen zu können, was er will. Es ist schon wirklich infam und böswillig, dies mit Coronamaßnahmen in einem demokratischen Staat zu vergleichen, wo man alles behaupten und alles entsprechend diskutieren kann.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jürgen Braun [AfD]: Natürlich kann man das!)
Es gibt diese Repressalien, diese Unterdrückung der Menschen im Inland, und es gibt, damit gepaart – das erleben wir nicht nur in China, sondern in vielen anderen Ländern auf der Welt –, auch eine Aggressivität nach außen. Das war bei China lange anders, aber das ist mittlerweile leider auch dort der Fall. Deswegen ist es richtig, dass wir die China-Politik gemeinsam neu justieren, dass es eine entsprechende China-Strategie gibt. Ob da etwas durchgestochen wird oder nicht, am Ende – da seien Sie mal sicher – wird es eine gemeinsame China-Strategie dieser Bundesregierung geben. Ich glaube, das ist heute in der Debatte deutlich geworden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gyde Jensen [FDP] – Zurufe von der CDU/CSU: Nein! Gar nicht! – Einfach null!)
Parallel zum Plenum – einige der Menschenrechtspolitikerinnen und ‑politiker mussten rüberkommen – findet nur ein paar Meter weiter eine Anhörung zum Thema „Systemischer Wettbewerb – Menschenrechte als integraler Bestandteil der Weltordnung“ statt. Da will ich – ganz frisch – Professor Heiner Bielefeldt zitieren, der das sehr überzeugend deutlich gemacht und gesagt hat: Die Attraktivität der Menschenrechtsidee ist ungebrochen. – Im Moment symbolisieren weiße Blätter in China diese ungebrochene Attraktivität der Menschenrechte.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gyde Jensen [FDP])
China verletzt Menschenrechte wirklich in epochaler und multipler Art und Weise. Auch das ist gerade schon gesagt worden: Es ist falsch in der Entwicklungspolitik, die Entwicklung eines Landes gegen Menschenrechte in Stellung zu bringen. Es ist falsch, Werte als westliche Werte zu diffamieren; denn diejenigen, die dort auf der Straße stehen, die Chinesinnen und Chinesen, die dort protestieren, meinen genau die universellen Menschenrechte, die wir hier – jedenfalls die meisten von uns – auch meinen.
Wenn man über China und Menschenrechtsverletzungen redet, dann könnte man viele Beispiele aufzählen: Hongkong, Tibet und vieles andere. Aber es kulminiert in der Tat in Xinjiang. Deswegen ist es fast schon symbolisch, dass es die zehn Toten in Ürümqi waren, die bei einem Feuer ums Leben gekommen sind, die am Ende diese Proteste in Xinjiang ausgelöst haben, wo wir Verbrechen gegen die Menschlichkeit in einer Art und Weise erleben, wie man sich das in einer modernen Welt eigentlich nicht vorstellen kann, wo wir Masseninhaftierungen von bis zu 1 Million Menschen sehen, wo wir Folter sehen und die kulturelle Verfolgung von Uiguren und anderen turkstämmigen Muslimen.
Wichtig im Umgang mit China – das ist bei allen Schwierigkeiten, die wir sonst noch so haben, wahrscheinlich der schwierigste Partner in der Welt – ist, dass wir einen unverstellten und klaren Blick auf die Lage haben und dass wir eine klare Unterstützung geben – das sollte jedenfalls in der Breite des Hauses gelten – für die Freiheitsliebenden in China. Wir wollen keinen Handel abbrechen, aber wir wollen diversifizieren, und wir wollen, dass menschenrechtliche Regeln, zum Beispiel im Rahmen von Lieferkettengesetzen, in den Handelsbeziehungen mit China angewendet werden.
Wir brauchen – ich glaube, das ist die Lehre dieser Proteste – einen selbstbewussten Umgang mit universellen Menschenrechten. Es war eine Schande, dass sich China im UN-Menschenrechtsrat durchgesetzt hat, nicht über Xinjiang reden zu müssen. Gleichzeitig haben wir aber gesehen, dass es im Zusammenhang mit dem Iran mit deutlicher Mehrheit gelungen ist, dort tätig zu werden. Wir haben auch gesehen, dass die UN-Generalversammlung zu Russland eine klare Mehrheit hat.
Ich glaube, das macht Hoffnung auf eine Welt, in der Menschenrechte, Freiheit und Demokratie eine Rolle spielen und wichtig sind. Es gibt sie, diese Menschen, die sich nach Freiheit und Menschenrechten sehnen, und in China sehen wir sie jetzt auch. Das verdient unseren vollen Respekt und unsere volle Unterstützung.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Jürgen Hardt [CDU/CSU])
Letzte Rednerin in der Aktuellen Stunde ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Agnieszka Brugger.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548790 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Proteste in China und deutsche China-Politik |