01.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 10

Leni BreymaierSPD - Einführung eines Familiensplittings

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Danke. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer drei Kinder hat und 100 000 Euro im Jahr bekommt, zahlt keine Steuern mehr. – Hört sich nett an, ist aber hinterhältig.

(Jürgen Coße [SPD]: Hinterhältig, ja!)

Die AfD missbraucht den Begriff „Familie“, um die Gleichberechtigung zu untergraben.

(Martin Reichardt [AfD]: Das ist doch alles Quatsch!)

Sie will das Ehegattensplitting erweitern und nennt dies wohlklingend „Familiensplitting“. Neu ist das nicht wirklich. Es folgt natürlich, ohne irgendeine Nähe zu vermuten, total zufällig der nationalsozialistischen Ideologie, mithilfe von Steuerpolitik Frauen aus dem Erwerbsleben fernzuhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gökay Akbulut [DIE LINKE] – Martin Reichardt [AfD]: Das ist doch dummes Zeug! Das gibt’s in Frankreich auch!)

Die Worte, die Sie in Ihren Reden benutzen, unterstreichen das auch. Das kommt aus der rechten Ecke alle paar Jahre hoch wie das Ungeheuer von Loch Ness – von ganz unten.

(Beatrix von Storch [AfD]: Genau! Das kommt ja auch immer hoch! Wie der Weihnachtsmann! Der kommt jetzt auch bald!)

Mit Berücksichtigung der wechselseitigen Unterhaltsverpflichtung wollen wir das Ehegattensplitting abschaffen, weil es die Partnerin – in aller Regel – mit geringerem Einkommen geradezu motiviert, keiner bezahlten und sozialversicherten Erwerbsarbeit nachzugehen. Es unterstützt das überholte Familienbild: Die Frau kümmert sich um Kinder, Küche und manchmal auch noch um Kirche.

Frau Breymaier, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gottschalk aus der AfD-Fraktion?

Nein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Martin Reichardt [AfD]: Nein, natürlich nicht! Da reicht es wieder nicht für!)

Da viele Leute keine Einkommen- bzw. Lohnsteuer zahlen, weil sie schlicht zu wenig Lohn haben, würde ihnen eine weitere Steuersenkung durch ein Familiensplitting eben nicht helfen. Für hohe Einkommen wäre es aber eine deutliche und spürbare Steuersenkung. Allerdings würde sich der fiskalische Effekt, also Steuermindereinnahmen, mit dem dann fehlenden Geld für Betreuung – Krippe, Kita, Schulen usw. – kreuzen. Wir haben es gehört: Über 67 Milliarden würden dafür fehlen. Und am Ende würde noch verstärkt, was jedenfalls wir nicht wollen: Kinder und Frauen bleiben zu Hause. Das ist der eigentliche Hintergrund des AfD-Antrags. Das ist alles ziemlich durchschaubar.

In Deutschland werden Ehepaare derzeit gemeinsam besteuert. Dadurch entsteht ein Splittingvorteil, der umso größer ist, je weiter die Einkommen auseinanderliegen. Ich war letzte Woche bei einem Vortrag von Professor Marcel Fratzscher beim Deutschen Frauenrat. Er hat glasklar dargestellt, wie sich die Elemente der gemeinsamen Besteuerung, also auch unser Ehegattensplitting,

(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Dann ist es bestimmt falsch!)

in den Einkommensteuergesetzen von 17 europäischen Ländern und auch der USA auswirken: Je mehr gemeinsam besteuert wird, desto weniger Erwerbsarbeitsstunden haben die Frauen. Das sind zum Beispiel in Belgien 339 Stunden und in Deutschland 279 Stunden weniger im Jahr. In Ländern, die kein oder wenig Splitting haben, sieht es hingegen anders aus: In Norwegen sind es 38 Stunden und in Schweden null Stunden. Alleine durch das Ehegattensplitting arbeiten die Frauen hierzulande fast 280 Stunden weniger im Jahr.

(Markus Herbrand [FDP]: Das ist eine sehr steile These!)

Was das für den Arbeitsmarkt, für den Fachkräftemangel, für den Arbeitskräftemangel heißt, muss ich hier wohl nicht erklären.

(Beatrix von Storch [AfD]: Genau! Kinder brauchen ihre Mütter nicht!)

Aber was ich schon erklären will, ist, was das für die Renten der Frauen heißt: In Estland beträgt die Rentenlücke von Frauen und Männern 2 Prozent, in Dänemark 7 Prozent, in Großbritannien 34 Prozent und in Deutschland 37 Prozent.

(Jörn König [AfD]: Auch für die Renten ist die SPD seit 100 Jahren zuständig! Das hätten Sie schon lange ändern können! – Martin Reichardt [AfD]: Wie lange regieren Sie eigentlich schon mit?)

Das sind auch Auswirkungen dieser Steuersplittinggesetzgebung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb können wir froh sein, wenn wir hier ein paar Zuwanderinnen und Zuwanderer haben,

(Martin Reichardt [AfD]: Die uns jetzt 60 Milliarden pro Jahr kosten!)

die auch mal unsere Renten zahlen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Es bringt uns hier nicht weiter, Reiche zu bevorzugen. Wir sind auf dem richtigen Weg mit dem Recht auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule, mit der Erhöhung des Kindergeldes, mit der Beibehaltung der Kinderfreibeträge, mit der Kindergrundsicherung. Das sind die Themen, an denen wir arbeiten. Das sind die Themen, die Familien vorwärtsbringen.

(Martin Reichardt [AfD]: Darum haben wir auch 25 Prozent Familienarmut!)

Familiensplitting, das hört sich nett an. Aber nett ist halt doch nur die kleine Schwester von … Sie wissen schon.

(Heiterkeit bei der SPD – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Wir wollen mit dem Steuerrecht Einkommen möglichst gerecht besteuern und nicht Rollen verteilen. Es ist also klar, dass wir den Antrag ablehnen, wie letztes Mal. Künftig können wir die Reden von der AfD aus dem letzten Protokoll kopieren und einfügen. Dann könnten wir uns viel Zeit ersparen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörn König [AfD]: Auch das ist Quatsch! Ich habe beim letzten Mal nicht dazu geredet! – Martin Reichardt [AfD]: Ich habe eine andere Rede gehalten!)

Zu einer kurzen Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Kay Gottschalk.

(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Der hat wieder keine Redezeit gekriegt! – Markus Herbrand [FDP]: Gibt es nicht! Kurzintervention bei Gottschalk gibt es nicht!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548928
Wahlperiode 20
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Einführung eines Familiensplittings
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