Achim PostSPD - Regierungserklärung zum EU-ASEAN-Gipfel und EU-Rat
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man auf das Jahr 2022 zurückblickt, muss man, glaube ich, sagen: Es war und ist ein Jahr wie kaum ein anderes. Es ist ein Jahr, das durch Putins aggressiven Angriffskrieg wieder Krieg auf diesen Kontinent gebracht hat. Es ist ein Jahr, das vermeintliche Gewissheiten beschädigt oder sogar zerstört hat. Aber: Es ist auch ein Jahr, das uns in Deutschland und Europa angespornt hat, entschlossener und geschlossener zu handeln. Und es ist ein Jahr, das nachdrücklich und eindrücklich zeigt: Eine souveräne, soziale, starke Europäische Union ist unverzichtbar, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wenn ich zur Regierungsbank blicke und zum Bundeskanzler, kann ich für meine Fraktion, für die SPD-Bundestagsfraktion, gerade zum Ende dieses Jahres erklären: Wir bedanken uns für die Entschlossenheit und Besonnenheit der gesamten Bundesregierung und des Bundeskanzlers Olaf Scholz.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Diese Bundesregierung handelt in Deutschland mit dem „Sondervermögen Bundeswehr“, mit drei Entlastungspaketen, mit dem 200-Milliarden-Paket, das wir in dieser Woche beschließen werden zur Deckelung von explodierenden Energiepreisen. Diese Bundesregierung handelt in Europa, außenpolitisch, gegenüber Russland, mittlerweile mit neun Sanktionspaketen – Sanktionspakete, die es so noch nie gegeben hat in der Geschichte der Europäischen Union. Sie handelt gegenüber dem Iran mit einer Klarheit und Entschlossenheit, wie sie von Annalena Baerbock und vom Bundeskanzler vorgetragen wird, wie ich sie noch nie erlebt habe in den letzten 20 oder 30 Jahren, um das mal ganz klar zu sagen!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und sie handelt mit Blick auf die nächsten notwendigen Erweiterungsschritte fast 20 Jahre nach dem Gipfel in Kopenhagen, wo die bislang größte Erweiterung beschlossen wurde. Mit klaren Kriterien, wann man beitreten darf und wann nicht, haben wir uns jetzt, nachdem jahrelang nichts passiert ist, auf den Weg gemacht, unter der Führung dieses Bundeskanzlers die nächsten Schritte zur Erweiterung der Europäischen Union um den westlichen Balkan zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Diese Bundesregierung handelt auch sicherheitspolitisch und verteidigungspolitisch in einer Art und Weise, wie wir uns das wahrscheinlich alle vor zehn Monaten noch nicht vorstellen konnten: mit dem „Sondervermögen Bundeswehr“ und auch mit deutsch-französischen Projekten, die jahrelang in der Großen Koalition verhakt waren und wo nichts weiterging, als Sie die Verteidigungsminister gestellt haben,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
nämlich mit dem Waffensystem, dem neuen FCAS, ein deutsch-französisches Großprojekt für die nächsten Jahre und Jahrzehnte, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Wir handeln – das gehört nämlich dazu – auch entwicklungspolitisch, wir leisten humanitäre Hilfe. Das, was Deutschland in den letzten zehn Monaten für die Ukraine geleistet hat, ist wirklich vorbildlich, und es ist ganz billig, das eine oder andere herauszusuchen, was einem gerade nicht passt, lieber Kollege Merz.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Und wenn ich schon mal bei Ihnen bin: Das Einzige, was mich bei Ihren Reden immer irritiert, ist der Anfangsteil. Der Anfangsteil ist immer staatsmännisch, kooperativ. Es stellt sich am Schluss Ihrer Rede immer heraus: Das ist nur gespielt. Es reicht nur zum Reclam-Staatsmann, Herr Merz.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Es wird ja immer schöner! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist eine Beleidigung!)
Zu dem, was Sie, Herr Bartsch, angesprochen haben: Natürlich muss man auch bei einer solchen Regierungserklärung – an einem solchen Tag, vor zwei wichtigen Gipfeln – darüber reden, was in der Europäischen Union nicht klappt oder wo es Missstände gibt. Ich fange mal an. Es gibt keinen Skandal der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. Es gibt einen Skandal von einzelnen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament.
(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)
Das ist richtig, und das sprechen wir ganz offen an.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das macht es natürlich besser! Absurd!)
Ich hätte mich gefreut, wenn Sie das bei den Maskenskandalen und anderen Sachen genauso gemacht hätten.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das, was sich da zeigt, ist zweierlei: ein Abgrund an Habgier und ein Abgrund an Korruption. Aber es zeigt sich auch: innerhalb von fünf Tagen Ausschluss aus der Partei, Ausschluss aus der Fraktion und ein Beschluss des Europäischen Parlaments zur Absetzung als Vizepräsidentin.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Viel zu spät!)
Das ist schnelles Handeln. In fünf Tagen ist hier bei uns mehr passiert als bei anderen in fünf Jahren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Und es gibt noch etwas, worüber man reden muss; der Kollege Dürr hat das zu Recht angesprochen: Natürlich ist es in der Europäischen Union mit 27 Staaten nicht so, dass alle so sind wie wir oder alle so sind wie Frankreich oder alle so sind wie die Niederlande; nein. Das liegt in der Natur der Sache, wenn ich nach und nach versuche, die Europäische Union zu erweitern.
Es liegt nicht in der Natur der Sache, dass einige Länder meinen, sie müssten sich nicht an Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie und Pressefreiheit halten, zum Beispiel Ungarn. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es richtig, dass mit dem Vorgehen der Europäischen Union gegenüber Ungarn und Orban ein Meilenstein gesetzt wurde. Geld scheint doch eine wichtige Waffe zu sein, um solchen Leuten ans Leder zu gehen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Er ist jedenfalls kein Gewinner der letzten Woche. Er ist der große Verlierer in Europa. Der große Verlierer in Europa heißt Viktor Orban, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das hätten Sie gern! – Timon Gremmels [SPD]: Weiß das auch die CSU?)
Zusammengefasst: Wir haben für 2023, ausgehend von dem morgigen Gipfel, viel vor in Europa. Wir werden in der Wirtschafts- und Industriepolitik mit diesem Wirtschaftsminister die industriepolitische Agenda in Europa neu schreiben, wir werden bei den Beihilfen deutlich mehr machen als bisher, und wir werden auf der Höhe der Zeit sein,
(Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
wenn es darum geht, uns neu aufzustellen, was die Wirtschafts- und Industriepolitik in Europa angeht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der letzte Punkt: Ich bin sicher, dass der Fahrplan für einen realistischen Fortschritt in der Europäischen Union Schritt für Schritt umgesetzt wird, wie es der Bundeskanzler in Prag erklärt hat. Der erste Schritt dafür wird auf diesem Gipfel passieren, die nächsten werden folgen.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Alexander Dobrindt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549304 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 75 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum EU-ASEAN-Gipfel und EU-Rat |