Dirk WieseSPD - Aktuelle Stunde - Pläne der Bundesregierung zur schnelleren Einbürgerung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Rede am Schluss dieser Debatte gibt mir die gute Möglichkeit, noch einmal zusammenzufassen. Ich glaube, wir haben hier heute zwei klare Alternativen gesehen: Wir haben eine Ampelkoalition, die Fortschritt für dieses Land will, die dieses Land voranbringen will, die gerade im Bereich der Einwanderungspolitik die Fenster aufmachen und frischen Wind hereinlassen will, die Lebensrealitäten anerkennen will. Und wir haben eine CDU/CSU-Fraktion, die mit Friedrich Merz zurück in die 50er-Jahre will.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das ist die klare Alternative, die sich hier heute in dieser Debatte gezeigt hat.
(Zuruf der Abg. Nina Warken [CDU/CSU])
Wenn ich mir die Debatte von Beginn des letzten Wochenendes bis jetzt vor Augen führe, muss ich schon sagen: Die Union hat gemerkt, dass sie möglicherweise ein Thema erkannt hat; sie wollte polemisieren, sie wollte dieses Thema nutzen,
(Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
vielleicht zum parteipolitischen Vorteil. Und was passiert in dieser Woche? Innerhalb der Union wird diskutiert. 26 oder 24 Kolleginnen und Kollegen der Union sagen beim Chancen-Aufenthaltsrecht: Na ja, das, was die Ampel da vorschlägt, ist doch gar keine so schlechte Idee.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Kann so schlecht nicht sein!)
Wir schreiben mal in einem offenen Brief: Das ist gut. Zustimmen wollen wir noch nicht; aber wir enthalten uns. – Das ist ja auch schon ein Zeichen an sich. Das ist der eine Punkt.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Guter Mann, der Herr Laschet!)
Dann hält Stefan Heck gerade hier am Pult eine Rede, die ich, lieber Kollege Heck, vorsichtig formuliert, für etwas fragwürdig halte. In dem Moment, wo Sie diese Rede hier halten, äußert sich der hessische Ministerpräsident auf dem Ticker. Der hessische Ministerpräsident kritisiert die eigene Partei für beleidigende und verunglimpfende Rhetorik und ruft seine eigene Partei zur Mäßigung auf.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Stefan Heck: nichts davon mitbekommen am heutigen Tag.
Sehen wir die Debatte einmal so: Die Union verlangt diese Aktuelle Stunde und möchte damit natürlich auch die Ampelkoalition vorführen. Das gibt es manchmal im politischen Berlin, ist aber, um es vorsichtig auszudrücken, etwas schiefgegangen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Friedrich Merz erkennt dies selber und hat vor ungefähr einer halben Stunde die Debatte verlassen. Das ist die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im 21. Jahrhundert.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Jetzt will ich mal ein paar Punkte ansprechen. Ich meine, das muss man sich mal vor Augen führen: Da wird jahrelang darüber geredet, dass es innerhalb der CDU/CSU einen Andenpakt gibt. Ich habe gesehen, dass da viele ältere Herrschaften der Union drin sind; ich habe gedacht: Den gibt es gar nicht mehr. – Diese Woche erwacht der Andenpakt wieder zum Leben. Und wenn Sie die Woche richtig gut abschließen wollen, dann benennen Sie Roland Koch wahrscheinlich noch zum Migrationsbeauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Jetzt will ich mal auf die Punkte eingehen, worüber wir reden. Wir reden über migrationspolitische Vorhaben der Ampel, die Lebensrealitäten in diesem Land anzuerkennen. Ich sage das auch mal ganz deutlich: Da sind wir weiter als Sie – und übrigens auch hier im Deutschen Bundestag. Es gibt so viele tolle Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionen hier, die die doppelte Staatsbürgerschaft haben, die bereichernd sind für dieses Land.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Manche sogar aus Bayern!)
Und das gibt es auch draußen in den Wahlkreisen.
Wir brauchen doch auch gerade Fachkräfte; wir brauchen Arbeitskräfte.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das haben Sie schon vorher versprochen!)
Wir brauchen Zuwanderung. Das ist doch das, was uns die Wirtschaftsunternehmen immer wieder sagen. Ihre Rhetorik, die Sie über Jahre genutzt haben, hat mit dazu geführt, dass Fachkräfte um die Bundesrepublik Deutschland einen Bogen machen.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist so!)
Wir sind unattraktiv für Fachkräfte.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Da nützt Einbürgerung gar nichts!)
Ich sage Ihnen auch mal, woran das liegt. Das liegt an einem Jürgen Rüttgers. „ Kinder statt Inder“: Formulierungen wie diese sind bei Ihnen aktuell wieder auf der Tagesordnung. Ganz zu schweigen – es ist angesprochen worden – von der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft in Hessen! Und mich würde es nicht überraschen, wenn irgendeiner aus Ihren Reihen jetzt auch hier wieder auf die Idee kommen würde, das voranzubringen.
Ich sage das mal ganz deutlich: Das, was wir vorhaben, eine Fachkräfteeinwanderungsstrategie, die wir gestern vorgelegt haben, ist gut und richtig,
(Detlef Seif [CDU/CSU]: Strategie sogar! Wow! – Kay Gottschalk [AfD]: Unsinn!)
und wir brauchen das auch. Die Fachkräftezuwanderung muss geregelt werden. Das, was wir bisher haben, reicht jedenfalls nicht aus, um die Fachkräfte- und die Arbeitskräftelücke bei uns im Land zu schließen. Das werden wir auf den Weg bringen.
Genauso gut werden wir morgen das Chancen-Aufenthaltsrecht auf den Weg bringen. Es kann doch nicht sein, dass Menschen, die jahrelang bei uns sind, hier einen Duldungsstatus haben, oftmals direkt von ihrem Arbeitsplatz aus abgeschoben werden; die Kinder werden aus der Schule geholt. Diesen Menschen müssen wir doch eine Perspektive geben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dass wir ihnen diese Perspektive morgen mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht ermöglichen, ist richtig und eine gute Entscheidung dieser Ampelkoalition.
Damit komme ich noch mal zur Staatsbürgerschaft. Kollege Kuhle, ich habe diese Woche ein Interview im Deutschlandfunk gehört und war ein bisschen erstaunt, wer da redet.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Das war gut!)
Es war der Kollege Dürr, und ich bin froh, dass wir heute die Kurve gekriegt haben.
(Dr. Stefan Heck [CDU/CSU]: Ui, ui, ui!)
Zu dem Staatsbürgerschaftsrecht will ich mal sagen: Dass wir die Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft möglich machen und auch die Lebensleistung der Gastarbeitergeneration, die dieses Land mit aufgebaut hat, anerkennen, ist doch richtig. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist auch schon Alltag in vielen Ländern Europas und bei vielen Menschen bei uns im Land. Darum werden wir das gemeinsam voranbringen.
Wir als Ampelkoalition wollen Fortschritt in diesem Land. Das werden wir schaffen, das werden wir umsetzen, und das tut der Bundesrepublik Deutschland im 21. Jahrhundert gut.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548960 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 73 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Pläne der Bundesregierung zur schnelleren Einbürgerung |