Ariane FäscherSPD - Bericht zum UN-Übereinkommen zur Frauendiskriminierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Liebe Feministinnen und Feministen! Mehr als 40 Jahre Beitritt zur UN-Frauenrechtskonvention und Deutschland ist in Sachen Gleichstellung immer noch auf Platz 24 von 27 in Europa. Wir lassen uns die patriarchale Idee der männlichen Überlegenheit weiterhin viel kosten. Allein partnerschaftliche Gewalt schlägt jedes Jahr mit 2,75 Milliarden Euro für Polizei, Krankenhaus, Beratungs- und Schutzstellen zu Buche. Es gibt bundesweit 350 Frauenhäuser, 100 Schutzwohnungen und etwa 600 Beratungsstellen. Das Unterstützungsangebot ist aber bei Weitem nicht ausreichend, und es gibt große regionale Unterschiede. Die Schutzstruktur müsste etwa viermal so umfangreich sein und vor allem barrierefrei ausgebaut werden, so mahnt es der GREVIO-Bericht an. Das wären 11 Milliarden Euro jedes Jahr, plus Baukosten und ohne die Kosten durch Arbeitsausfälle oder langfristige Therapien.
In Deutschland wird immer noch jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt – in allen sozialen Schichten. Neun von zehn Frauen mit Behinderungen erleben körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe. Jeden dritten Tag stirbt eine Frau, weil sie eine Frau ist, durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners. Die Zahlen des Bundeskriminalamtes zeigen: Partnerschaftsgewalt in Deutschland bleibt auf hohem Niveau. 2021 wurden 143 604 Opfer partnerschaftlicher Gewalt polizeilich erfasst. In vier von fünf Fällen ist das Opfer eine Frau und der Täter ein Mann. Nur ein Bruchteil der Taten kommt aber überhaupt zur Anzeige.
62 Prozent der Minijobber sind Frauen. Weit mehr als die Hälfte der Frauen arbeitet in Teilzeit. Frauen verdienen über ein Erwerbsleben betrachtet über 40 Prozent weniger als Männer und sind doppelt so oft von Altersarmut betroffen. Dass Frauen dadurch auch ökonomisch nach wie vor in hoher Abhängigkeit stehen, schwächt ihre Rolle in Partnerschaften weiter.
Wir haben uns in der Ampel in diesen Fragen die Latte hoch gehängt; Frau Ministerin hat schon darauf hingewiesen. Wir haben uns im Koalitionsvertrag die Absicherung des Schutzes jeder Frau vorgenommen. Nichts weniger als das ist unser Anspruch.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Bundesregierung plant eine Dunkelfeldstudie sowie eine bundesgesetzliche Regelung für Schutz und Beratung. Sie arbeitet daran gemeinsam mit den Ländern und Kommunen am Runden Tisch „Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt“, gerade gestern wieder; wir als Bundestagsabgeordnete durften dabei sein.
Vor einem Monat wurde die unabhängige Berichterstattungsstelle zu geschlechtsspezifischer Gewalt am Deutschen Institut für Menschenrechte eingerichtet. Diese Maßnahmen lobt auch der Europäische Rat. Jedoch mahnt er eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene und die Entwicklung einer langfristigen Gesamtstrategie an. Dringend müssen wir das Umgangsrecht mit Rücksicht auf die Interessen von Gewaltopfern reformieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Gesellschaftliche Ungleichheit entsteht genau wie Partnerschaftsgewalt aus Rollenbildern übersteigerter Männlichkeit. Es gilt als männlich, stark, beschützend und Ernährer der Familie zu sein. Dazu gehört es, dominant und überlegen, mithin abwertend, mutig und auch machtbezogen zu agieren. Mann nimmt sich, was Mann will. Oft gehen diese Bilder damit einher, keine Strategien für den Umgang mit Krisen, mit eigener Schwäche und Unterlegenheit oder mit Zurückweisung gelernt zu haben.
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Peinliche Stereotype! Das ist peinlich, was Sie da machen!)
Wie geht man ganz generell mit Gefühlen um? „ Ein echter Junge weint nicht!“, ist nur eine dieser Rollenformeln, die uns die Familien und die Gesellschaft mit auf den Lebensweg geben.
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Hauptsache, Sie sind zufrieden mit Ihrer Rolle!)
Wer glaubt, in jedem Fall der Stärkere sein zu müssen, wird das schlussendlich womöglich mit Fäusten durchsetzen. Fast alle Männer, die als Erwachsene Gewalt anwenden, haben als Kind Gewalt erlebt. Boris von Heesen beziffert die Kosten toxischer Männlichkeit
(Beatrix von Storch [AfD]: Herrgott!)
mit 65,5 Milliarden Euro jährlich.
(Martin Reichardt [AfD]: Sie sind ein Beispiel für toxische Weiblichkeit! So ein Unsinn!)
Zum Beispiel sitzen in Gefängnissen 94 Prozent Männer. Männer verursachen rund 50 Prozent mehr schwere Verkehrsunfälle. Ihre Sucht kostet 44 Milliarden Euro.
Herr Merz möchte für die Wirtschaft vorhandene Fachkräftepotenziale heben, habe ich heute Morgen gelesen. Das ist eine gute Nachricht. Denn das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ausgerechnet, dass die gerechte Verteilung von Carearbeit in den Familien für Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe im Erwerbsleben ermöglichen würde.
(Beatrix von Storch [AfD]: Das geht den Staat überhaupt nichts an!)
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja. – Das würde 900 000 Arbeits- und Fachkräfte verfügbar machen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ich bin dafür, dass mein Mann die ganze Arbeit macht!)
Gleichberechtigte Männer hätten ein erfüllteres Leben und eine bessere Gesundheit sowie höhere Lebenserwartung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Fäscher, letzter Satz bitte, sonst ziehe ich das Ihren Kolleginnen ab.
Gleichstellung rechnet sich: volkswirtschaftlich und gesellschaftlich. Uijuijui, wenn das einer spitzkriegt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Mariana Harder-Kühnel.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548797 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Bericht zum UN-Übereinkommen zur Frauendiskriminierung |