14.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 75 / Zusatzpunkt 1

Manuel HöferlinFDP - Aktuelle Stunde - Bedrohung durch Netzwerke von Reichsbürgern und Rechtsextremisten

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir blicken heute auf Vorkommnisse der letzten Woche, die viele hier in dem Ausmaß sich nicht haben vorstellen können: die Planung eines Umsturzversuches, eines Versuches, die Verfassung, die zentralen demokratischen Werte dieses Landes anzugreifen.

Uns allen muss es eine Warnung sein, mit welcher Akribie diese Pläne im Detail vorbereitet wurden. Da wurden Waffen und Geld besorgt – übrigens nicht nur die 90 Waffen, die direkt bei den Durchsuchungen gefunden wurden. Es gab auch einen weiteren Zugriff auf über 200 Waffen eines Legalwaffenhändlers, der Teil des Netzwerkes war. Da wurden Unterstützer angeworben, Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben, in denen vorgesehen war, Verrat zum Teil unter Androhung der Todesstrafe zu ahnden. Da wurden die Aufstellung bewaffneter Einheiten – Heimatschutzkompanien – geplant, Ausrüstungspläne und ein Verpflegungskonzept erstellt, Hierarchien entworfen und eine eigene, neue politische Ordnung auf den Grundfesten des Reichs von 1871 gedanklich aufgebaut. Das alles sollte mithilfe von Gewalt durchgesetzt werden. Der Tod wurde absichtlich in Kauf genommen.

Das alles zeigt, warum man das nicht ins Lächerliche ziehen kann. Ich bin entsetzt darüber, wie Teile der AfD diesen Vorgang immer noch – auch Sie, Herr Baumann, heute Morgen im „Morgenmagazin“ wieder – ins Lächerliche ziehen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ich habe es als gefährlich bezeichnet!)

Es ist ein gravierender Unterschied zu dem, was Sie, Herr Baumann, gesagt haben. Sie haben sich heute Morgen auch als Opfer dargestellt; die Meinungsfreiheit sei gefährdet, und man sei aus Ihrer Ecke eingeschüchtert worden.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Zwei Drittel der Menschen sagen das! Zwei Drittel der Bürger! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Zwei Drittel“!)

Es ist ein Unterschied, ob man hier sitzen kann wie Sie und die Meinung frei äußern kann – Sie können hier alles sagen, was Sie wollen,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Kommt auf die Folgen an!)

Sie können darum kämpfen, dass man Ihnen folgt – oder ob man die demokratische Grundordnung mit Waffengewalt bekämpfen will. Manchmal muss man sich fragen: Sind Sie eigentlich der politische Arm der Reichsbürger, oder sind die Reichsbürger der militärische Arm der AfD, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist ja sehr originell!)

Sie mit Ihrer Meinungsfreiheit müssen wir aushalten.

(Zuruf des Abg. Dirk Brandes [AfD])

Die, die mit Gewalt vorgehen, sind eine Sache für die Staatsanwaltschaft. Das ist der Unterschied: Sie müssen wir erdulden. Das andere werden wir nicht ertragen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ich muss Sie auch erdulden! Das ist Demokratie!)

Ja, es gibt einen Unterschied zu dem,

(Zuruf des Abg. Dirk Brandes [AfD])

was in den Gedanken dieser Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker, die sich zusammengetan haben, mit Wollen und Können vielleicht möglich war. Nicht alles, was sie gedacht haben, kann man mit diesen Mitteln anstreben. Der Justizminister hat gesagt: Das ist nicht das Entscheidende, sondern entscheidend ist, dass eine terroristische Vereinigung den Tod in Kauf nimmt; das ist die Anklage.

Ich glaube: Nicht das, was dort gedacht und gesagt wird – wir haben Meinungsfreiheit –, ist die besondere Gefahr, sondern die toxische Mischung dieser Ideologien, gepaart mit militärischen Fähigkeiten von mindestens acht Personen in diesem Netzwerk, mit Personen, die Spezialkenntnisse aus dem militärischen und dem polizeilichen Bereich haben, mit Zugriff auf über 200 Waffen, mit Insiderwissen einer ehemaligen AfD-Abgeordneten bezüglich der Strukturen und Räumlichkeiten hier, mit Planungen in der Detailtiefe, ist das Brandgefährliche dieses Vorgangs. Deswegen bin ich sehr glücklich, dass die Behörden im richtigen Moment zugegriffen und diese Truppe hochgenommen haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Trotz des Erfolgs müssen wir uns sagen: Die Gefahr durch Reichsbürger ist damit nicht gebannt. – Wir müssen uns auch intensiver als bisher die Frage stellen: Wie gehen wir eigentlich mit Menschen, die in diesen Bereich driften, um? Denn es handelt sich eben nicht um breitbeinige Spinnereien am Stammtisch. Es hat sich gezeigt, dass die Verachtung für die demokratische Grundordnung, die hier aus der rechten Ecke des Parlaments immer wieder befeuert wird, auch von vielen Menschen draußen, außerhalb dieses Gebäudes, weitergetragen wird.

Die Feinde dieser Gesellschaft finden wir nicht mehr nur an den Rändern. Wir finden sie unter Richtern, unter Beamten, unter Soldaten, unter Köchen, unter Menschen, die also selbst in unserem Staat leben und einen Eid auf ihn geleistet haben. Ich befürchte, dass wir, wenn diese Reichsbürger dort so agieren und die Feinde der Gesellschaft hier im Parlament sitzen, diese Menschen viel stärker abholen müssen als bisher. Ich bin nicht bereit, zuzulassen, dass Menschen, die diese Verschwörungsideologien weitertragen, an die politische Rechte verloren gehen. Wir müssen darum kämpfen, dass Menschen in Deutschland diesen Staat, diese demokratische Grundordnung schätzen, sie verteidigen und sie nicht mit Gewalt angreifen wollen. Das ist das, was wir mit Entschlossenheit vorantreiben wollen. Das ist das, was die Koalition auch in Zukunft machen wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Michael Breilmann für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549352
Wahlperiode 20
Sitzung 75
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Bedrohung durch Netzwerke von Reichsbürgern und Rechtsextremisten
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