Tim KlüssendorfSPD - Erbschaftsteuer
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ja eigentlich froh, dass die Union heute diesen Antrag eingebracht hat; denn es wäre wirklich schade gewesen, wenn ich morgen meine dreiminütige Rede zum Jahressteuergesetz hätte missbrauchen müssen, um hierüber zu sprechen. Denn die öffentliche Berichterstattung dazu war zuletzt so breit, dass es auf jeden Fall ein bisschen Aufklärungsarbeit braucht. Daher bin ich froh, dass ich heute sieben Minuten von Ihnen bekomme, um dazu Stellung zu nehmen.
(Beifall der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Da sind wir ja mal gespannt! Da ist die Erwartung groß!)
Was beschließen wir wirklich? Ich will erst mal ein bisschen Aufklärungsarbeit leisten, weil die aus meiner Sicht in der Rede eben ein bisschen zu kurz gekommen ist. Die Grundlage dessen, was wir momentan tun, ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2006. Das hat festgestellt, dass Vermögenswerte in der Besteuerung von Erbschaften gleich behandelt werden müssen. Das ist momentan nicht der Fall; deswegen verändern wir jetzt auch die Immobilienwertermittlungsverordnung.
(Jörn König [AfD]: Das ist schon 16 Jahre nicht der Fall!)
Das ist übrigens kein Thema, das dem Bundesfinanzminister zu verdanken ist oder bei dem man ihm Schuld zuschieben kann. Eingeleitet hat dieses Verfahren der Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU 2019. Das ist, glaube ich, noch mal ganz wichtig zu betonen, um hier eine sachliche Richtigstellung vorzunehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dazu kommt: Sie vermitteln immer wieder den Eindruck, dass wir die Erbschaftsteuer selbst erhöhen würden. Das tun Sie, indem Sie ein bisschen damit kokettieren, indem Sie Dinge miteinander vermischen. Ich will noch mal ganz klar sagen: Wir erhöhen die Erbschaftsteuer nicht. Wir ändern die Bewertungskriterien, passen sie an das an, was das Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben hat. Wir setzen geltendes Recht um. Das ist seriöse und gebotene Regierungspolitik, und um ehrlich zu sein, ist sie auch ziemlich alternativlos. Das zeigt sich auch daran, dass Ihr eigener CSU-Minister das vor zwei Jahren eingeleitet hat.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es ist dennoch wichtig, noch mal zu betonen, was es heute bereits für Privilegien und Freibeträge gibt; denn die wurden eben auch ein bisschen ausgespart. Die Freibeträge sind 500 000 Euro für Ehepartner, also eine halbe Million, 400 000 Euro für Kinder, 200 000 Euro für Enkel. Dazu kommt – gerade bei Wohnimmobilien wichtig –, dass wir natürlich auch keine Grunderwerbsteuer neu verlangen. Das ist ein elementarer Wettbewerbsvorteil gegenüber all diejenigen, die nicht erben können. Die müssen nämlich Grunderwerbsteuer zahlen. Das wird häufig vergessen. Das ist noch mal ein ganz wichtiger Punkt.
(Kay Gottschalk [AfD]: War das jetzt eine Drohung, dass das noch kommt?)
Ein Punkt, der eben auch nicht erwähnt worden ist, weil immer mit Omas Häuschen argumentiert wird: Die Übertragung selbstgenutzter Immobilien bis 200 Quadratmeter Wohnfläche ist sowieso steuerfrei.
(Zuruf des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU])
Die Immobilie kann 2,5 Millionen Euro kosten. Ich kann die, wenn ich da selber einziehe, steuerfrei übernehmen. Wo ist da Ihre Gerechtigkeitslücke? Das ist bereits gerecht und wird ausreichend vom Gesetz berücksichtigt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sagen Sie doch, dass Sie die Steuererhöhung wollen!)
Jetzt kommen wir zum Thema Vermietung, weil das auch erwähnt wird: Bereits da gelten ein verminderter Wertansatz von 90 Prozent und die Möglichkeit der Stundung über zehn Jahre. Man kann also wirklich nicht davon sprechen, dass hier ein übergriffiges Finanzamt agiert, das irgendwie ungerecht Gelder wegnimmt,
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja, doch! Genau so ist es!)
sondern es gibt eine ganze Reihe von Privilegien, die schon genutzt werden.
Ich will über die Gestaltungsmöglichkeiten gar nicht sprechen: alle zehn Jahre Schenkungen vornehmen, Versteckoptionen im betrieblichen Vermögen, Stiftungen. Wer sich da noch mal informieren will, kann sich gerne an die Finanzausschussmitglieder der CDU/CSU wenden; denn die sind im Hauptberuf häufig noch als Steuerberater oder Fachanwälte für Erbschaftsrecht tätig. Also: Da wird man sicherlich gute Beratung bekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)
Sie schüren Ängste, um Interessen durchzusetzen, und das tun Sie ganz bewusst. Niemand hier will Omas Häuschen wegnehmen.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Doch, wollt ihr! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Doch, Sie wollen es doch besteuern! Sie wollen es doch schärfer besteuern!)
Wir schützen das hart erarbeitete Wohneigentum, wir schützen kleine und mittlere Vermögen, wir schützen Omas Häuschen. Wir wollen aber Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Dafür steht die Sozialdemokratie.
(Beifall bei der SPD)
Ich möchte auch noch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016 abheben – das darf ich kurz zitieren –:
Die Erbschaftsteuer ist ein Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit, die sich in einer freien Ordnung nicht von selbst herstellt. … Sie wirkt … der Gefahr entgegen, dass durch eine zunehmende Ungleichverteilung von Mitteln die Chancen auf gesellschaftliche wie politische Teilhabe auseinanderdriften und sich so letztlich Einfluss und Macht zunehmend unabhängig von individueller Leistung verfestigen und an Herkunft gebunden sind.
Das zu verhindern, ist die Kernaufgabe der Erbschaftsteuer, und deswegen ist sie auch weiterhin gerecht und muss auch von uns aufrechterhalten werden
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie wollen sie erhöhen!)
und eigentlich sogar noch verschärft werden.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)
Dazu komme ich aber gleich.
Jetzt komme ich zum Vergleich mit der Diskussion zum Bürgergeld. Zum Bürgergeld haben nämlich Sie, Herr Friedrich Merz, gesagt: „Der Grundsatz, dass man in Deutschland mit Arbeit mehr Geld verdient als ohne, muss ohne Wenn und Aber auch heute und für die Zukunft gelten.“
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])
Unabhängig davon, dass das beim Bürgergeld stimmt und dass wir auch immer wieder betont haben, dass das richtig ist: Was sagen Sie im Kontext der Erbschaftsteuer dazu? Ich habe nicht dafür gearbeitet, wenn ich von meinen Eltern ein Haus erbe.
(Kay Gottschalk [AfD]: Aber die!)
Dafür haben meine Eltern gearbeitet.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Deshalb gehört es aber nicht dem Staat!)
Für mich ist das leistungsloses Einkommen, und deswegen ist es auch gerecht, dass der Staat das besteuert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: So ein Sozialismus hier! – Gegenruf des Abg. Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Sozialismus!)
Es lohnt sich in der Gesamtbetrachtung auch, die Zahlen aufzuführen. Wir haben 2021 in Deutschland Erbschaften und Schenkungen im Wert von rund 400 Milliarden Euro zu verzeichnen. Darauf werden rund 11 Milliarden Euro Steuern festgesetzt. Das ist ein durchschnittlicher Steuersatz von 2,7 Prozent im Verhältnis zum Gesamtvolumen.
(Jörn König [AfD]: Nur weil es wenig ist, ist es ja nicht gut, Mensch!)
Zum Vergleich: Das mittlere Arbeitseinkommen – ungefähr 50 000 Euro brutto im Jahr – wird im Durchschnitt mit 23 Prozent besteuert. Wir können also wirklich nicht davon reden, dass Erbschaften deutlich stärker oder gar ungerecht besteuert werden. Wer in dieser Gesellschaft hart arbeitet, der muss Steuern zahlen – aber nicht die reichen Erben, die müssen keine Steuern zahlen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Kay Gottschalk [AfD]: Die reichen Erben! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ausschließlich Applaus aus der Linkspartei! Das ist ja sehr spannend!)
Die obersten 10 Prozent erhalten übrigens auch die Hälfte aller Erbschaften und Schenkungen. Es ist nicht so, dass das ein breites gesellschaftliches Phänomen ist. Über die Hälfte bekommt gar keine Erbschaften. Das ist, glaube ich, auch noch mal ganz wichtig zu betonen, um das ins Verhältnis zu setzen.
Und, Herr Merz, ich freue mich ja, dass Sie der Debatte beiwohnen.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Alles klar!)
Ich habe mir die Mühe gemacht, noch mal nach Zitaten zu suchen, die Sie bisher zu dem Thema geäußert haben. Da gibt es nicht so viel zu finden, aber ein doch ganz interessantes Zitat gibt es, das, glaube ich, den meisten gar nicht bekannt ist. Sie haben im Vorfeld der Bundestagswahl als Experte des Teams Laschet für Wirtschaft und Finanzen Folgendes gesagt:
In der Folge einer Reihe von Verfassungsgerichtsurteilen muss das sogenannte Familiengebrauchsvermögen erbschaftssteuerfrei bleiben.
Ich habe es erwähnt: Es bleibt auch steuerfrei; das selbstgenutzte Wohneigentum ist steuerfrei.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bleibt es eben nicht!)
Das ist das Familiengebrauchsvermögen.
Wenn das darüber hinausgehende Vermögen mit niedrigen Steuersätzen breiter besteuert werden soll, kann man darüber reden.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja, was wollen Sie denn damit sagen?)
Das ist ja ganz interessant. Das ist übrigens unter der Headline „Friedrich Merz offen für höhere Erbschaftsteuer“ publiziert worden. Und heute kommen Sie mit dem Antrag um die Ecke! Ich muss sagen: Das ist eine interessante Wandlung, die Sie hier vorgenommen haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wenn Sie mein Sohn wären, dann hätte ich Sie jetzt enterbt!)
Aus unserer Sicht ist hier also eine ganzheitliche Reform notwendig. Ganz wichtig: Wir müssen endlich die Privilegien der betrieblichen Vermögen entziehen. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass die, die wirklich Kohle haben in dieser Gesellschaft, ordentlich besteuert werden.
(Zuruf von der AfD)
Wir müssen die Schenkungsfristen verändern, und dann können wir auch darüber reden, ob man die Freibeträge anhebt.
(Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])
Ansonsten ist das mit uns nicht zu machen. Wir lehnen diesen Antrag ab.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Albrecht Glaser.
(Beifall bei der AfD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Endlich Niveau!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548876 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 73 |
Tagesordnungspunkt | Erbschaftsteuer |