30.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 72 / Tagesordnungspunkt 5

Michael BrandCDU/CSU - Holodomor in der Ukraine

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Botschafter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „ Sie sollten sterben, weil sie Ukrainer sind. Ein ganzes Volk sollte sterben.“ – So hat es gestern Abend bei einer besonderen Gedenkveranstaltung im Berliner Dom der ukrainische Bischof Bohdan Dzyurakh formuliert.

Der Deutsche Bundestag wird heute anerkennen, dass die Ukraine von der sowjetischen Führung in Moskau zum Opfer eines Völkermords gemacht wurde. Dabei wurden Millionen ermordet, und Hunger wurde zur tödlichen Waffe gemacht. Es wurde systematisch selektiert, um Träger der ukrainischen Kultur, Wissenschaft und Geschichte zu verfolgen, zu ermorden. Ja, es sollte das ukrainische Volk vernichtet werden – nichts weniger.

Es spricht Bände, historisch und politisch, dass der Massenmörder Stalin, dessen Denkmäler unter Gorbatschow und Jelzin weniger wurden und verschwanden, von Wladimir Putin wieder zu einer Ikone Russlands gemacht wurde. Es war kein Zufall, dass bei der Besetzung Mariupols durch die Truppen Putins das Denkmal für die Opfer des Holodomors gezielt und propagandistisch vernichtet worden ist.

Wenn sich manche heute fragen, warum wir von der Brutalität und dem Vernichtungswillen eines Putin überrascht wurden, dann müssen sie sich auch fragen, warum sie die Zeichen an der Wand nicht gesehen haben, warum die Restauration eines der größten Menschheitsverbrecher durch Putin sie nicht viel früher aufgeschreckt hat. Und für uns alle muss heute gelten, was Lehre der eigenen deutschen Geschichte ist: Nie wieder darf, weder im deutschen noch im russischen Namen, geschehen, was durch den Holodomor und die Nazis an Massenmord in der Ukraine begangen wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Einer der renommiertesten Kenner der Geschichte der Ukraine, Timothy Snyder, hat darauf hingewiesen, dass die schlimmste Phase des Holocausts mit den deutschen Massenmorden in der Ukraine begann. Er hat auch darauf hingewiesen, dass in der gesamten Sowjetunion die Ukraine und nicht Russland die prozentual und auch nominal mit Abstand höchste Zahl an Opfern durch den deutschen Vernichtungskrieg zu beklagen hat. Noch immer – das wollen wir heute ein Stück verändern – wird ausgerechnet in Deutschland dieses enorme Leiden der Ukrainer – sowohl unter Stalin als auch später unter Nazideutschland – nicht hinreichend erinnert, nicht genügend respektiert und nicht in der deutschen Haltung gegenüber der Ukraine berücksichtigt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss sich ändern, und zwar gründlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

So kommen wir heute dazu, zwar später als andere, endlich den Völkermord an den Ukrainern durch Moskau als einen solchen auch anzuerkennen. Gerade wir Deutschen stehen hier in einer besonderen historischen Schuld und Verantwortung gegenüber der Ukraine. Und es war nicht richtig, dass unsere Initiativen im Parlament früher, vor dem 90. Jahrestag, auch mit Verweis auf Russland nie mitgetragen wurden. Es ist schlicht nicht fair gegenüber den Opfern dieses Völkermords. Und ich sage auch das: Ich hätte mir gewünscht, dass auch die erste Reihe des Bundeskabinetts heute an dieser Debatte teilnimmt. – Kein einziger Bundesminister!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verneigen uns vor den Opfern. Für uns heißt „Nie wieder!“ heute: Wir dürfen nicht noch einmal schuldig werden. Wenn wir der Ukraine nicht endlich mit allem helfen, was wir tun können, werden wir ein zweites Mal schuldig.

Slawa Ukrajini!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gabriela Heinrich hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548821
Wahlperiode 20
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Holodomor in der Ukraine
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