01.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 73 / Zusatzpunkt 4

Thorsten FreiCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Pläne der Bundesregierung zur schnelleren Einbürgerung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich finde, die Debatte hat keinen guten Ton.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der SPD: Genau!)

– Ja, diese Bemerkung habe ich an exakt diejenigen gerichtet, die jetzt so applaudieren. Denn wissen Sie, wenn Sie eine grundlegende Veränderung, einen Paradigmenwechsel im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht dadurch wollen,

(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

dass Sie die Mehrstaatigkeit generell annehmen und hinnehmen,

(Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD]: Schreien Sie doch nicht so!)

dann können Sie das nicht machen, ohne dass eine öffentliche Debatte geführt wird, dann können Sie nicht glauben, dass wir darüber nicht reden wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Konstantin Kuhle [FDP]: Reden Sie!)

Sie führen eine Debatte, Sie machen Vorschläge,

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die 60, 70 Prozent der Menschen in unserem Land nicht wollen. Wenn das so ist, dann müssen Sie diese Debatte mit uns führen,

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn?)

und Sie dürfen sie nicht so führen, dass Sie jeden, der anderer Meinung ist als Sie, als spalterisch, als populistisch, als rassistisch oder was auch immer abtun.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Rasha Nasr [SPD] und Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist keine ehrliche Debatte, und, um ehrlich zu sein, das ist auch unterhalb Ihres Niveaus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, man muss einfach auch der Klarheit wegen sagen: Wenn Sie grundsätzlich die Mehrstaatigkeit im Staatsangehörigkeitsrecht hinnehmen möchten, dann hat das weitreichende Änderungen nicht nur für die Zusammensetzung des Staatsvolkes, dann hat es auch weitreichende Änderungen beispielsweise für die Aufenthaltstitel und das System dort insgesamt zur Folge.

Denn wenn es nach fünf Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit geben soll, dann hat das natürlich Auswirkungen beispielsweise auf die Frage: Wann wird ein Daueraufenthaltsrecht gegeben, wann werden andere Aufenthaltstitel erteilt? Das hat weitreichende Konsequenzen,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

und darüber muss man miteinander diskutieren.

Sie haben beispielsweise Vorschläge zu einem Chancen-Einwanderungsgesetz gemacht, bei dem es letztlich darum geht, dass Menschen, die abgelehnte Asylbewerber sind, die seit Jahren nicht aus unserem Land ausreisen, auch noch dafür prämiert werden, wenn sie nicht dazu beitragen, über ihre Identität Auskunft zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Also, es geht am Ende des Tages auch darum, dass der Rechtsstaat sich selber ernst nimmt.

Lassen Sie mich eines noch mal ganz klar sagen: Natürlich ist Deutschland ein Einwanderungsland.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen, finde ich, darf man die Dinge auch nicht durcheinanderbringen.

Wir werben um Frauen und Männer aus allen Teilen der Welt, die unsere Werte teilen, die hier gemeinsame Ziele mit uns verwirklichen möchten, die hier arbeiten möchten und ihr Glück finden möchten. Es ist übrigens nicht so, dass Sie die Voraussetzungen dafür erfunden hätten. 2019 haben wir ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz gemacht.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Pillepalle war das! Keiner ist dadurch gekommen! Keiner! Es ist nichts passiert!)

Wenn Sie mal ehrlich sind: Die Probleme dieses Gesetzes sind nicht das Gesetz selbst, sondern das Problem im Bereich der Fachkräfteeinwanderung ist beispielsweise, dass zum einen unsere Konsularabteilungen teilweise ein Jahr brauchen, bis Termine genehmigt werden, und zum anderen auch die Anerkennung von Berufsabschlüssen nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen könnten. Das sind die tatsächlichen Probleme, die man dabei lösen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und lassen Sie mich zum Staatsangehörigkeitsrecht eines sagen: Die Staatsangehörigkeit führt letztlich dazu, dass Bürger untereinander in einer ganz besonderen Verbindung stehen. Das hat was mit Identifikation zu tun; darüber haben wir gesprochen. Und jetzt ist es so: Die Staatsangehörigkeit führt zu Rechten, und das führt auch zu Verpflichtungen.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah ja!)

Und eine Staatsangehörigkeit zu haben, ist eine relativ einfache Angelegenheit, wenn der Staat im Gewand eines Sozialstaates daherkommt, im Gewand eines demokratischen Rechtsstaates, wenn er bei Konsularangelegenheiten im Ausland hilft. Aber der Staat kommt auch, um von den Bürgern beispielsweise zu fordern

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: … dass Steuern gezahlt werden!)

– nicht nur, dass Steuern gezahlt werden –, dass Eigentum zur Verfügung gestellt werden muss, dass er mit Menschenleben verteidigt werden muss. Deshalb ist es immer eine Gesamtbetrachtung, die man hier anstellen muss.

Ich will Ihnen eines sagen: Es ist richtig, die Einbürgerungsquote in Deutschland ist nicht hoch.

(Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber so zu tun, als ob die Tatsache, dass nicht jeder die doppelte Staatsbürgerschaft haben kann, heute das Hindernis wäre, ist schlicht falsch.

(Zuruf von der SPD: Das ist die Realität!)

Schauen Sie sich mal in Europa um!

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

In den Niederlanden haben wir eine vier- bis fünfmal höhere Einbürgerungsquote. Tatsächlich gibt es dort aber faktisch die doppelte Staatsbürgerschaft nicht. Die gibt es übrigens auch in Ländern wie Dänemark und Österreich nicht

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau! In Spanien auch nicht!)

und auch in Litauen nicht. Und das führt dazu: Diese Länder haben keine Integrationsprobleme.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

Wer hat Integrationsprobleme? Länder wie Großbritannien, Frankreich und Schweden,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ja, genau!)

die Länder, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben. Das eine hängt mit dem anderen zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Sie bauen einen Popanz auf. Das ist nicht richtig. Und eines müssen Sie sich gefallen lassen: Man kann in der Demokratie alle Meinungen vertreten. Aber Sie lassen andere Positionen nicht zu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer raus damit!)

Sie sind noch nicht mal bereit, –

Herr Frei, kommen Sie bitte zum Schluss.

– darüber ernsthaft zu reden, ohne hier mit Polemik um sich zu werfen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wehleidigkeit ist doch keine Politik!)

Für die Bundesregierung hat das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Mahmut Özdemir.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548951
Wahlperiode 20
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Pläne der Bundesregierung zur schnelleren Einbürgerung
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