01.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 73 / Zusatzpunkt 3

Frauke HeiligenstadtSPD - Erbschaftsteuer

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Güntzler, Sie sind nicht der letzte Redner in der Debatte gewesen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber er war der letzte Fachmann! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gegenruf des Abg. Michael Schrodi [SPD]: Welch eine Arroganz!)

Ich bin die letzte Rednerin in der Debatte, und deswegen mache ich jetzt mal den Faktencheck zu dem, was Sie und Ihre Kollegen hier gerade so schön an Falschbehauptungen aufgestellt haben.

Faktencheck Nummer 1. Sie behaupten, wir würden die Erbschaftsteuer erhöhen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ja!)

Fakt ist: Wir nehmen lediglich eine Anpassung der Bewertung von Immobilien vor.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Thomas Ehrhorn [AfD]: Das ist keine Erhöhung! Genau! – Weitere Zurufe von der AfD – Gegenruf des Abg. Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt keinen Respekt vor der Verfassung da drüben!)

Das ist dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes geschuldet. Das hat uns nämlich aufgegeben, Vermögen tatsächlich gerecht zu bewerten und keine Schlupflöcher bei der Bewertung von Vermögen zu lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir nehmen also keine Erbschaftsteuererhöhung vor, sondern wir passen die Bewertung des Vermögens schlicht und ergreifend an.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist doch eine Folge! Mathematik dritte Klasse! – Thomas Ehrhorn [AfD]: Der Betrieb ist nicht pleite! Er produziert nur nicht mehr!)

Faktencheck Nummer 2. Sie behaupten, dass zukünftig bereits kleine Wohnhäuser nicht mehr ohne Erbschaftsteuer vererbt werden können. Richtig ist dagegen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Es bleibt dabei: Ein Haus mit bis zu 200 Quadratmetern Wohnfläche kann in direkter Linie bei Eigennutzung ohne Erbschaftsteuer vererbt werden – unabhängig vom Wert der Immobilie. Also, auch bei diesem Faktencheck sind Sie durchgefallen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Faktencheck Nummer 3. Sie sprechen von unzähligen Erbfällen, die nun versteuert werden müssten. Fakt ist: Nicht einmal die Hälfte unserer Bevölkerung erbt überhaupt Immobilienvermögen. Und selbst bei den wenigen, die Immobilienvermögen erben, fällt nur zu einem ganz kleinen Anteil Erbschaftsteuer an.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was ist das denn für ein Argument?)

Also auch hier: Falschbehauptung!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage mal: Im Faktencheck bei „Hart aber Fair“ wären Sie locker durchgefallen.

Da fragt man sich allerdings: Warum machen Sie das eigentlich? Warum stellen Sie so viele Falschbehauptungen auf?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Frage stellen wir uns ja: Warum machen Sie das eigentlich?)

Der Grund könnte ja vielleicht sein, dass Sie mit diesen Falschbehauptungen eigentlich von dem guten Ergebnis zum Jahressteuergesetz ablenken wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Schraps [SPD]: Den Eindruck habe ich auch!)

Sie machen zum Beispiel mit diesen Falschbehauptungen den Menschen Angst, weil Sie vielleicht nicht wollen, dass wir über die gute Entwicklung bei der Homeoffice-Pauschale reden, dass wir über die gute Entwicklung bei der Besteuerung der Photovoltaik reden, dass wir über die Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrages reden

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Darum geht es ja auch gar nicht in unserem Antrag!)

oder vielleicht auch über die erhöhte Abschreibung für Wohnungsbauinvestitionen.

Wir von der Ampel machen Politik für die Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Simone Borchardt [CDU/CSU])

Ohne den Bremsklotz Union haben wir in der Ampel in einem Jahr mehr Sozialreformen durchgesetzt als in acht Jahren Großer Koalition, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Sie stellen nicht nur Falschbehauptungen auf, sondern Sie garnieren das Ganze ja auch noch mit Emotionen, mit Angst, indem Sie suggerieren, dass Omas kleines Häuschen nicht mehr vererbt werden kann.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kommt darauf an, wo es steht!)

Aber eigentlich geht es Ihnen gar nicht um die Eigennutzung dieses Gebäudes von Oma, sondern Ihnen geht es um die Menschen, die diese Wohnungen und Häuser, die geerbten Immobilien, anschließend vermieten wollen. Das wird insbesondere daran deutlich, dass Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, eine Erhöhung der Freibeträge für Ehegatten auf 825 000 Euro, für Kinder auf 660 000 Euro vorzusehen – Freibeträge, das heißt eine Verschonung von der Erbschaftsteuer.

Das letzte Mal, als wir hier an diesem Pult über Schonvermögen gesprochen haben, ging es um das Schonvermögen von Menschen, die zukünftig Bürgergeld bekommen sollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Johannes Schraps [SPD]: Sehr richtig! – Weiterer Zuruf von der SPD: Da waren Sie dagegen!)

Ich finde es, ehrlich gesagt, sehr beschämend, dass Sie nur wenige Tage nach der unsäglichen Debatte darüber, dass für diese Menschen ein Schonvermögen von 60 000 Euro einschließlich einer Immobilie zu hoch sei, nun vorschlagen, die Freibeträge für Reiche von 400 000 Euro auf 825 000 Euro zu erhöhen.

(Michael Schrodi [SPD]: Genau! Auf den Punkt!)

Ich sage nur: Klientelpolitik für Reiche pur.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Statt Ihrer Klientelanträge brauchen wir eine sachliche Debatte darüber, wie wir mit der steigenden Ungleichheit von Vermögen und von Chancen durch Erbschaften umgehen und möglichst vielen Menschen Teilhabe ermöglichen.

(Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Wenn Sie also ernsthaft Interesse an einer sachlichen Debatte zeigen, dann können wir uns gerne mit Ihren Vorschlägen auseinandersetzen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, schon gar nicht von der AfD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Warum nicht?)

Aber der Antrag der CDU/CSU-Fraktion, dieser Zusatzpunkt, das war heute Morgen ein echter Rohrkrepierer bei Ihnen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

Ich schließe die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548889
Wahlperiode 20
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Erbschaftsteuer
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