01.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 13

Axel KnoerigCDU/CSU - EU-Umwandlungsrichtlinie Arbeitnehmermitbestimmung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hunderttausenden von Beschäftigten in Deutschland wird die Mitbestimmung, wie sie eigentlich angedacht ist, vorenthalten. Es gibt, und das hat gerade der Kollege auch angesprochen, über 60 große Unternehmen hierzulande, in deren Aufsichtsräten die Arbeitnehmer nicht ausreichend vertreten sind.

Grund dafür sind die grenzüberschreitenden Umwandlungen von Kapitalgesellschaften. Das bedeutet, dass Kapitalgesellschaften ihre Rechtsformen ändern, zum Beispiel von einer Gesellschaft nach französischem Recht in eine Gesellschaft nach deutschem Recht. Um hier die Mitbestimmung zu sichern, haben wir schon in der letzten Wahlperiode diese EU-Richtlinie mit auf den Weg gebracht, und die unionsgeführte Bundesregierung hat bereits 2019 die Grundlagen für dieses neue Gesetz beschlossen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht nur, weil wir damit begonnen haben, sondern auch, weil es eine gute Sache ist, stimmen wir dem Entwurf heute zu.

(Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Das glaube ich nicht! – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Damit wird die EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Es wird ein einheitlicher Rahmen für Verschmelzung und Spaltung von Gesellschaften auf dem EU-Binnenmarkt geschaffen. So werden auch die Mitbestimmungsrechte geschützt, wenn ein ausländisches Unternehmen durch Umwandlung den Sitz nach Deutschland verlegt.

Experten haben bestätigt, dass das Gesetz mehr Rechtssicherheit schafft, und insbesondere die sogenannte Verhandlungslösung gelobt. Danach verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab bestimmten Mitarbeiterzahlen in einem Gremium gemeinsam über die Mitbestimmung. Damit sichert das Gesetz das bestehende Mitbestimmungsniveau in Deutschland ab, und im europäischen Vergleich liegt das bei uns ganz hoch.

Wir blicken somit auf eine erfolgreiche Tradition zurück, was die Mitbestimmung angeht. Mit dem gemeinsamen europäischen Binnenmarkt haben wir uns auch für Partner geöffnet, bei denen eine solche Tradition nicht gelebt wird. Daher ist das Gesetz ein wichtiger Baustein. Aber es gibt noch mehr zu tun. So müssen an anderen Stellen schlichtweg Schlupflöcher geschlossen werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt insbesondere für die Rechtsform der Europäischen Gesellschaften. Hier haben vier von fünf Unternehmen mit über 2 000 Mitarbeitern keine paritätische Mitbestimmung.

Darauf weisen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Ampel, hin. Sie haben es gerade auch erwähnt: Im Koalitionsvertrag steht, Sie wollen die vollständige Vermeidung von Mitbestimmung bei den Europäischen Gesellschaften unterbinden. – Auch das ist ein richtiges Ziel. Es muss aber handwerklich ordentlich gemacht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, faire Mitbestimmung, selbstbewusste Betriebsräte und eine hohe Tarifbindung, das sind die Kernelemente der sozialen Marktwirtschaft. Wir müssen jetzt Konzepte für die Zukunft weiterentwickeln, und mit Blick auf die Mitbestimmung müssen wir uns fragen: Wie erreichen wir es, dass noch mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter auf Augenhöhe beteiligen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dabei ist deutlich zu machen: Mitbestimmung ist nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber eine Bereicherung.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Jawohl!)

In den letzten zwei Jahren hat sich dies besonders gezeigt: Unternehmen mit starker betrieblicher Mitbestimmung sind weitaus besser durch die Pandemie gekommen. Sie konnten sich viel, viel schneller an Situationen anpassen, weil die Belegschaft schlichtweg gut mitgezogen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das belegen auch etliche Studien.

Insbesondere zum Thema Homeoffice sage ich: Viele Unternehmen haben mit ihren Betriebsräten gute Lösungen entwickelt. Das macht deutlich: Die Sozialpartner sind gut darin, gemeinsam den betrieblichen Alltag zu regeln. Es reicht, wenn der Staat den Rahmen vorgibt. Es bedarf keiner weiteren Eingriffe. Tatsächlich würde man so die Sozialpartnerschaft nur schwächen; denn je mehr der Staat vorgibt, desto weniger Gestaltungsspielraum haben die Sozialpartner. Kanzler Scholz hat es kürzlich selbst gesagt: Die Betriebsräte wissen oft am besten, was vor Ort funktioniert und was den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Arbeitsplatz wirklich hilft. – Wahre Worte, aber warum hören Sie nicht auf ihn? Damit Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, überall Vorschriften machen, so wie Sie sie beim Homeoffice in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben?

Sie unterstellen immer gleich negative Absichten. So wollen Sie zum Beispiel mit der Stärkung der Mitbestimmung auch neue, sogenannte Offizialdelikte einführen. Damit werden Verstöße direkt von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Da muss ich schon sagen: Das ist wirklich ein scharfes Schwert. Auch bei diesem Gesetz fällt auf, wie oft das Wort „Missbrauch“ verwendet wird. Dabei ist es doch gar nicht nötig, so scharf zu formulieren. Ich meine, dass die Regelungen, die dahinterstehen, an sich gut sind.

Nicht immer steckt die Absicht dahinter, die Mitbestimmung zu umgehen, wenn ein Unternehmen eine Umwandlung vornimmt. Nicht immer liegt Missbrauch vor, wenn nach einer solchen Umwandlung das Personal aufgestockt wird. Es ist klar: Es gibt schwarze Schafe. Aber wir müssen deutlich positiver über Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft sprechen; denn das sind die Stärken des Standortes Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Signal an jede Kapitalgesellschaft und an jede europäische Gesellschaft, die sich bei uns niederlassen will, muss sein: Wer hierher kommt, hat seine Mitarbeiter angemessen zu beteiligen. Das liegt auch im eigenen Interesse.

Mein Appell an Sie, lieber Herr Minister Heil – in Gedanken sind Sie bei uns –: Unterstellen Sie den Unternehmern nicht immer gleich Missbrauch, haben Sie mehr Vertrauen in die bewährte Sozialpartnerschaft!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Beate Müller-Gemmeke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548989
Wahlperiode 20
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt EU-Umwandlungsrichtlinie Arbeitnehmermitbestimmung
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