01.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 73 / Zusatzpunkt 3

Sebastian BrehmCDU/CSU - Erbschaftsteuer

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Fakten. Erster Fakt: Die Ampel hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der unzweifelhaft in sehr vielen Fällen zu einer deutlich höheren Erbschaft- und Schenkungsteuer führen wird.

(Michael Schrodi [SPD]: Falsch! Die erste Falschaussage!)

Zweiter Fakt: Die Ampel erhöht dabei nicht die Erbschaft- und Schenkungsteuer direkt, sondern sie ändert die steuerlichen Bewertungsmaßstäbe.

(Michael Schrodi [SPD]: Herr Seehofer hat es gemacht! Die CSU war’s!)

Dadurch werden Häuser und Wohnungen steuerlich wesentlich wertvoller eingeschätzt.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ehrlicher werden sie eingeschätzt! Ehrlicher!)

Bei einem unveränderten Steuersatz kommt es hierdurch zu einer deutlichen Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Schraps [SPD]: Sie sollten sich zu Herzen nehmen, was der Kollege gesagt hat!)

In den Ballungsräumen kann es bei der Berechnung sogar zu einer Verfünffachung der Erbschaft- und Schenkungsteuer kommen, wenn man die Freibeträge nicht anpasst.

Die neuen Bewertungsmaßstäbe – es wurde angesprochen – mögen verfassungsrechtlich geboten sein,

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah! – Johannes Schraps [SPD]: Das Verfassungsgericht!)

aber es steht nirgends, dass es verfassungsrechtlich in diesem Jahr umgesetzt werden muss. Wenn Sie das Argument anführen, dass die Häuser und Wohnungen im Preis zugelegt haben, dann müssen Sie zwingend das Argument auch dafür gelten lassen, die Freibeträge in gleichem Maße zu erhöhen, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und das tun Sie nicht, auch Sie von der FDP nicht, auch wenn Sie es hier in der Rede, als Oppositionsrede sozusagen, vortragen.

Dritter Fakt: Der Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 ist nicht aus dem damaligen Innenministerium gekommen. Das ist die glatte Unwahrheit und verdreht alle Tatsachen; Sie haben es auch heute wieder behauptet. Nein, der Gesetzentwurf kommt aus dem FDP-geführten Finanzministerium.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Er kommt von Christian Lindner. Christian Lindner und die FDP greifen in die Taschen der Erben. Das ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das muss hier auch mal gesagt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Heidi Reichinnek [DIE LINKE]: Schön wär’s!)

Der Gesetzentwurf kommt von einer Partei, die im Wahlkampf noch gesagt hat – übrigens zu Recht –: „Steuererhöhungen sind Sabotage am Aufschwung.“

(Maximilian Mordhorst [FDP]: So ist es!)

Er kommt von einer Partei, deren Chef vor vier Tagen – lieber Herr Lindner, vor vier Tagen, am 28. November – beim Zentralverband des Deutschen Handwerks gesagt hat – ich zitiere – :

Wir sind in der Vorweihnachtszeit: Fürchtet euch nicht. Mit dieser Koalition und diesem Bundesfinanzminister wird es keine Steuererhöhungen geben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Sie zwingt keiner, von dieser Haltung Abstand zu nehmen, lieber Kollege Lindner.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so unterkomplex, Herr Brehm! Ehrlich! Ein bisschen differenzieren! Peinlich!)

Wenn Sie eine Erhöhung der Immobilienbewertung durchsetzen müssen, dann erhöhen Sie bitte auch die Freibeträge in gleichem Maße. Dabei helfen wir heute mit unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie machen die Menschen in unserem Land bewusst wieder ärmer.

(Lachen bei der SPD)

Sie nehmen den Menschen in unserem Land ihr hart erspartes Geld einfach weg.

Kollege Brehm.

Ja, bitte?

Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Schmidt?

Selbstverständlich, gerne.

(Zuruf von der SPD: Jetzt kann er ja richtigstellen, was gerade falsch gesagt wurde!)

Vielen Dank, Herr Kollege Brehm, vielen Dank, Frau Präsidentin, für das Gestatten der Zwischenfrage. – Herr Brehm, Sie sagen, wir würden die Menschen in Deutschland ärmer machen. Ich kann das Argument verstehen, dass durch die steigende Inflationsrate die Wertsteigerungen tatsächlich ein bisschen knapper ankommen als von uns erwartet oder erwünscht. Nichtsdestoweniger müsste man sich jetzt aber doch auch die Wertentwicklung anschauen, die Immobilien im Vergleich zur Inflationsrate erfahren haben. Ist Ihnen klar, dass die Inflationsrate in den letzten Jahren Pi mal Daumen immer zwischen 0,5 und 2 Prozent lag und aktuell bei 8 Prozent liegt, die Immobilienpreise sich aber in den letzten zehn Jahren um 65 Prozent gesteigert haben? Ist es da nicht nur fair und richtig, diese enormen Wertsteigerungen der Immobilien entsprechend moderat zu besteuern, wie es bei der Erbschaftsteuer weiterhin der Fall ist?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Lieber Herr Kollege Schmidt, fair und richtig wäre, wenn man diese 65 Prozent Wertsteigerung, die Sie erwähnen, auch im Freibetrag abbilden würde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Nein!)

Ich sage Ihnen eins: Nehmen wir mal den Großraum Nürnberg. Ein normales kleines Reihenhaus liegt inzwischen bei einem Wert von 750 000 bis 800 000 Euro.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Das ist steuerfrei, wenn Sie es bewohnen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist steuerfrei!)

Es soll vielleicht vererbt werden von einer Generation, die hart gearbeitet hat, die keinen Urlaub gemacht hat, die sich das abgespart hat, weil es der nächsten Generation besser gehen soll.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Die vererben das jetzt an die nächste Generation und sagen, die Familie soll einziehen. Aber vielleicht muss diese beruflich bedingt wieder umziehen. Und dann greifen Sie den Menschen in die Tasche und nehmen ihnen das hart Ersparte weg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der SPD: Es gibt kein Recht darauf, mehrere Häuser zu besitzen! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Übrigens sind es wahrscheinlich auch Ihre Wähler, denen man das Geld wegnimmt.

Insofern sehe ich es nicht so wie Sie. Ich glaube, wenn Sie eine Erhöhung der Immobilienwerte im Gesetz abbilden wollen, dann müssen Sie auch zwingend eine Erhöhung der Freibeträge vornehmen. Ansonsten machen Sie die Menschen einfach ärmer.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Johannes Schraps [SPD]: Zwingend ist das nicht!)

Liebe Kollegen, die Frage ist, warum es nicht im Gesetz umgesetzt ist, obwohl der Finanzminister angekündigt hat, die Freibeträge zu erhöhen. Auch die FDP hat gesagt, sie ist dafür. Warum ist es nicht umgesetzt worden?

Kollege Brehm, Sie sind sehr gefragt.

Ja.

Lassen Sie auch eine Frage oder Bemerkung aus der SPD-Fraktion zu?

Ja, freilich. – Oh, der Herr Kollege Schrodi.

Herr Brehm, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Es geht darum, dass Sie Behauptungen aufgestellt und eine Rechnung aufgemacht haben, die zu hinterfragen sind. Ich komme übrigens auch aus Bayern, aus der Nähe von München, und ich weiß, dass die Wertsteigerungen dort sehr hoch sind.

Nehmen wir an, es gibt, wie Sie gesagt haben, ein Reiheneckhaus. In den letzten zehn Jahren hat sich dessen Wert verdoppelt. Er lag bei vielleicht 500 000 Euro, als es gekauft wurde, jetzt ist es 1 Million oder 1,2 Millionen Euro wert. Jetzt haben wir die Situation: Die Eltern sterben, und es kommt zum Erbfall. Es gibt zwei Kinder. Es gibt aber – und das lassen Sie unerwähnt, Herr Brehm – die Möglichkeit, über Schenkungen alle zehn Jahre pro Kind und Elternteil 400 000 Euro steuerfrei weiterzugeben.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Vielleicht möchte man nicht verschenken, wenn man darin wohnt! Das ist doch weltfremd!)

Innerhalb eines Jahres könnte der komplette Wert eines solchen Hauses weiterverschenkt werden, ohne dass Steuer anfällt. Genau so ist das im Erbschaftsfall bei zwei Kindern und zwei Elternteilen.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das ist ja ungeheuerlich!)

Das heißt, Herr Brehm – wenn ich Ihre Rechnung richtig verstehe –, dass auch das Haus in Nürnberg, das Sie angeführt haben, schon mit den heutigen Freibeträgen bei zwei Kindern vollständig steuerfrei auf sie übergehen kann – ganz abgesehen von der Tatsache, dass eine selbst bewohnte Immobilie mit bis zu 200 Quadratmetern Wohnfläche vollkommen steuerfrei an die Kinder übergeht. Wo bitte schön ist da der Skandal? Sie wollen hier einen Skandal hochziehen, den es gar nicht gibt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

Schauen Sie, Herr Schrodi, Ihre Rechnung geht nicht auf.

(Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der SPD: Doch!)

Das ist eine sozialdemokratische Rechnung der Umverteilung.

(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mathematik ist nicht politisch!)

Nehmen wir das Haus in München, das Sie als Beispiel angeführt haben. Wenn zwei Kinder dieses Haus erben, dann werden sie es verkaufen müssen, um die Erbschaftsteuer zahlen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Widerspruch bei der SPD – Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Blödsinn!)

– Doch, das ist Fakt. Ich kann Ihnen aus der Realität berichten, in der Sie leider nicht immer zu Hause sind, dass das Fakt ist, lieber Herr Kollege.

(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)

Sie fordern die Menschen auf, ihr Erspartes schon jetzt an die Kinder zu übertragen.

(Michael Schrodi [SPD]: Müssen sie nicht, dürfen sie aber!)

Aber überlegen Sie mal: Manche wollen ihr Erspartes, auch ihr Häuschen, ein Stück weit zurückbehalten für den Fall, dass sie pflegebedürftig werden oder im Rentenalter Geld brauchen; daher wollen sie es jetzt noch nicht vererben. Deswegen ist Ihre Rechnung falsch.

Beachten Sie auch eines: Damit das bis zu 200 Quadratmeter große selbstgenutzte Wohneigentum steuerfrei bleibt, muss man zehn Jahre darin wohnen. In der heutigen Arbeitswelt kann es passieren, dass man zum Beispiel von München nach Hamburg geht, Frau Kollegin Beck, und dann ist die Erbschaftsteuer zu zahlen. Dann muss man den Umzug bezahlen und die Erbschaftsteuer, und dann muss man das Haus verkaufen.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Das Haus steht doch nicht leer! Das kann man doch vermieten! Das wird doch vermietet!)

Das ist die Realität in Deutschland, und die können Sie nicht leugnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zurufe von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage ist ja: Der Finanzminister hat gefordert, die Freibeträge anzupassen. Ist es Absicht, dass das nicht im Gesetzentwurf steht, oder ist das rot-grüne Umverteilung? Wir haben in der letzten Sitzungswoche ja auch über Vermögensabgabe und Lastenausgleich gesprochen; das haben Sie befürwortet. Also, Sie wollen erst 50 Prozent des Vermögens wegnehmen und es dann auch noch über die Erbschaftsteuer besteuern. Das ist Ihr eigentlicher Plan. Sie wollen, dass die Menschen in unserem Land kein Vermögen mehr haben.

(Zurufe von der SPD)

Sie sprechen im Wahlkampf von Respekt. Die Menschen, die hart arbeiten, die früh aufstehen, die sich was ersparen, die nicht in den Urlaub fahren, diejenigen, die was für die nächste Generation schaffen wollen, denen nehmen Sie das Vermögen weg.

(Zuruf des Abg. Michael Schrodi [SPD])

Das ist respektlos gegenüber den Menschen, die hart arbeiten. Das ist respektlos!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die höhere Steuer wird doch dazu führen, dass Erben ihr Elternhaus verkaufen müssen, um die höhere Erbschaftsteuer zu bezahlen.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Nein! – Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch Wiederholen wird es nicht richtiger, Herr Brehm!)

Sie wird dazu führen, dass Einheimische an Investoren verkaufen oder an gewerbliche Interessenten.

(Tim Klüssendorf [SPD]: Nein!)

Und sie wird zu drastischen Mieterhöhungen führen. Damit sind Sie die Mieterhöhungspartei Nummer eins in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Das gilt für Rot, Grün und Gelb, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist unsozial, was da passiert.

(Michael Schrodi [SPD]: 33 000 Sozialwohnungen in Bayern verkauft durch Markus Söder! Das sind die Preissteigerungen!)

Die Freibeträge wurden seit 13 Jahren nicht angepasst. Wenn wir die neuen Bewertungsmaßstäbe ansetzen, dann brauchen wir auch höhere Freibeträge.

Wir bringen noch einen weiteren Aspekt ein, über den seit Jahren diskutiert wird und der richtig ist. Wir wollen eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer prüfen,

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das auch noch!)

weil so die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in den unterschiedlichen Bundesländern abgebildet werden können. Herr Kollege Lindner, Sie haben gesagt, die Initiative solle von den Ländern kommen. Jetzt kommt die Initiative von den Ländern im Bundesrat.

(Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Unterstützung gibt es dafür aus den Ländern? Da machen noch nicht mal die CDU-Ministerpräsidenten mit!)

Dann erwarte ich aber auch Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz.

Ich erwarte übrigens auch heute Ihre Zustimmung. Es wird sich zeigen, ob Sie es ernst meinen, liebe Frau Kollegin Raffelhüschen. Wenn Sie hier sagen: „Es muss eine Erhöhung der Werte geben“, dann stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Johannes Schraps [SPD]: Dem Antrag kann man nicht zustimmen!)

Ansonsten zeigen Sie den Menschen da draußen, dass Ihnen egal ist, was Sie gestern, vorgestern oder vor vier Tagen gesagt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Jahressteuergesetz, über das wir morgen abstimmen, ist eine Enteignung der Fleißigen und eine bewusste Verarmung der Vermögenden.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unfassbare Polemik! Ganz, ganz billig ist das gewesen!)

Deswegen lehnen wir es ab. Stimmen Sie heute unserem Antrag zu!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Tim Klüssendorf [SPD]: Ganz schwach! Ganz schwach!)

Das Wort hat der Kollege Lennard Oehl für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548881
Wahlperiode 20
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Erbschaftsteuer
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