30.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 72 / Tagesordnungspunkt 5

Ulrich LechteFDP - Holodomor in der Ukraine

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Exzellenzen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dietmar Nietan, Robin Wagener und Knut Abraham meinen Dank für den exzellenten Antrag! Wir wollen im Deutschen Bundestag heute erinnern, mahnen und des grausamen Verbrechens des Holodomors gedenken. Damit geben wir einer der größten humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts die Öffentlichkeit, die sie verdient. Der von Stalin geplante und begangene Massenmord in der Ukraine ist ein Menschheitsverbrechen, das bis in die späten 80er-Jahre von Russland bestritten und vor der Weltgemeinschaft verborgen wurde. Ausgerechnet heute wird es dort erneut geleugnet.

Über 3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind dem Holodomor in den Jahren 1932 und 1933 zum Opfer gefallen. Davon betroffen waren nicht nur Bauern aus den getreideproduzierenden Regionen, sondern jede Familie in der gesamten Ukraine war davon betroffen. Es war eine unvorstellbare Strafe für den Widerstand der Ukrainer gegen die sowjetische Zwangskollektivierung und für ihre Ablehnung der sowjetischen Herrschaft. Mit der Vernichtung der ukrainischen Kultur, Sprache und Traditionen sollte der Völkermord letztlich vollzogen werden.

Gemäß der Definition handelt es sich bei einem Völkermord um einen gezielten Versuch, eine Nation zumindest teilweise zu eliminieren. Im Falle des Holodomors ergibt sich die Tötungsabsicht eindeutig aus der Beschlagnahmung von Nahrungsmitteln und der bewussten Blockade der Hungergebiete. Menschen wurden erschossen, weil sie Lebensmittel besaßen. Insofern möchten wir hier und heute die Gelegenheit nutzen und nochmals klar betonen: Aus historisch-politischer Perspektive handelt es sich beim Holodomor um Völkermord.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war ein menschenverachtendes Verbrechen, das von Stalin und seinen Schergen politisch gewollt, künstlich herbeigeführt und systematisch durchgeführt wurde.

Die Beschäftigung mit der Vergangenheit macht einen fassungslos und lässt Tränen fließen. Und erneut ist die Ukraine Ziel unglaublicher Verbrechen. Denn während 1932 respektive 1933 nur wenig nach außen drang, sind wir als Weltöffentlichkeit gegenwärtig Zeuge der russischen Kriegsverbrechen und des erneuten Terrors gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Die aktuelle Kriegsführung Russlands zeigt gewisse Parallelen zur Vergangenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn erneut wird Hunger als Waffe eingesetzt. Wie Sie sich sicherlich erinnern, wurde zu Beginn des russischen Angriffskriegs vielfach Getreide aus der Ukraine gestohlen. Es wurden gezielt Versorgungsketten unterbrochen und Fluchtkorridore für die Zivilbevölkerung bombardiert.

Mittlerweile nutzt Putin vermehrt Kälte und Dunkelheit als Kriegsmittel, um unseren europäischen Partner, die Ukraine, pausenlos unter Druck zu setzen, und in den russisch besetzten Gebieten wird erneut auch Hunger als Mittel gegen die dortige Bevölkerung eingesetzt – all dies, um die russische Mär von der Entnazifizierung der Ukraine aufrechtzuerhalten, die ukrainische Bevölkerung zu brechen und ihr ihre staatliche Souveränität zu nehmen. Doch damit, meine Damen und Herren, ist schon Stalin vor 90 Jahren gescheitert, und für mich steht zweifelsfrei fest, dass auch Putin scheitern wird.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Ukraine wird diesen Krieg nicht verlieren. Die Ukraine wird als Nation fortbestehen, als unabhängiger demokratischer Staat. Das ist nicht verhandelbar. Dabei werden wir sie auch weiterhin mit allen Möglichkeiten unterstützen; das habe ich dem ukrainischen Botschafter in einem persönlichen Gespräch versichert.

Mit dem von uns eingebrachten Antrag werden der Völkermord und das damit verbundene massenhafte ukrainische Leid anerkannt. Gleichzeitig wollen wir mit dem Antrag zum historischen Verständnis beitragen und den russischen Geschichtsrevisionismus im Keim ersticken.

Vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen russischen Bombenterrors gegen unschuldige Zivilisten und zivile Infrastruktur ist jetzt die Zeit, Farbe zu bekennen für die Ukraine, die auch für unser aller Freiheit kämpft. Putins Ansinnen, die Ukraine von der Landkarte zu tilgen, wird scheitern. Sein Angriff gegen die Freiheit und Demokratie unseres Westens wird definitiv scheitern. Putin muss scheitern!

Wir, die Parteien der Mitte im Deutschen Bundestag, stehen an der Seite der Ukraine. Die unfassbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit des 20. Jahrhunderts dürfen sich im 21. Jahrhundert nicht wiederholen. Gerade wir Deutschen stehen hier wie kein anderes Volk auf dieser Welt in der Pflicht!

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke gebe ich das Wort dem Kollegen Dr. Gregor Gysi.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548824
Wahlperiode 20
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Holodomor in der Ukraine
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