02.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 74 / Tagesordnungspunkt 31

Kaweh MansooriSPD - Planungs- und Genehmigungsverfahren an Brücken und Fernstraßen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauende! Der heutige Gesetzentwurf der Union ist ein guter Anlass, um festzuhalten, was die Regierungskoalition im ersten Jahr für die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren auf den Weg gebracht hat. Ich halte fest: Es ist mehr als das, was die Union in zwölf Jahren Verkehrsministerium geschafft hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum machen wir das? Weil die Modernisierung unseres Landes keinen Aufschub duldet, weil es um den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen geht, weil es um die Sicherheit der Energieversorgung geht und weil wir das nur schaffen werden, wenn wir neue Technologien und eine moderne Infrastruktur hinbekommen. Deswegen handelt die Koalition ab dem ersten Tag der Regierungsübernahme. Umfangreiche Pakete haben den Bundestag bereits passiert oder sind im Geschäftsgang. Das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Das ist aber wenig Applaus!)

Viele Menschen in unserem Land sind frustriert von ewigen und kostspieligen Baustellen, von fehlender Digitalisierung auf dem Bürgeramt, von verspäteten und überteuerten Zügen, vom fehlenden Mobilfunknetz und schlechtem Internet.

(Beifall der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Beschleunigung von Planungs-, Genehmigungs- und Gerichtsverfahren ist deswegen kein Selbstzweck, sondern die Antwort auf die Probleme der Menschen in dieser Republik.

Im Frühjahr haben wir uns um die massive Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien gekümmert. Dazu gehört die Festschreibung der erneuerbaren Energien und des Netzausbaus als überragendes öffentliches Interesse sowie die Einführung verbindlicher Flächenziele für Windkraft an Land. Schluss gemacht hingegen haben wir mit der 10‑H-Abstandsregel; das ist sozusagen ihr bayerisches Herzensanliegen.

Im weiteren Verlauf des Jahres haben wir auch Anpassungen beim Artenschutz vorgenommen, nicht durch Absenkung des Schutzes, wie die Kollegin ausgeführt hat, sondern durch Standardisierung. Das ist ein gelungener Ausgleich von Arten- und Klimaschutz. Lassen Sie uns mehr Pragmatismus wagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir beenden mit einer weiteren Gesetzesinitiative die unnötigen Doppelprüfungen zwischen sich überschneidenden Planungsverfahren. Ebenso haben wir die in der Pandemie bewährte digitale Bürgerbeteiligung verlängert.

Als in diesem Jahr letzter Baustein unserer Beschleunigungspakete hat das Kabinett am Mittwoch einen Beschluss zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und weiterer Gesetze gefasst. Hiermit soll im gerichtlichen Verfahren großen Infrastrukturprojekten Vorfahrt gegeben werden. Behörden werden Fristen zur Klageerwiderung gesetzt. Nicht jeder formelle Fehler behindert im vorbeugenden Rechtsschutz. Eine schnelle gerichtliche Konfliktbeilegung wird damit gestärkt. Das ist eine gute Nachricht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber bei den bisher aufgezählten Maßnahmen kann und wird es nicht bleiben. Neben weiteren Beschleunigungspaketen, zum Beispiel im Bereich Verkehr, brauchen wir mehr Personal, eine flexible Behördeninfrastruktur und die vollständige Digitalisierung des Antragswesens; denn die Beschleunigung beginnt beim Kampf gegen Leitz-Ordner und Aktenberge.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung für Brücken verkennen hingegen europarechtliche Hürden; denn die Ausnahmen von der UVP-Pflicht werden sehr streng und restriktiv ausgelegt. Dazu gehören meistens Katastrophenfälle wie zum Beispiel die Möglichkeit einer Energiemangellage. Beschleunigung darf für die Politik jedoch niemals bedeuten, rechtswidrige Entscheidungen zu produzieren; denn das wäre das Modell Scheuer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich stimme der Union allerdings zu: Nicht jede Maßnahme an einer Brücke braucht unbedingt eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

(Christian Hirte [CDU/CSU]: Aha!)

Wir müssten dann als Gesetzgeber allerdings schon regeln, wo die Grenze zwischen Bau, Erneuerung und Verbesserung verläuft, wann wir eine Prüfung brauchen und wann nicht. Sie schlawinern um dieses Thema herum, indem sie es mit einer Verordnungsermächtigung regeln wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe meine Zweifel, ob das nach einem Verkehrsminister Andi Scheuer eine gute Idee ist.

In letzter Zeit hat Kollege Ploß ebenfalls kritisiert, dass die Ampel eher am Verbandsklagerecht festhalte als an der Planungsbeschleunigung. Seine Lösung lautet, das Verbandsklagerecht einzuschränken. Auch dieser Vorschlag – das wissen Sie – ist europarechtswidrig. Die Urteile des EuGH aus dem Jahr 2015 haben Sie sicherlich, wenn Sie ehrlich sind, zur Kenntnis genommen.

Wir als Koalition versuchen – und das sollten Sie zur Kenntnis nehmen –, eine europarechtskonforme Lösung zu finden. Das Justizministerium schlägt vor: Wer innerhalb gerichtlicher Frist im Prozess ein Argument nicht einbringt, ist damit im weiteren Verlauf ausgeschlossen. Das ist ein pragmatischer europarechtskonformer Weg. Es finden sich weitere Vorschläge auch im Bund-Länder-Papier.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Es ist gut, dass wir in den Zielen übereinstimmen. Die Ampel bringt ein Gesetz nach dem anderen ein, um Planungsverfahren zu beschleunigen. Sie hingegen beschleunigen nur das Tempo halbgarer Vorschläge.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für die AfD hat René Bochmann das Wort.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549155
Wahlperiode 20
Sitzung 74
Tagesordnungspunkt Planungs- und Genehmigungsverfahren an Brücken und Fernstraßen
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