Claudia RaffelhüschenFDP - Erbschaftsteuer
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Oft war in den vergangenen Wochen zu hören, dass die Erbschaftsteuer erhöht werde. Das ist natürlich totaler Quatsch. Eine höhere Erbschaftsbesteuerung von Immobilien ist nicht geplant.
Die aktuelle Anpassung des Bewertungsgesetzes über das Jahressteuergesetz beruht auf einer 2021 umgesetzten Anpassung der Immobilienwertermittlungsverordnung, die damals insbesondere von der Union vorangetrieben wurde. Sie war notwendig, da das Bundesverfassungsgericht zweimal – erst 2006 und dann erneut 2018 – anmahnte, dass alles, was vererbt wird, gleichermaßen zu bewerten ist, egal ob es ein Sparbuch ist, ein Aktiendepot oder eben auch eine Immobilie.
Nun sind in den vergangenen Jahren die Immobilienpreise kontinuierlich und deutlich angestiegen. Der Immobilienbesitzer und spätere Erblasser hat also auch tatsächlich ein höheres Vermögen, sodass auch ein höherer Nachlass vererbt wird. Die angestrebte Gerechtigkeit in der Immobilienbewertung und späteren Erbschaftsbesteuerung ist aber schon lange nicht mehr gegeben. Nach den bisherigen Bewertungsprinzipien kann es vorkommen, dass der Verkehrswert deutlich unterschritten wird. Hier entsteht also eine Grauzone, die laut Verfassungsgericht nun geschlossen werden muss.
Durch die angestrebten Neuregelungen stellen wir nun sicher, dass die Grundbesitzbewertung zu einer realistischeren Wertermittlung führt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Diese Anpassungen dienen dazu, die realen Wertverhältnisse am Immobilienmarkt abzubilden. Unangetastet bleibt zum Beispiel die Möglichkeit für den Erben, den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts durch ein Gutachten zu erbringen. Auch bleibt es bei den bisherigen Regelungen, dass ein Familienheim im Falle des Todes steuerfrei auf den Ehepartner oder die Kinder vererbt werden kann. Denn klar ist: Wer sich etwas aufbaut, für seine Familie vorsorgt, dessen Erben dürfen dafür nicht bestraft werden.
(Beifall bei der FDP)
Aus diesem Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ist es weder gerecht noch fair, solche Grauzonen nun einfach zu dulden; denn es ist weder verfassungskonform noch bürokratisch sinnvoll. Außerdem war es auch Ihnen in 16 Jahren Regierungszeit durchaus bekannt, dass die Immobilienpreise massiv ansteigen, dass die aktuellen Bewertungsregelungen verfassungsrechtlich fragwürdig sind und eine Neuregelung unausweichlich ist. Das hätte auch dem damaligen Bauminister Seehofer aus Ihren Reihen bekannt sein müssen.
Die nun plötzlich in Ihrem Antrag formulierte Forderung nach einer Erhöhung der Freibeträge wirkt also wenig glaubwürdig. Sie hätten es bis vor gut einem Jahr selbst umsetzen können, haben die Freibeträge aber seit 2009 nicht angetastet.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Dann machen Sie mal!)
Das sind 13 Jahre. Wir regieren seit einem Jahr und schließen nun erst mal die von Ihnen hinterlassenen Steuerschlupflöcher.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Steuerschlupflöcher?)
Und es war – das will ich in aller Deutlichkeit sagen – unser Fraktionsvorsitzender Christian Dürr, der kürzlich genau diese Debatte um die Erhöhung der Freibeträge öffentlich angestoßen hat.
(Lachen des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU] – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ihr Finanzminister hat das Gesetz eingebracht! – Christian Görke [DIE LINKE]: Aber die Privilegien auch abschaffen!)
Auch koalitionsintern diskutieren wir das und werden unsere liberalen Überzeugungen selbstbewusst in die Debatte einfließen lassen; das verspreche ich Ihnen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Da sind wir gespannt!)
Wie bei der kalten Progression im Einkommensteuerrecht sollte auch die Erbschaftsteuer an die Inflation angepasst werden, um reale Steuererhöhungen, die nicht parlamentarisch legitimiert sind, zu vermeiden.
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Sehr gut!)
Wenn man nun eine Erhöhung der Freibeträge anstrebt – was wir durchaus unterstützen –, müssen wir uns fragen, ob das nicht zu kurz greift. Müssten wir nicht auch über einen vollständig indexierten Steuertarif in allen Erbschaftsteuerstufen sprechen?
(Lachen bei der CDU/CSU)
Denn nur so kann der inflationären Erhöhung der realen Besteuerung entgegengewirkt werden.
(Beifall bei der FDP)
Ganz wichtig ist uns, dass eine solch komplexe Entscheidung nicht übers Knie gebrochen wird. In der Koalition stehen wir für konstruktive
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: ... Opposition!)
und vor allem legitime Lösungen und nicht für Schnellschüsse. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine Ausrede?)
Und ganz nebenbei bemerkt: Eine Erhöhung der Freibeträge führt auf der anderen Seite natürlich in den Ländern zu Steuermindereinnahmen.
(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)
Da wir hier, wie auch in anderen Bereichen, keinerlei Kompromissbereitschaft im Bundesrat sehen, wäre ein Gesetzentwurf nicht mehr als heiße Luft. Das wäre eine reine Schaufensterdebatte. Zeigen Sie, liebe CDU/CSU, doch einen wirklichen Lösungswillen auch im Bundesrat, in dem Sie die Mehrheit haben! Wir hoffen in Zukunft auf eine ehrlichere Oppositionsarbeit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Na ja! – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das muss aber ein grüner Referent aufgeschrieben haben, die Rede!)
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun Sebastian Brehm.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548880 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 73 |
Tagesordnungspunkt | Erbschaftsteuer |