01.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 73 / Zusatzpunkt 4

Stefan HeckCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Pläne der Bundesregierung zur schnelleren Einbürgerung

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute in dieser Aktuellen Stunde erneut über das wichtige Thema Migrationspolitik, ein Politikfeld, das nicht nur uns hier im Deutschen Bundestag regelmäßig beschäftigt, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

Die Entscheidungen, die wir hierzu als Parlament treffen, unterscheiden sich in einem ganz wesentlichen Punkt von vielen anderen Beschlüssen, die wir hier fassen: Fehlentscheidungen in diesem Bereich können meist nicht mehr rückgängig gemacht werden. Und wenn Rechtssetzung und Verwaltungshandeln in diesem Bereich Erfolg haben sollen, dann müssen sie von drei Elementen geprägt sein: erstens einem notwendigen Maß an Offenheit, zweitens der Fähigkeit zur tiefgründigen Differenzierung, also unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich zu behandeln, und drittens der erforderlichen Konsequenz und auch Härte bei der Durchsetzung rechtsstaatlich getroffener Entscheidungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bilanz Ihrer Regierung bei dem gesamten Thema Migrationspolitik ist nach knapp einem Jahr im Amt verheerend. Die von Ihnen angekündigte und eben noch mal angesprochene europäische Initiative zur Flüchtlingsverteilung ist schon nach wenigen Wochen komplett gescheitert.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Horst Seehofer!)

Der Zustrom an Schutzsuchenden ist heute so groß wie nie zuvor, und Sie lassen Bürgermeister und Landräte im Regen stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Stattdessen wollen Sie morgen im Deutschen Bundestag ein Gesetz beschließen,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Stimmen Sie zu oder dagegen?)

das nun auch denjenigen Ausländern ein Aufenthaltsrecht zukommen lässt, die ihre Identität bewusst verschleiern.

Von der versprochenen Abschiebeinitiative – wir haben es ja heute wieder gehört – ist bislang nichts übrig geblieben. Die Stelle des Abschiebebeauftragten – die FDP mahnt das immer wieder an –

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt „Sonderbeauftragter Migration“!)

ist immer noch unbesetzt. Noch immer sind rund 300 000 Ausreisepflichtige in unserem Land, darunter auch Gefährder und Straftäter.

Als wäre das nicht genug, wollen Sie nun auch noch die Axt an unser bewährtes Staatsangehörigkeitsrecht legen.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ooooh!)

Danach soll der Doppelpass nicht länger die Ausnahme bleiben, sondern zur Regel werden. Wir sind fest überzeugt: Das ist ein fataler Irrweg, und das ist sozialer Sprengstoff für unser Land.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie haben nicht zugehört! – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Meinung mehr! Das ist Menschenfeindlichkeit!)

Für uns als Union ist klar: Wer sich hier gut integriert hat, wer die deutsche Sprache erlernt hat und die nötige Wartezeit erfüllt hat, der kann die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen. Dabei sollte es auch weiterhin bleiben. Wir freuen uns über jeden, der sich zu unserem Land bekennt und das mit einer Einbürgerung auch besiegeln will.

(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur kommt bald keiner mehr!)

Für uns ist aber auch klar, meine Damen und Herren: Der deutsche Pass ist mehr als ein Stück Papier. Er steht am Ende und nicht am Anfang der Integration.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Staatsbürgerliche Loyalität kann man nicht einfach aufteilen zwischen zwei Ländern. In guten Zeiten mag das kein Problem sein.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In schweren Zeiten kann es aber zu einer ganz erheblichen Belastung für unsere Gesellschaft werden.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union hat die Zeitmaschine erfunden! Die geht aber immer nur nach hinten!)

Wir haben eben schon über den Konflikt im Bereich des Wehrdienstes gesprochen. Aber so weit müssen wir ja gar nicht gehen: Denken wir zurück an die großangelegten türkischen Demonstrationen zur Unterstützung des türkischen Präsidenten Erdogan in Köln und anderen deutschen Städten.

(Zurufe von der SPD)

Da waren Menschen auf den Straßen, die sprichwörtlich mit der einen Hand ihren deutschen Pass hochgehalten haben,

(Sanae Abdi [SPD]: Und was ist mit denen da drüben? – Janine Wissler [DIE LINKE]: Was ist mit Naziaufmärschen?)

um sich auf die Versammlungsfreiheit – ein Grundrecht, das erst einmal nur für Deutsche gilt – zu berufen, und mit der anderen Hand türkische Fahnen geschwenkt und für das Regime von Erdogan geworben haben, ein Regime, das all diese Rechte, die wir hier haben, ignoriert und mit Füßen tritt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es verwundert deshalb nicht, dass die ganz überragende Mehrheit der Deutschen diese Doppelpasspläne ablehnt.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Applaus von rechts ist Ihnen garantiert! – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn eigentlich mit dem Ton in der Debatte, Herr Frei?)

Aber es macht auch deutlich: Ihre Pläne vom Doppelpass sind falsch, gefährlich, und sie müssen dringend gestoppt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darüber hinaus hat die Bundesregierung vor, die Aufenthaltsdauer in Deutschland bis zur Einbürgerung drastisch zu verkürzen. Wir sehen nicht, warum es einer solchen Änderung bedarf.

(Zuruf der Abg. Gülistan Yüksel [SPD])

Handlungsbedarf gibt es gleichwohl, und zwar nicht in der Gesetzgebung, sondern im Verwaltungshandeln vor Ort.

(Janine Wissler [DIE LINKE]: Allerdings! Vor allem Regierungspräsidium Darmstadt!)

Deshalb wäre es gut gewesen – Herr Nouripour, ich spreche Sie mal als Frankfurter Abgeordneten an –, wenn Sie als Verantwortliche der Ampelkoalition vor diesen vollmundigen Ankündigungen, die wir hier hören, mit Ihren kommunalen Vertretern vor Ort gesprochen hätten.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Das machen sie ja nie!)

In Frankfurt, der größten Stadt meines Heimatbundeslandes Hessen, der fünftgrößten Stadt in Deutschland, regieren seit September SPD, Grüne und FDP. Gestern war in der „Frankfurter Neue Presse“ zu lesen, dass in der dortigen Ausländerbehörde seit etlichen Monaten sage und schreibe 15 000 schriftliche Anfragen einfach unbeantwortet geblieben sind.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! – Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Seit Monaten, teilweise seit Jahren, warten mehrere Tausend tüchtige Menschen darauf, dass die Verlängerung ihres Visums oder ihrer Arbeitserlaubnis vorgenommen wird.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wer war letztes Jahr noch Ordnungsdezernent?)

Eine große deutsche Bank hat letzte Woche einen hochrangigen Mitarbeiter freistellen müssen, da trotz zahlreicher Nachfragen keine Entscheidung der Frankfurter Ausländerbehörde erfolgte.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Geschwindigkeit, mit der Sie sich aus der Verantwortung stehlen: Lichtgeschwindigkeit!)

Daraufhin hat die Bank Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die gesamte Ausländerbehörde eingelegt – ein bis dahin wohl einmaliger Vorgang. Das sind Vorgänge, die in Ihrer Verantwortung in Frankfurt – Ampel – stattfinden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und ich frage mich schon: Was muss in diesen vielen Tausend Menschen vorgehen, die in Frankfurt darauf warten, dass sie endlich einen Termin bei ihrer Ausländerbehörde bekommen, die seit Monaten, teilweise seit Jahren darauf warten, und jetzt, Herr Nouripour, von Ihnen hier hören müssen, dass Sie die Wartezeit gesetzlich verkürzen wollen?

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und wer war letztes Jahr noch Ordnungsdezernent? Sagen Sie es doch! – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann lassen Sie uns die doch einbürgern!)

Das muss doch wie blanker Hohn klingen für diese Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist einfach die Politik des CDU-Ordnungsdezernenten, der letztes Jahr noch im Amt war! Gott, sind Sie verblendet! Das tut ja so weh!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. – Wir kennen bislang nur die Eckpunkte dieses Gesetzes.

Herr Kollege.

Aber die genügen schon, um zu erkennen, dass das in die völlig falsche Richtung geht. Die Pläne sind spalterisch, gefährlich für unseren gesellschaftlichen Zusammenhang.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, Sie sollten zum Schluss gekommen sein.

Sie sollten davon Abstand nehmen. Noch ist es nicht zu spät.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf: Spalter!)

Vielleicht noch mal zur Erklärung: Kurzinterventionen gibt es bei einer Aktuellen Stunde nicht. – Das Wort hat der Kollege Hakan Demir für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548955
Wahlperiode 20
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Pläne der Bundesregierung zur schnelleren Einbürgerung
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