Anikó Glogowski-MertenFDP - Unterstützung des EU-Beitrittskandidaten Moldau
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der Rednerliste ist es meistens die Aufgabe der Freien Demokraten, ein bisschen was von dem richtigzustellen, was Vorredner gesagt haben. Mehr sage ich an der Stelle nicht dazu.
(Lachen bei der AfD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Ach, das war es schon?)
Die mutmaßliche Peripherie Europas rückt näher ins Zentrum. Die Republik Moldau ist dafür ein ausgezeichnetes Beispiel. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zwingt die EU, aber auch die Bundesrepublik Deutschland, sich mit den sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft realpolitisch auseinanderzusetzen. Staaten wie beispielsweise die Republik Moldau, Georgien und Armenien kristallisieren sich dabei zunehmend als Schlüsselstaaten für unsere energie- und sicherheitspolitische Zukunft heraus. Wenn wir heute die Weichen richtig stellen, meine Damen und Herren, dann werden die Länder des Kaukasus und des postsowjetischen Raumes wertvolle Alliierte bei der Bewältigung der großen geo- und energiepolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein.
Die Anbindung der Republik Moldau an die Europäische Union ist mit immensen Herausforderungen für beide Seiten verbunden, aber auch mit großen Chancen. Weil Chisinau weit weg von Berlin ist, erlauben Sie mir, Ihnen die Republik Moldau kurz etwas näherzubringen: Moldau ist ein kleines Land an der Grenze Südosteuropas. Mit 2,6 Millionen Einwohnern und einer überwiegend landwirtschaftlich geprägten Struktur gehört es zu den Staaten des postsowjetischen Raumes, die in der jüngeren Vergangenheit in internationalen Kontexten eine eher geringere Rolle spielten.
Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, mit der „Zeitenwende“ wurde die Republik Moldau plötzlich auf die weltpolitische Bühne katapultiert. Moldau hat bekanntermaßen pro Kopf mehr Menschen aus seinem Nachbarland Ukraine aufgenommen als jedes andere Land. Solidarität und Unterstützung mit dem ukrainischen Volk sind trotz der hohen Kosten für das kleine Land immens.
Auch der Reformwille in der Republik Moldau ist erheblich. In den vergangenen Jahren wurde bereits viel in Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sowie in die Bekämpfung von Korruption investiert. Die Republik Moldau hat ein dezidiertes Eigeninteresse daran, die Kopenhagener Kriterien als Bedingung für den Beitritt zur Europäischen Union zu erfüllen. Institutionelle Stabilität, die Wahrung einer funktionierenden demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung, die Achtung und der Schutz von Menschen- und Bürgerrechten sowie eine funktionierende Marktwirtschaft sind Maßstäbe, die eine engere Anbindung Moldaus an die Europäische Union und an den europäischen Binnenmarkt bereits lange vor der Verschärfung der sicherheitspolitischen Lage in Südosteuropa attraktiv machten.
Moldau ist ein Staat im Wandel – hin zu einer liberaleren, offeneren und moderneren Gesellschaft – und im Übrigen nicht zufällig das einzige Land in Europa, das mit der Präsidentin Maia Sandu und der Ministerpräsidentin Natalia Gavrilita von zwei Frauen an der Spitze geführt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Republik Moldau, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann auf dem Weg nach Europa jede Hilfe brauchen. Die energiepolitische Abhängigkeit von Russland ist groß. Der Druck, den Russland mittelbar durch den Krieg gegen die Ukraine auch auf Moldaus Energieversorgung ausübt, ist groß. Auch dort wird der Energiekrieg, den wir alle spüren, geführt. Die Bekämpfung von Armut und Korruption sowie die in Teilen bereits durch russische Separatisten kompromittierte territoriale Integrität werden weiterhin große Hürden für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union bleiben. Doch die Republik Moldau verdient unsere Unterstützung und unsere Solidarität bei der Bewältigung dieser rechtsstaatlichen Herausforderungen. Unsere Außenministerin hat zusammen mit der internationalen Staatengemeinschaft deshalb bereits im Rahmen mehrerer Geberkonferenzen mehrere Milliarden Euro an Finanzhilfen und Budgethilfen akquiriert.
Auch wir, meine Damen und Herren – das haben die vergangenen Monate uns allen eindrücklich vor Augen geführt –, sind angewiesen auf verlässliche Partnerschaften in unserer europäischen Nachbarschaft. Wir brauchen dringend alliierte, moderne und demokratische Gesellschaften wie die der Republik Moldau, wo die Menschen bereit sind, sich den oligarchischen Strukturen eines rückwärtsgewandten Putinismus zu widersetzen. Wir brauchen Partner im postsowjetischen Raum, die in Liberalismus, Demokratie und Menschenrechten, den Grundpfeilern, auf denen die Europäische Union fußt, die Chance auf eine bessere Zukunft in einem geeinten, friedlichen Europa sehen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Geschichte lehrt uns, dass Europa und die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Nachbarschaft größere sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen müssen. Das gilt für den Kaukasus, das gilt für den Westbalkan, und das gilt für Südosteuropa. Es ist in unserem ureigenen energiepolitischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interesse, den nach Europa strebenden Gesellschaften des postsowjetischen Raumes langfristige Perspektiven der Anbindung und Kooperation mit und vor allem in Europa zu bieten. In diesem Sinne ist unser Antrag als Zeichen zu verstehen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Glogowski-Merten. – Als Nächste hat das Wort die Kollegin Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549363 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 75 |
Tagesordnungspunkt | Unterstützung des EU-Beitrittskandidaten Moldau |