02.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 74 / Tagesordnungspunkt 33

Takis Mehmet AliSPD - Barrierefreiheit und inklusiver Sozialraum

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Union trägt den Titel „Mehr Tempo für Barrierefreiheit und einen inklusiven Sozialraum“. Wenn man dann mal so den Antrag durchliest, erfährt man, bevor die ganze Aufzählung kommt, die Ampel sei schon seit einem Jahr dran und habe noch nicht geliefert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt ja auch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir waren schon sehr lange zusammen in einer Koalition. Da hätten wir 12 Jahre, 16 Jahre gemeinsam liefern können,

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Oh Gott, das hat so einen Bart! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Nicht schon wieder!)

und das ist von Ihnen geblockt worden. Ich glaube, die einzige Blockade in diesem Land ist die Unionsfraktion!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Zwölf Jahre SPD!)

– An uns ist es ja nicht gescheitert; an der Sozialdemokratie sind die ganzen Vorhaben nicht gescheitert. Unsere jetzigen Koalitionspartner, die FDP und die Grünen, haben zu Recht all das gefordert, was wir jetzt im Koalitionsvertrag verankert haben. Das ist möglich, weil wir jetzt eine progressive Regierung haben.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oah!)

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion zulassen?

Ja, hatte ich noch nie. Gerne. Auf den Kollegen kann man ja nicht sauer sein.

Na, ich weiß nicht. Das werden wir ja sehen. Ich könnte sauer sein, wenn er zu lange spricht.

Ich werde mich kurzfassen. – Sehr geehrter Kollege Mehmet Ali, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Da Sie jetzt auf die Regierungszeiten der letzten Wahlperioden zu sprechen kommen und Sie noch neu im Bundestag sind,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Der ist doch schon ein Jahr hier!)

will ich fragen, ob Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir gerade in der letzten Legislaturperiode – ich habe es eben in meiner Rede erwähnt – schon mehrere große Gesetzgebungsvorhaben auf den Weg gebracht haben. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz war ein Beispiel und das Behindertengleichstellungsgesetz das andere.

Der Hinweis sei mal erlaubt: In der letzten Legislaturperiode war das erste Gesetz, das wir im Ausschuss für Arbeit und Soziales hier im Deutschen Bundestag beschlossen haben, ein Gesetz, das gerade Menschen mit Behinderung betraf, und zwar ging es um die Barrierefreiheit von öffentlichen Stellen und Behörden. Das haben wir damals beschlossen. Das war das erste Gesetz, und es sind noch zwei große Gesetzesvorhaben gefolgt. Deswegen bitte ich Sie, das zur Kenntnis zu nehmen.

Herr Oellers, vielen Dank. – Das ist mir natürlich bewusst. Mir ist auch bewusst, dass wir es mit Ihnen geschafft haben, 2016 das großartige Bundesteilhabegesetz zu beschließen, das wirklich einen riesengroßen Schritt zu einer inklusiven Welt gebracht hat. Aber letztendlich kommen wir nur einen riesengroßen Schritt weiter, wenn wir dafür auch die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, und das ist mit Ihnen einfach nicht möglich gewesen.

(Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU]: SPD-Finanzminister!)

Das wird aber in dieser Koalition möglich sein, indem wir vieles, was wir im Bereich des inklusiven Wohnungsbaus und in der Mobilität vor uns haben, auch umsetzen werden. Ohne Geld geht da gar nichts. Das haben Sie auch blockiert; da ist nichts möglich gewesen. Das werden wir jetzt machen.

Im Übrigen: Wir haben jetzt die ersten Eckpunkte für die Bundesinitiative Barrierefreiheit zur Verfügung gestellt. Das ist ja nur der Anfang. Wir werden ein riesengroßes Bundesprogramm auflegen, nämlich für ein vollumfänglich und ganzheitlich barrierefreies Deutschland. Das war leider vorher mit Ihnen nicht möglich. Das muss man auch ganz klar sagen.

(Beifall bei der SPD)

Aber wenn ich weitermachen darf: Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben auch geschrieben, dass wir mehr Tempo im Wohnungsbau brauchen. Ich erinnere mich noch an 2009 – ich persönlich war damals erst 17, 18 Jahre alt –, als die UN-Behindertenkonvention ratifiziert wurde. Ich kann mich erinnern, dass es ein Bundesland unter CDU-Führung gab, Baden-Württemberg nämlich, das im selben Jahr der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention die Landesheimbauverordnung verabschiedet hat, den Bau von 24er-Wohnheimen. Während die UN-Behindertenrechtskonvention gefordert hat, dass mehr selbstbestimmtes Wohnen, dass mehr personenzentriertes Wohnen gefördert werden soll, machte Baden-Württemberg nichts anderes, als 24er-Wohnheime für Menschen mit Behinderung zu fördern und Mittel dafür zur Verfügung zu stellen und zudem noch Mittel der Ausgleichsabgabe, die für den inklusiven Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden sollten, für den Bau dieser 24er-Wohnheime zu verwenden.

Ich habe noch heute einen Leistungsbescheid von 2018 aus dem KVJS, der ausdrücklich ausweist, dass Mittel der Ausgleichsabgabe für 24er-Wohnheime verwendet werden. Und das werden wir verbieten, nämlich mit dem Antrag zur inklusiven Arbeitswelt, der Anfang nächsten Jahres hier beraten werden wird. Mit ihm werden wir verbieten, dass Mittel der Ausgleichsabgabe für solche 24er-Wohnheime genutzt werden können, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ergänzend noch: Tempo bei der barrierefreien Mobilität. – Zwölf Jahre unionsgeführtes Verkehrsministerium: Ramsauer, Dobrindt, Scheuer. Im Antrag fordern Sie eine vollumfängliche barrierefreie Mobilität. Ich frage mich aber auch hier, nachdem wir das auch gemeinsam in den letzten Jahren hätten machen können: Warum kommt das alles erst jetzt?

Herr Oellers, Sie wissen, ich mag Sie als Person. Sie sind ein kompetenter Kollege. Aber das hätten wir doch wirklich gemeinsam auch in der GroKo in den letzten Jahren machen können. Warum haben wir das nicht gemacht? Das ist für mich eine riesengroße Frage. Deshalb freue ich mich, dass wir das jetzt in der Ampel werden umsetzen können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss: Sie haben im 20. Punkt Ihres Antrags den § 78 Absatz 5 SGB IX erwähnt. Da geht es um das Ehrenamt und um die Assistenzleistungen.

(Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Jetzt bin ich aber gespannt!)

Das ist ein Problem, das tatsächlich auch ich sehe. Deshalb haben wir auch die Evaluation des Bundesteilhabegesetzes im Koalitionsvertrag verankert. Aber ich sage Ihnen eins: Wenn wir es schaffen, dass das Bundesteilhabegesetz in den Ländern so ausgeführt wird, wie wir das gemeinsam beschlossen haben, dann wird sich dieses Problem von selbst erledigen. Wir müssen es aber auch schaffen, dass jeder Mensch mit Behinderung zu seinem Recht kommt, so wie wir das im SGB IX verankert haben. Dann, glaube ich, können wir wirklich auch zu einer inklusiven Gemeinschaft kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich trotzdem auf die gemeinsame Zusammenarbeit, und ich freue mich insbesondere, wenn Sie zukünftig unseren Anträgen zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549186
Wahlperiode 20
Sitzung 74
Tagesordnungspunkt Barrierefreiheit und inklusiver Sozialraum
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