Zanda MartensSPD - Planungs- und Genehmigungsverfahren an Brücken und Fernstraßen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Es ist interessant, über einen Gesetzentwurf der Union zu sprechen, der sich mit Geschwindigkeit befasst. Leider sind Sie bei Ihrem Gesetzentwurf mit hoher Geschwindigkeit bereits aus der ersten Kurve geflogen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In wesentlichen Teilen haben Sie bei genauem Hinsehen nämlich nichts anderes getan, als das von uns verabschiedete LNG-Beschleunigungsgesetz zu kopieren.
(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)
Aber Sie haben es offensichtlich versäumt, sich die wesentlichen Unterschiede zwischen kritischer Energieinfrastruktur und einer Autobahnbrücke klarzumachen.
(Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Die LNG-Terminals braucht nämlich keiner!)
Zunächst ist zu begrüßen, dass Sie in § 3 Ihres Gesetzentwurfs eine Änderung des Fernstraßenbaugesetzes anregen, die einen Instandhaltungsplan schaffen soll. Bedauerlich ist nur, dass Ihnen dieser zwingende Gedanke nicht bereits in der letzten Dekade gekommen ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Florian Müller [CDU/CSU]: Wird es dadurch schlecht?)
Immerhin sind in den letzten 12 – nicht 16 – Jahren vier verschiedene Bundesminister einer christsozialen Regionalpartei im Verkehrsministerium verschlissen worden. Verwunderlich ist die Zielrichtung dieses Instandhaltungsplans. Hier schlagen Sie nämlich vor, dass die Sanierung der im Plan genannten Bauvorhaben teilweise oder ganz von der Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen werden soll.
(Florian Müller [CDU/CSU]: So ist es!)
Derartige Einschnitte sind im Fall von kritischer Energieinfrastruktur bedauerlich, aufgrund der wenigen Fälle aber vielleicht noch verkraftbar.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Also bei Autobahnen, genau!)
Im Fall von Bundesfernstraßen und Brücken kommt Ihr Vorschlag hingegen einer grundsätzlichen Schleifung der Umweltverträglichkeit gleich. Schlimmer noch: Mit Ihrer Gesetzeskopie navigieren Sie blind in den Geltungsbereich des Europarechts, und das auch noch wider besseres Wissen, oder?
(Florian Müller [CDU/CSU]: Man sollte schon genau lesen!)
Denn in der Begründung zum Gesetzentwurf erläutern Sie ausgiebig, dass gemäß EU-Recht und ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das Aussetzen von Umweltverträglichkeitsprüfungen für den Bau und in weiten Teilen auch für die Instandhaltung von Bundesfernstraßen und notwendigen Brücken nicht möglich ist.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Hätte man mal weiterlesen müssen!)
Man hätte doch annehmen können, dass die Union gerade im verkehrspolitischen Bereich ausreichend Erfahrung mit dem Europarecht gesammelt hat, Stichwort „Pkw-Maut“.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Insofern verwundert mich, dass Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erneut eine Klatsche vor dem Europäischen Gerichtshof riskieren.
Nicht verwundert mich hingegen, dass Sie Ihren fragwürdigen Umgang mit dem geltenden Recht gleich auch noch auf das Bundesnaturschutzgesetz übertragen.
(Lachen des Abg. Florian Müller [CDU/CSU])
So schlagen Sie vor, die Fristen zur Genehmigung und zum Umsetzungsbeginn von Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen auf insgesamt fünf Jahre auszudehnen.
(Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Auch das ist eine Kopie aus dem LNG-Beschleunigungsgesetz, was Sie immerhin in der Begründung kenntlich machen.
(Florian Müller [CDU/CSU]: So ist es!)
Wo sich aber der Anwendungsbereich des LNG-Gesetzes auf insgesamt vier Terminals beschränkt, umfasst der Anwendungsbereich Ihres Vorschlags Zigtausende Kilometer Bundesfernstraßen und Brücken
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und „vergleichbare Bauprojekte“ – Definition offen und Anzahl unbekannt. Was hier deutlich wird: Vier Terminals lassen sich keinesfalls mit dem gesamtdeutschen Bundesfernstraßennetz vergleichen, weder qualitativ noch quantitativ.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Richtig! Die Terminals braucht keiner!)
Selbiges gilt auch für Ihren Vorschlag, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beschneiden, und zwar dahin gehend, dass mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nicht mehr vornehmlich berücksichtigt werden sollen.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Das stimmt genau nicht!)
Es ist überraschend, dass die Union sich immer mehr nicht mehr als die Partei des Mittelstandes darstellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wie mein Vorredner Jürgen Berghahn erläutert hat, arbeiten die Bundesregierung und unsere Fraktionen gerade emsig an einem Gesetzesvorschlag zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. In der Beratung des Gesetzentwurfs freuen wir uns selbstredend auf Ihre konstruktive Zuarbeit.
Bis dahin, aber auch für die weitere Zukunft möchte ich Sie jedoch bitten: Sosehr Ihnen beim Schreiben Ihrer Vorlagen die Geschwindigkeit am Herzen liegen mag,
(Lachen des Abg. Florian Müller [CDU/CSU])
so sehr kann es doch lohnenswert sein, beim Abschreiben zumindest kurz über Fliehkraft und Kurvengeschwindigkeit und somit über den Inhalt zu reflektieren.
Gute Fahrt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Paul Ziemiak hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549162 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 74 |
Tagesordnungspunkt | Planungs- und Genehmigungsverfahren an Brücken und Fernstraßen |