Knut AbrahamCDU/CSU - Holodomor in der Ukraine
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gysi, ich weiß wirklich nicht, welchen Antrag Sie gelesen haben. Ganz sicherlich nicht unseren.
(Beifall bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
In diesem Antrag gibt es kein Wort der Gleichsetzung der Verbrechen von Hitler und Stalin. Das steht da nicht drin. Sondern Sie haben hier den Vergleich in diese Debatte eingeführt,
(Beifall bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der LINKEN)
und zwar aus einem sehr bösen Grund, um nämlich die Schuld der sowjetischen Führung zu relativieren, und haben andere Dinge, die später in der Geschichte geschehen sind, hier eingeführt. Nein, das ist wirklich inakzeptabel! Das hat unserem Antrag und dem gemeinsamen Anliegen – so habe ich das im ganzen Parlament verstanden, auch in der bisherigen Debatte – wirklich keinen guten Dienst erwiesen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die Argumente von Europarat und Petitionsausschuss?)
In der Ukraine gibt es keine Familie, die nicht vom Holodomor betroffen war. Millionen Menschen verhungerten binnen weniger Monate. Wir haben das gehört, und wir wissen, warum.
Dass wir heute hier im Plenum des Deutschen Bundestages diesen interfraktionellen Antrag beraten und beschließen, in dem der Holodomor als Völkermord eingeordnet wird, erfüllt mich mit Erleichterung und Dankbarkeit. Erleichterung, weil wir endlich diesen Weg gegangen sind, und Dankbarkeit – das ist schon angeklungen – an die Co-Berichterstatter Robin Wagener, Ulrich Lechte und Dietmar Nietan. Das war eine ebenso verantwortungsvolle wie vertrauensvolle Zusammenarbeit, die unsere Beratungen ausgemacht hat.
Unser gemeinsamer Antrag hat fünf Anliegen.
Zum einen: Trauer, Respekt und ehrendes Andenken an die rund 4 Millionen Opfer.
Zum anderen auch die klare Benennung der Täter. Es ist übrigens höchste Zeit, dass die entsprechenden Verantwortlichkeiten auch in Russland aufgearbeitet werden.
Zum Dritten geht es in unserem Antrag darum, das Wissen über den Holodomor in Deutschland zu verbreiten und darüber hinaus die Kenntnis der Geschichte des östlichen Teils unseres Kontinents zu verbessern. Das Ausmaß dieses Verbrechens steht nämlich in einem starken Gegensatz zu dessen geringer Bekanntheit im Westen Europas. Sich in diesem historischen Moment dieser europäischen Geschichte nicht bewusst zu sein, hat dramatische Folgen. Es ist die Unwissenheit über den Holodomor und Stalins Verbrechen in der Ukraine sowie das jahrzehntelange Verdrängen, die zu den Fehleinschätzungen Putins und seiner revisionistischen Geschichtspolitik geführt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Diese Fehleinschätzungen beruhen auf dem Unwissen über die Geschichte des Holodomor und der gesamten Region.
Mit dem Antrag wollen wir – viertens – klarmachen, dass die Ukraine im Gegensatz zu damals heute nicht alleine steht. Die Ukraine ist Teil der europäischen Familie. Der Holodomor war daher auch ein Verbrechen an unseren ukrainischen Familienmitgliedern, das uns alle angeht, uns alle betrifft.
Aber der wichtigste Aspekt ist natürlich die Gegenwart; denn wir sehen heute denselben Willen zum Völkermord – heute durch Kälte und Erfrieren. Warum schießen die Russen Raketen in die zivile Wärme- und Stromversorgung? Nicht um Krieg zu führen, sondern um Terror gegen die Zivilbevölkerung auszuüben. Warum? Weil sie Ukrainer sind, weil sie nicht bereit sind, ihre Identität und ihren Staat aufzugeben, und weil Putin wie einst Stalin versucht, das ukrainische Nationalbewusstsein zu brechen.
Meine Damen und Herren, ich verneige mich vor den Opfern des Holodomor und bitte Sie alle sehr herzlich, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Robert Farle hat jetzt das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548827 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Holodomor in der Ukraine |