14.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 75 / Zusatzpunkt 1

Marco Buschmann - Aktuelle Stunde - Bedrohung durch Netzwerke von Reichsbürgern und Rechtsextremisten

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Wenn die größte Sorge von Herrn Curio nach diesen Ereignissen den Umfragewerten seiner Partei gilt, zeigt er damit, wes Geistes Kind er ist. Ich muss sagen: Das ist ekelhaft.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Am 7. Dezember dieses Jahres hat einer der größten Antiterroreinsätze der letzten Jahre stattgefunden. Es handelte sich um Durchsuchungen und Festnahmen. Das fand in über 130 Objekten statt. Es waren etwa 3 000 Polizistinnen und Polizisten eingebunden. Die Ermittlungsmaßnahmen richteten sich gegen eine mutmaßliche terroristische Vereinigung. Diese terroristische Vereinigung hat nach Überzeugung des Generalbundesanwalts die dafür notwendigen arbeitsteiligen und hierarchischen Strukturen aufgebaut. Diese mutmaßliche terroristische Vereinigung verfolgte natürlich das Ziel der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Staates sowie des Grundgesetzes.

Dabei gab es auch Pläne zu bewaffneten Überfällen auf Verfassungsorgane. Und natürlich gab es auch Äußerungen – das war ja unter anderem die Begründung dafür, dass wir hier von einer mutmaßlichen terroristischen Vereinigung ausgehen können; die setzt nämlich die Anknüpfungsstraftaten von Mord und Totschlag voraus –,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

dass diese Leute mindestens billigend in Kauf genommen haben, dass im Falle von Widerstand durch Polizeibeamte diese Polizeibeamten auch getötet werden sollten. Das sind die Fakten, die der Generalbundesanwalt seinen Maßnahmen zugrunde gelegt hat, die ein Ermittlungsrichter geprüft hat, die ein Haftrichter geprüft hat und die jetzt die Grundlage auch eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens sein werden.

(Manuel Höferlin [FDP]: Genau!)

Wer diese Dinge abstreitet und ins Lächerliche zieht, hat einfach nicht verstanden, worum es hier geht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Einsatz hat gezeigt, dass dieser Staat nicht blind ist: nicht auf dem linken, nicht auf dem rechten Auge. Dieser Einsatz ist eine großartige logistische Leistung gewesen. Deshalb möchte ich dem Generalbundesanwalt, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser Stelle für die Leitung dieses Einsatzes danken. Dieser Einsatz zeigt: Diese Demokratie ist wehrhaft. Wir können stolz auf unsere Sicherheitsbehörden sein.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist ja im Zusammenhang mit diesem Einsatz gerade wieder, aber auch schon vorher versucht worden, ihn ins Lächerliche zu ziehen. Wir haben das bei Herrn Curio gerade erlebt. Wir haben das bei Frau Weidel erlebt, die von einem Rollator-Putsch sprach, und bei ihrem Kollegen Herrn Bystron, der von dem größten Machtmissbrauch in der Geschichte der Bundesrepublik sprach.

(Christian Dürr [FDP]: Unfassbar!)

Ich muss sagen: Das ist absurd und frei von jeder Sachkenntnis.

Ich will Ihnen mal berichten, welcher Gefahr sich unsere Polizistinnen und Polizisten aussetzen, wenn sie gegen radikalisierte Reichsbürger vorgehen, die Zugang zu Waffen haben. Ich will Ihnen die Geschichte von Dirk E. erzählen,

(Zuruf der Abg. Nicole Höchst [AfD])

der mit seinen Kolleginnen und Kollegen eines Sondereinsatzkommandos – an der Zahl 30 Leute – zu einem Objekt ging. Dort hatten sie es mit Wolfgang P. zu tun, einem radikalisierten Reichsbürger, der Zugang zu Waffen hatte. Das haben die Behörden erkannt, haben die Waffenerlaubnis natürlich widerrufen, die Waffenbesitzkarte eingezogen. Und weil er seine Waffen nicht aushändigte, sind die Polizisten des SEK nach Georgensgmünd gefahren, um Wolfgang P. zu entwaffnen, was übrigens zeigt, dass das heute auch möglich ist.

Als Dirk E. vor der Tür stand, hat Wolfgang P. das Feuer eröffnet; elf Schüsse hat er abgegeben.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das war aber nicht jetzt! – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD] gewandt: Hören Sie auf, Herr Baumann!)

Der Arm ist durchbohrt worden, eine Kugel ist in die Lunge eingedrungen, und dieser Polizist ist im Einsatz nicht nur verletzt worden, er ist wenige Stunden später im Alter von 32 Jahren gestorben. Das zeigt, welche Gefahr von radikalisierten Reichsbürgern ausgeht, die Zugang zu Waffen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE])

Wer das ins Lächerliche zieht, der versucht, die Gefahr kleinzureden,

(Jörg Schneider [AfD]: Das war ein Einzelfall, oder?)

der sich unsere Polizistinnen und Polizisten aussetzen, wenn sie in solche Einsätze gehen, und der zeigt in Wahrheit, dass ihm Leib und Leben unserer Polizistinnen und Polizisten egal sind. Dafür sollten Sie sich schämen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Schneider [AfD]: Was für ein Blödsinn!)

Deshalb will ich eines sagen, weil die Zahl von 3 000 Polizistinnen und Polizisten ins Lächerliche gezogen wird: Ich habe gerade davon gesprochen, dass sich Dirk E. und seine Kollegen mit einem Sondereinsatzkommando von 30 Leuten einem Objekt genähert haben. Wenn wir von über 130 Objekten ausgehen und von 3 000 Polizistinnen und Polizisten, dann haben wir im Durchschnitt etwa 20 Polizistinnen und Polizisten für jedes Objekt. Ich finde es richtig, dass die taktische Einsatzleitung darauf Wert legt, dass man sich auf solche eskalierenden Situationen vorbereitet, dass man in der Lage ist, die Situationen notfalls unter Kontrolle zu halten und die Kolleginnen und Kollegen, die unter Feuer stehen, auch zu schützen und zu retten. Das ist nicht lächerlich. Das ist die Fürsorgepflicht des Dienstherrn für seine Beamten.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt einen Punkt, den ich hier als Bundesjustizminister auch erwähnen will; das relativiert allerdings nicht die Gefährlichkeit. Es ist natürlich so, dass der Generalbundesanwalt diese Maßnahmen und die Informationen über diese Maßnahmen eingestuft hat. Der Generalbundesanwalt hat übrigens keine Pressearbeit gemacht. Wenn Sie das hier behaupten, weise ich das in aller Entschiedenheit zurück. Das hat er mir persönlich versichert.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das stimmt! – Gegenruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das wissen Sie doch gar nicht! Das weiß kein Mensch!)

Mein Ministerium hat dazu auch keine Öffentlichkeitsarbeit gemacht.

(Jörg Schneider [AfD]: Wer hat es denn gemacht? Haben Sie Ihren Laden nicht im Griff?)

Ich will an dieser Stelle sagen: Wenn Beamte eingestufte Informationen, die sie auf dem Dienstweg erreichen, an Unbefugte weitergeben, dann machen sie sich strafbar nach § 353b des Strafgesetzbuches. Und wenn Sie solche Anschuldigungen erheben, dann müssen Sie wissen, was Sie da tun. Wenn es dazu gekommen sein sollte, dann werden deutsche Staatsanwaltschaften dagegen vorgehen. Auch das gilt im Rechtsstaat, meine Damen und Herren. Das mindert aber in keiner Weise die Gefährlichkeit und die Bedeutung dieses Einsatzes.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich will auch noch einen Satz zu Folgendem sagen – die Kollegin Mihalic hat es vorhin eigentlich schon erklärt, aber Herr Curio hat es immer noch nicht verstanden –:

(Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Frage, ob wir es hier mit einer terroristischen Vereinigung zu tun haben, hängt nicht an der Frage, ob diese Leute in der Lage wären, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen; sie hängt daran, dass sie sich vereinbart haben, eine arbeitsteilige Organisation aufzubauen, und dass sie bereit waren, die Verbrechen von Mord und Totschlag zu begehen. Das war nach Überzeugung des Generalbundesanwalts der Fall. Und das ins Lächerliche zu ziehen,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das zieht keiner ins Lächerliche!)

ist wirklich grotesk.

Ich sage an dieser Stelle: Natürlich wäre dieser Putsch nicht erfolgreich gewesen, weil die Mehrheit in unserem Lande hinter dem Grundgesetz steht, weil alle Demokratinnen und Demokraten sich eines geschworen haben: dass rechter Autoritarismus in diesem Land nie wieder stärker sein wird als Freiheit und Demokratie.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das hat der Generalbundesanwalt gezeigt. Und wer sich darüber lustig macht, sollte sich ganz andere Fragen stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Martina Renner hat das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549342
Wahlperiode 20
Sitzung 75
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Bedrohung durch Netzwerke von Reichsbürgern und Rechtsextremisten
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