Andrea LindholzCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Bedrohung durch Netzwerke von Reichsbürgern und Rechtsextremisten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesrepublik hat vor einer Woche einen der größten Antiterroreinsätze ihrer Geschichte erlebt. Ich möchte daher auch für die Unionsfraktion zunächst einmal ganz herzlich allen Einsatzkräften, dem Generalbundesanwalt und den beteiligten Sicherheitsbehörden für ihre professionelle Arbeit meinen Dank aussprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es war ein komplexer und gefährlicher Einsatz in der waffenaffinen Szene der Reichsbürger. Es ist gut und auch ein Erfolg, dass zahlreiche Beschuldigte in Haft genommen werden konnten und niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist.
Auf unseren Antrag hin, liebe Frau Mihalic, und gegen das Votum der Ampel hat die Bundesregierung am Montag das Parlament in zwei Sondersitzungen des Innen- und Rechtsausschusses über den Stand der Ermittlungen informiert. Sie hatten sich dagegen ausgesprochen. Wir haben gesehen, es war gut, dass das Parlament informiert worden ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Nina Warken [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Obwohl die Auswertung der Razzia noch länger dauern wird, wurde am Montag bereits Folgendes deutlich: Die Reichsbürgergruppe, die die Existenz der Bundesrepublik leugnet und die auch Umsturzpläne verfolgte, war gefährlich. Mitglieder der Gruppe besaßen Waffen, sie konnten mit ihnen umgehen, und sie sind auch gewaltbereit. Mindestens einmal hat man sich zu einer Schießübung getroffen. Es ist daher falsch, diese Gruppe als bloße Spinnertruppe abzutun.
(Christian Dürr [FDP]: Die AfD wollte die ins Parlamentarische Kontrollgremium wählen! Die AfD wollte die ins Vertrauensgremium wählen!)
Aber es ist auch klar – und das ist auch gut so –: Unsere Demokratie stand auch nicht kurz vor einem Umsturz.
Es ist für mich unerträglich, wenn vonseiten der AfD versucht wird, den Vorgang mit Worten wie „Rollator-Putsch“ ins Lächerliche zu ziehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es ist für mich unerträglich, Herr Dr. Curio, dass Sie – man kann sich das alles noch mal anhören und den Faktencheck machen – auch mit Ihrer Rede heute wieder versucht haben, diesen ganzen Vorgang und die Notwendigkeit zu relativieren. Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, warum ausgerechnet mehrere Mitglieder der AfD, unter anderem ein ehemaliges Mitglied dieses Bundestages, im engsten Führungskreis mit vertreten waren.
(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)
Mit Ihren Relativierungsversuchen offenbaren Sie eine schräge Sicht auf unseren Rechtsstaat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Christian Dürr [FDP]: Diese Frau wollten Sie im Vertrauensgremium haben! Unfassbar!)
Der Generalbundesanwalt hat anhand konkreter Fakten und nicht eben mal einfach so und nicht ohne Grund vom Anfangsverdacht der Betätigung in einer terroristischen Vereinigung gesprochen; er geht davon aus. Deswegen ist sämtliche Relativierung deplatziert.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Das gilt im Übrigen auch für die Linken, die von einer „PR-Aktion“ sprechen, und das gilt im Übrigen auch, lieber Herr von Notz, für Otto Schily, der von einer „skurrilen Spinnergruppe“ gesprochen hat.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das ganze Zitat! Jetzt werde ich für Otto Schily verhaftet!)
Auszugsweise herausgegriffen relativieren genau solche Sätze den Einsatz und lassen bei dem einen oder anderen in der Bevölkerung die Frage zurück: War das alles so notwendig?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Schwabe [SPD])
Zur Wahrheit gehört dazu, dass auch die Pressearbeit in diesem Zusammenhang hinterfragt werden muss. Es ist doch nicht in Ordnung, wenn die Innenministerin sich hinstellt und sagt, sie habe – angeblich – erst einen Tag vorher von dem Umstand gewusst. Es ist auch nicht zielführend, wenn der Justizminister sagt, sein Haus war es auch nicht. Wenn aber beim Einsatz massenweise Presse vor Ort ist,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Genau!)
schneller da ist als manche Einsatzkraft, dann ist etwas schiefgelaufen, und da erwarte ich von Ihnen, dass Sie das aufklären. Es geht hier um Geheimnisverrat, es geht um den Verrat von Dienstgeheimnissen. Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie diese Vorgänge aufklären. Sie können nicht einfach sagen: „Ich habe nichts davon gewusst“; denn das kann nicht sein.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Hartmann [SPD]: Das ist nicht relativieren, aber den Fokus verschieben, Frau Kollegin!)
Nach den Ausschusssitzungen am Montag im Innen- und Rechtsausschuss ist eines klar: Die Ermittlungserfolge beruhen auch auf Maßnahmen der Innenminister der Union. Ich will das ganz klar sagen: Es war Innenminister Friedrich, der 2012 das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern zur Bekämpfung von Rechtsextremismus gegründet hat; es war – das haben die Sitzungen ergeben – maßgeblich beteiligt am Erfolg dieser Tage. Innenminister Thomas de Maizière hat 2016 aus gutem Grund die Beobachtung der Reichsbürgerbewegung durch den Verfassungsschutz beschlossen. Horst Seehofer hat 2019 unter anderem die Regelabfrage der Waffenbehörden beim Verfassungsschutz hier eingeführt, damit legale Waffen möglichst erst gar nicht in die Hände von Extremisten gelangen,
(Zuruf von der SPD: Machen Sie sich doch nicht lächerlich!)
und er hat 2020 in zehn Bundesländern Razzien gegen Reichsbürger durchgeführt und erstmals eine Gruppierung verboten.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus und gegen Reichsbürger muss nachhaltig, andauernd und auf vielen Ebenen erfolgen, und dafür steht gerade auch die Union.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen wehre ich mich auch, liebe Frau Mihalic, gegen Ihren Vorwurf, wir hätten uns nicht gewehrt. Machen Sie mal den Faktencheck, schauen Sie sich mal die Pressearbeit von uns an: Wir sind an dieser Stelle glasklar gewesen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Frau Kollegin, Sie hätten zum Ende gekommen sein müssen.
Damit komme ich zum Ende.
Nein, gekommen sein müssen.
Wir müssen nach Abschluss der Ermittlungen sehen, was noch angezeigt ist, sei es beim Waffenrecht oder an anderer Stelle; aber dafür habe ich jetzt nicht mehr genug Zeit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!)
Für die Bundesregierung hat Lisa Paus jetzt das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549345 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 75 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Bedrohung durch Netzwerke von Reichsbürgern und Rechtsextremisten |