Jan DierenSPD - EU-Umwandlungsrichtlinie Arbeitnehmermitbestimmung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete in den demokratischen Fraktionen! Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Unternehmen! Wir schauen in diesen Tagen zu Recht genauer hin, wenn Menschen anderswo nicht frei über sich und ihr Leben bestimmen können, wenn im Iran nicht die Menschen selbst, sondern die Mullahs entscheiden, wer wen lieben und wie Frauen das Haus verlassen dürfen, wenn Migrantinnen und Migranten in Katar unter unfreien und unmenschlichen Bedingungen arbeiten müssen, wenn in Russland Demonstrantinnen und Demonstranten drangsaliert und eingesperrt werden. Demokratie heißt, dass gesellschaftliche Entscheidungen von den Menschen selbst und nicht über ihre Köpfe hinweg getroffen werden. An diesem Maßstab messen wir, was in der Welt passiert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜrNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Es lohnt sich, diesen Maßstab auch hier in Deutschland anzulegen, zum Beispiel, wenn Beschäftigten in deutschen Unternehmen ihr demokratisches Recht auf Mitbestimmung verwehrt wird, wenn bei einem großen deutschen Supermarkt die Gründung des Betriebsrats wegen Tumulten abgebrochen werden muss, wenn sich ein Unternehmen künstlich aufteilt, um die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat zu umgehen, wenn Kolleginnen und Kollegen in einem Betrieb damit abgespeist werden, sie sollten sich, statt einen Betriebsrat zu gründen, mit ihren Problemen lieber vertrauensvoll an die Unternehmensleitung wenden. Es ist gerade einmal drei Wochen her, da hat mir ein Betriebsleiter hier in Berlin erzählt, dass er grundsätzlich gar nichts gegen die Mitbestimmung habe. Nur, der Betriebsrat, den er jetzt habe, der sei erstens ständig anderer Meinung und sorge zweitens auch noch für Unruhe im Betrieb. So was könne er nicht gebrauchen.
Was zeigt uns das? Die Mitbestimmung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist kein Geschenk, keine Gabe, die die Unternehmensleitung den Beschäftigten gewährt, weil sie sich ordentlich verhalten. Die Mitbestimmung ist ein demokratisches Recht, das arbeitende Menschen hart erkämpfen mussten.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Sie ist ein demokratisches Recht, für das Menschen auf die Straßen gegangen sind, für das Menschen ihr Leben gelassen haben. Die Mitbestimmung ist ein demokratisches Recht, für das wir auch heute immer und immer wieder kämpfen müssen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gerade deswegen ist die Mitbestimmung das Mindeste, was die Beschäftigten erwarten können.
Mitbestimmung heißt, dass die Entscheidungen in den Betrieben und Unternehmen nicht über die Köpfe derjenigen hinweg getroffen werden, die dort arbeiten. Mitbestimmung heißt, dass diejenigen, die Tag für Tag – in den Betrieben und Unternehmen und damit in unserer Gesellschaft – den Laden am Laufen halten, ein Wörtchen dabei mitzureden haben, wie die Dinge hier laufen.
Deshalb haben sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag bei der Mitbestimmung auf drei Punkte verständigt: Erstens geht es darum, Angriffe auf die Mitbestimmung und die Umgehung der Mitbestimmung zu bekämpfen, zweitens, den Mitbestimmungsrechten ein Update zu geben – insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung und den Wandel der Arbeitswelt – und drittens, die Mitbestimmung auch inhaltlich weiterzuentwickeln.
Dem ersten Ziel dient dieses Gesetz, über das wir hier gerade sprechen. Wir setzen damit eine Richtlinie der Europäischen Union um, die es Unternehmen erschweren soll, unterschiedliche Gesetze in den europäischen Ländern auszunutzen, um Mitbestimmung zu umgehen. Genau genommen sind es zwei Gesetze: Ein Gesetz für den Fall, dass Unternehmen sich aus einer deutschen in eine ausländische Rechtsform herausverwandeln, und ein Gesetz für die, die sich in eine deutsche Unternehmensform hineinverwandeln. Ob rein oder raus: In beiden Gesetzen geht es uns darum, das demokratische Recht der Beschäftigten zu wahren, in ihren Unternehmen mitzubestimmen. Denn das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Voraussetzung dafür, dass nicht über den Kopf der Kolleginnen und Kollegen hinweg entschieden wird. Das ist die Grundlage, damit die Menschen, damit wir darüber entscheiden, wie der Laden läuft. Genau daran werden wir weiter arbeiten. Stimmen Sie deshalb unserem Gesetzentwurf zu!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Für die Unionsfraktion hat das Wort Peter Aumer.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7548994 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 73 |
Tagesordnungspunkt | EU-Umwandlungsrichtlinie Arbeitnehmermitbestimmung |