Katja LeikertCDU/CSU - Bericht zum UN-Übereinkommen zur Frauendiskriminierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute – die Frau Ministerin hat es gesagt – über die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention. Das ist ein knapp 50-seitiger Bericht, eine Bestandsaufnahme aus fast allen Bereichen, in denen Frauen heute noch strukturelle Benachteiligung erfahren. Von Gleichstellung bis Kinderbetreuung sind das natürlich alles wichtige Themen. Ich möchte meine Redezeit aber nutzen, um auf einen Bereich zu zeigen, in dem Frauen mitten in Deutschland eklatante Menschenrechtsverletzungen erfahren.
Ich spreche von Hunderttausenden Frauen in der Prostitution, für die es zum Alltag geworden ist, von organisierten Banden Tag für Tag dutzende Male verkauft zu werden. Das sind schwerste Körperverletzungen, sexuelle Misshandlungen und Freiheitsberaubung, die für eine überwältigende Mehrheit der Prostituierten in Deutschland leider ganz normal geworden sind. Diese Frauen bleiben in dem Bericht und auch in dem, was Sie gesagt haben, Frau Paus, weitgehend unsichtbar. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen dringend den Blick auf diese Situation richten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Leni Breymaier [SPD])
Wo stehen wir da in Deutschland? Nach der Anerkennung von Prostitution als Dienstleistung von Rot-Grün vor 20 Jahren haben wir mit mehreren Gesetzen versucht – vergeblich versucht –, die Bedingungen für Frauen erträglicher zu machen, zuletzt mit dem sogenannten Prostituiertenschutzgesetz. Fälschlicherweise unterstellt das Gesetz, dass die Frauen als selbstständige Unternehmerinnen in diesem Bereich tätig sind, und das, obwohl längst bekannt ist, dass Deutschland das Bordell Europas geworden ist. Es sind nach dem Gesetz gerade einmal 24 000 Frauen gemeldet, während manche Experten die tatsächliche Zahl in Deutschland alleine auf bis zu 700 000 Frauen schätzen.
Im gesamten Ampelkoalitionsvertrag – insbesondere liebe Kolleginnen, schauen Sie da mal rein – kommt auf 144 Seiten das Wort „Prostitution“ nicht ein einziges Mal vor.
(Leni Breymaier [SPD]: Aber „Menschenhandel“!)
Entweder haben Sie sich mit der prekären Situation abgefunden, oder es passt nicht in das linke pseudoliberale Weltbild, dass die überwiegende Mehrheit der Frauen der Prostitution nur unter Zwang nachgeht und nicht etwa aus Selbstbestimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Woher wissen Sie das? Das behaupten Sie!)
– Ich behaupte das nicht, Herr Kollege. Unterhalten Sie sich einfach mal mit den Kriminalbeamten. Gehen Sie einfach mal raus, und schauen Sie sich die Situation an.
Gutes Regieren heißt, ideologische Denkweisen auch mal abzulegen. Lassen Sie die Frauen bitte nicht länger warten, sondern schützen Sie diese wirksam. Schauen Sie einfach mal über Ihren Tellerrand hinaus. In fast keinem Land in Europa sind Prostitution und der damit verbundene Menschenhandel so ausgeprägt wie bei uns in Deutschland. Es gibt zahlreiche Länder, darunter Schweden – das ist den meisten bekannt –, Norwegen, Finnland, aber auch Frankreich, die sich beim Schutz von Frauen in diesem Bereich für das sogenannte Nordische Modell entschieden haben. Dieses Modell nimmt die Freier in die Pflicht, schützt Prostituierte und fördert gleichzeitig Ausstiegsmöglichkeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, in Ihrem Koalitionsvertrag verweisen Sie gerne auf fortschrittliche skandinavische Vorbilder. Verschaffen Sie doch mal in dem Bereich, in dem Frauen immer noch als Ware gesehen werden, dem Begriff der „Fortschrittskoalition“ wirklich die Ehre.
Im Hinblick auf die Entwicklungen vor Ort in den vergangenen Jahren würde ich Sie wirklich auffordern: Gehen Sie mal in Berlin in die Kurfürstenstraße – wir waren vor Kurzem da und haben uns das angeschaut – oder auch in Frankfurt ins Bahnhofsviertel. Es kommt einem schier das Grauen, und das können Sie wirklich nicht wegdiskutieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Leni Breymaier [SPD])
Seien Sie ehrlich zu sich selbst! Auch die gutgemeintesten Verbesserungen, beispielsweise im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes, helfen wenig in einem Bereich, in dem strukturelle Gewalt und die organisierte Ausbeutung von Frauen zum schrecklichen Alltag geworden sind.
Liebe Frau Paus, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hunderttausende Frauen warten darauf, dass im nächsten Bericht in drei Jahren gute Fortschritte zum heutigen Status quo erkennbar sein werden. Dazu haben Sie jetzt die Chance. Ergreifen Sie diese.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Leni Breymaier [SPD])
Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Ariane Fäscher.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548796 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Bericht zum UN-Übereinkommen zur Frauendiskriminierung |