Christian DürrFDP - Regierungserklärung zum EU-ASEAN-Gipfel und EU-Rat
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir im Februar nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hier zu einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages zusammengekommen sind, haben wir uns gegenseitig versprochen, dazu beizutragen, dass die demokratische Welt in dieser schwierigen Zeit zusammensteht, dass die Europäische Union zusammensteht und dass die Demokratien der Welt die Ukraine unterstützen. Wir können jetzt, nach zehn fürchterlichen Monaten des Krieges – die Vorredner, bis auf den letzten, sind darauf eingegangen, welch fürchterliches Leid die Menschen in der Ukraine dieser Tage immer noch erfahren –, feststellen, dass die Demokratien der Welt zusammenstehen. Meine Damen und Herren, das ist ein ganz wichtiges Signal: Die Demokratien der Welt stehen gegen den russischen Aggressor zusammen. Das ist auch für die Menschen in der Ukraine ein ganz wichtiges Signal.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt tagt der EU-Rat. Herr Bundeskanzler, Sie sind heute auf dem Weg zum ASEAN-Gipfel; ich komme gleich noch einmal darauf zu sprechen. Insbesondere die Europäische Union spielt allein wegen der geografischen Nähe eine ganz wichtige geopolitische Rolle. Das, was dort ganz konkret besprochen wird – beispielsweise der Ölpreisdeckel, um die russischen Staatseinnahmen zu drosseln, oder die Ausweitung der personenbezogenen Sanktionen –, findet breite Unterstützung, die Sie von hier mit auf den Weg nehmen können. Gleichzeitig ist wichtig, was wir schon geleistet haben und weiter leisten werden. Ich denke an die finanziellen Hilfen für die Ukraine, die der Bundesfinanzminister im Rahmen der G 7 und der Europäischen Union zugesichert hat, oder an die Justizhilfen, die der Bundesjustizminister auch im Rahmen der G 7 und der Europäischen Union diskutiert hat und die Sie als Bundeskanzler im EU-Rat heute und in den nächsten Tagen besprechen werden.
Meine Damen und Herren, wir alle stehen, obgleich sich dieses Volk mitten im anhaltenden Krieg befindet, in dauerndem Austausch mit den Menschen und den Führungspersönlichkeiten in der Ukraine. Die Demokratien der Welt – Deutschland, die Europäische Union – senden jeden Tag das klare Signal an die Menschen in der Ukraine: Wir stehen an eurer Seite und unterstützen euch, wo immer es geht. Das ist ein ganz wichtiges Signal diese Woche, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
An der Stelle will ich auch ganz kurz auf die Europäische Union selbst zu sprechen kommen. Die Einführung des Rechtsstaatsmechanismus war ein ganz großer Schritt nach vorne. Denn ja, wir als Europäer müssen offen sagen, dass hier und da die Rechtsstaatlichkeit auch innerhalb der EU infrage gestellt wird. Ich will es in aller Klarheit unterstreichen: Herr Orban, die Finanzhilfen für die Ukraine sind keine Pokerchips in diesem Spiel.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])
Meine Damen und Herren, wir wollen auch Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU durchsetzen. Es geht um starke Demokraten, starke Rechtsstaatlichkeit innerhalb der Europäischen Union.
Dann müssen wir auch darüber diskutieren – der Oppositionsführer Friedrich Merz hat es angesprochen –, wie wir uns als viertgrößte Volkswirtschaft in der Welt aufstellen. Meine Damen und Herren, der Inflation Reduction Act der US-Regierung macht uns natürlich große Sorgen, keine Frage. Herr Merz, Sie haben hier ganz viele Fragen gestellt. Die Fragen bezüglich des Freihandels hat der Deutsche Bundestag in der letzten Sitzungswoche aber längst beantwortet:
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir wollen mit Südamerika, mit Mercosur, mit Chile, mit Mexiko vorangehen, wir wollen einen Neustart des Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten.
(Zurufe der Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU] und Jens Spahn [CDU/CSU])
Herr Merz, ich weiß, da ist immer noch viel aufzuarbeiten, offensichtlich auch in Ihrer politischen Geschichte gegenüber der eigenen Partei und der eigenen Regierungsverantwortung. Das sind alles Punkte, Herr Merz, die unter einer unionsgeführten Bundesregierung nicht möglich waren. Wir sind eine Freihandelsnation innerhalb Europas, und wir wollen den Freihandel vorantreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Peinlich! Sie haben selber nichts zu sagen, und dann kommen Sie mit persönlichen Beleidigungen!)
An der Stelle will ich auch ansprechen – der Herr Bundeskanzler sprach darüber in Bezug auf den kommenden Samstag –, was wir in Deutschland als konkrete Antwort auf diesen Angriffskrieg, auf diese Krise gerade im Bereich der Energiepolitik leisten konnten. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland als langsam galt, als ein Land, das hundertmal nachgedacht hat, das über ein Jahrzehnt braucht, um einen Flughafen in seiner Hauptstadt zu bauen: Wer hätte uns denn ernsthaft zugetraut, dass wir innerhalb weniger Monate ein LNG-Terminal in Deutschland
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Alles schon fertig geplant!)
planen, genehmigen, bauen und am Samstag in Betrieb nehmen werden, meine Damen und Herren? Das ist die Beschleunigung, die Deutschland braucht. Das macht diese Koalition, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die Planung war doch schon fertig!)
Gleichzeitig schreiten wir bei den Modernisierungsprojekten weiter voran. Ich denke an die Digitalstrategie. Über Planungsbeschleunigung sprach ich gerade. Ich denke auch an die Sozialstaatsreform; das Bürgergeld wird zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Ich denke an Dinge wie die Absicherung der gesetzlichen Rentenversicherung über die Aktienrente und an eine BAföG-Reform. Über die Handelsagenda sprach ich gerade.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das mit der Aktienrente lassen Sie besser!)
Meine Damen und Herren, zu den Zukunftsprojekten dieser Koalition gehört auch, Deutschland endlich zu einem modernen Einwanderungsland zu machen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind weltoffen. Gleichzeitig machen wir das im besten Interesse unseres Landes und unserer Volkswirtschaft, liebe Kollegen. Diesen Fortschritt tragen wir nach Europa. Wir wollen gemeinsam mit unseren europäischen Partnern gerade in diesen harten geopolitischen Zeiten zusammenarbeiten.
Zu guter Letzt, Herr Merz, da ja viel Kritik – jedenfalls zu zwei Drittel Ihrer Rede – gegenüber dem Bundeskanzler und der Bundesregierung dabei war: Wenn ich mir die Zeitungsüberschriften der letzten Monate anschaue, dann sehe ich im April: „Bundeswehr: Merz droht mit Blockade des Milliardenpakets.“, im Oktober: „Streit um Bürgergeld – CDU droht mit Blockade.“, im November: Merz droht mit Blockade der Preisbremsen. – Das ist zurzeit keine konstruktive Oppositionspolitik.
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
Und ehrlicherweise ist es nicht einmal eine Politik der Alternativen zu der Politik dieser Bundesregierung.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Sprachbilder, die Sie gerade in Ihrer Rede genutzt haben, Herr Merz, die Sprachbilder von „Bob der Baumeister“ sind kein Beweis dafür, dass Sie es an irgendeiner Stelle besser könnten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ganz im Gegenteil!
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir dagegen handeln: Noch diese Woche setzen wir das Gesetz über die Strom- und Gaspreisbremse in Kraft, die zum 1. Januar nächsten Jahres gelten wird. Niemand in Deutschland wird allein gelassen, und natürlich wollen wir gemeinsam Deutschland stärker machen in der Zukunft.
Ich würde mir – und das zum Schluss als Weihnachtsgruß in Richtung der Union – eine Opposition wünschen, die nicht nur ganz laut fordert: „Preisdeckel bei Strom und Gas“ und dann über Monate im Deutschen Bundestag dagegen ist; eine Opposition, die nicht nur fordert: „Freihandel“ und dann die Bundesregierung fragt, warum sie keinen Freihandel macht, obwohl wir es beschlossen und erklärt haben.
(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Und was ist mit TTIP?)
Schauen Sie hin, was wir machen, und gehen Sie gemeinsam mit uns in ein gutes neues Jahr 2023.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Dr. Dietmar Bartsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549302 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 75 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum EU-ASEAN-Gipfel und EU-Rat |