15.12.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 76 / Tagesordnungspunkt 8

Michael KruseFDP - Energiepreisbremsen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Volkswirt, und ich bin Freidemokrat. Preisbremsen und Gewinnabschöpfungen sind exakt das Gegenteil von dem, wofür ich mich in dieses Parlament habe wählen lassen.

(Karsten Hilse [AfD]: Warum machen Sie es dann?)

Sie sind nicht treffsicher, und sie schaffen auch nicht die richtigen Anreize, nämlich dafür zu sorgen, dass Menschen bei stark steigenden Energiepreisen auch die richtigen Anpassungen vornehmen und sich eben an die hohen Preise anpassen. Deshalb ist für mich vollkommen klar: Diese Instrumente dürfen nur in einer Notlage wie der aktuellen eingesetzt werden,

(Zurufe der Abg. Peter Boehringer [AfD] und Dr. Rainer Kraft [AfD])

und sie müssen wieder enden, sobald dies möglich ist. Nur der russische Energiekrieg gegen Deutschland rechtfertigt einen temporären Einsatz derartiger Instrumente.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels [SPD] – Jürgen Braun [AfD]: Sie sind doch 2011 mit ausgestiegen aus der Kernenergie! Sie haben doch die Paniknummer von Frau Merkel mitgemacht!)

Lieber Herr Kollege Spahn, ich wundere mich etwas über ihren partiellen Gedächtnisverlust.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD])

Ich weiß, dass die Coronagesetzgebung in den letzten Jahren unter Ihrer Federführung teils so hektisch war, dass Änderungen noch im Ausschuss vorgetragen worden sind. Deswegen fände ich es, ehrlich gesagt, für eine verantwortungsvolle Opposition angemessen, das Gesetz, das wir hier vorlegen, an seiner Qualität zu messen und nicht daran, wie das Verfahren nun gelaufen ist.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, dafür brauchen wir aber Zeit! Wenigstens ein paar Minuten!)

Sie wissen, dass wir sehr schnell Gesetze machen. Beurteilen Sie die Qualität, und stimmen Sie danach ab! Dann müssten Sie diesem Gesetzentwurf heute nämlich zustimmen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Verunsicherung in den Energiemärkten ist groß. Sie hat zu starken Preisanstiegen geführt. Dieser externe Schock bedroht die Volkswirtschaft, und er bedroht auch viele Menschen in Deutschland in ihrer wirtschaftlichen Existenz. Das ist der Grund, warum wir derartige Eingriffe vornehmen. Wir entlasten mit diesem Instrument in einem Ausmaß, wie es das in der Geschichte Deutschlands meines Wissens nach noch nicht gegeben hat. Die Ampel ist damit die Entlastungskoalition in Deutschland.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Schuldenmacherkoalition!)

Dass wir Freie Demokraten besonders viel Wert auf die Entlastung der Menschen legen, brauche ich, glaube ich, an dieser Stelle nicht zu betonen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD)

Herr Kruse, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung aus der AfD-Fraktion?

Klar.

Herr Hilse.

Vielen Dank, Herr Kollege Kruse, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben ja gerade erwähnt, dass Sie gegen Ihre eigentliche Überzeugung diesem Gesetz zustimmen und dieses mittragen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee! Das hat er nicht gesagt! Sie haben das nicht verstanden inhaltlich, was er gesagt hat!)

Gestern gab es im Ausschuss ein absurdes Schauspiel: Herr Ernst, der Ausschussvorsitzende, hat richtigerweise gesagt, dass der Ausschuss laut Geschäftsordnung nur dann Beschlussempfehlungen abgeben darf, wenn es einen sachlichen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Punkten in diesem Gesetz gibt. Sie wissen ja jetzt, dass es ein Omnibusgesetz ist,

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

mit dem das Infektionsschutzgesetz geändert wird, sodass Apotheker impfen dürfen. Das durften sie schon vorher, aber nun wurden die Regelungen erleichtert. Jetzt würde ich von Ihnen gerne den sachlichen Zusammenhang zwischen dem Impfen in Apotheken

(Christoph Meyer [FDP]: Gesundheitsfonds!)

und der Gaspreisbremse erklärt bekommen. Das wäre sehr nett.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Erste Bemerkung dazu. Es schließt sich also der Kreis zu der Rede des Vorsitzenden Ernst, bei dem, wie der Kollege von den Grünen festgestellt hat, ausschließlich die AfD-Fraktion geklatscht hat. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wohin das Ganze hier noch führen soll.

(Zuruf von der LINKEN)

Zweitens. Wenn ich es im Spaße beantworten wollte, würde ich einfach sagen: Es wird einen Grund geben, warum der Bundesgesundheitsminister gleich noch spricht. Und auch der ehemalige Gesundheitsminister hat hier die Themen „Gesundheit“ und „Energie“ auf eine ganz interessante Art und Weise verknüpft, nämlich im Verfahren.

(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Aber ich möchte Ihnen auch einfach sagen, dass das, was wir hier im Moment machen, eben Krisengesetzgebung ist. Sie haben diese Krise in den letzten zehn Monaten – ich wollte fast sagen – ausgeblendet. Aber „ausgeblendet“ stimmt ja gar nicht; denn Sie hatten eine Veranstaltung. Herr Kollege, Sie waren auf dieser Veranstaltung anwesend, Sie saßen sogar ganz nah am Mikrofon.

(Peter Boehringer [AfD]: Ist Corona denn immer noch eine Krise?)

In dieser Veranstaltung in diesem Sommer haben Sie darauf gehofft, dass dieser Winter eine Katastrophe wird, damit Ihnen die Wählerinnen und Wähler zulaufen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Oh! Peinlich!)

Dass das nicht passiert ist, zeigt: Wir machen hier genau das Richtige.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sorgen dafür, dass Schaden vom deutschen Volk abgewendet wird. Das tun wir im Bereich der Coronapolitik, und das tun wir im Bereich der Energiepolitik.

(Karsten Hilse [AfD]: Beantworten Sie einfach die Frage!)

Es ist bedauerlich, es ist eine Schande, dass Sie nicht in der Lage sind, konstruktiv an diesen Themen mitzuarbeiten. Wir werden auch weiterhin alles tun, um dieses Land vor Schaden zu bewahren.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Es wurde eine Frage gestellt! – Jürgen Braun [AfD]: Herr Kruse möchte keine Fragen beantworten!)

Sie freuen sich in Wahrheit darüber, wenn die Energiespeicher leer sind. Sie freuen sich, dass Putin kein Gas mehr an Deutschland liefert, weil Sie ausschließlich auf Ihr eigenes Punktekonto schauen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Böse Unterstellung! So ein Quatsch!)

Da machen wir nicht mit. Wir sind vom deutschen Volk für das deutsche Volk gewählt worden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kruse, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage oder ‑bemerkung vom Kollegen Ernst aus der Fraktion Die Linke.

Ja, gerne.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der FDP: Sie spielen sich die Bälle ja zu, die beiden!)

Herr Ernst.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Ernst kann sich des Applauses der AfD wieder sicher sein!)

Herr Kruse, zu dem Verfahren – es wurde ja schon angesprochen – möchte ich schon den Hinweis geben, dass selbst in einem Schriftstück des Ministeriums der Vermerk stand: Vorsicht: sachfremd. – Das Verfahren gestern in diesem Ausschuss – ich möchte das noch mal eindeutig sagen – war auch aus meiner Sicht nicht in Ordnung.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön, dass Sie der AfD zustimmen! – Christoph Meyer [FDP]: Setzt euch doch zusammen!)

Wir haben eine Fülle von Vorschlägen von Ihnen zu einem Zeitpunkt bekommen, zu dem es keinem Abgeordneten mehr möglich war, rechtzeitig und einigermaßen sauber überhaupt zu lesen, was Sie vorschlagen, selbst wenn wir die ganze Nacht durchgelesen hätten. Sie sind ja nach 12 Uhr nachts eingegangen. Also, ich weiß nicht, was es daran eigentlich zu verteidigen gibt.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Enge Zusammenarbeit von Linken und AfD! Ganz was Neues! – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird immer schlimmer mit Ihnen!)

Sie haben sich im Ausschuss für dieses Verfahren entschuldigt. Es wäre angebracht, das auch hier zu tun und nicht die zu kritisieren, die ein solches Verfahren nicht mehr akzeptieren. Ich hoffe, Herr Kruse, dass Unternehmen, die nicht damit einverstanden sind, dass ihre Gewinne abgeschöpft werden, nicht deshalb gegen dieses Gesetz klagen, weil sie sagen: Es ist nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. – Wenn das eintritt, dann hätten Sie sozusagen Ihr Ziel erreicht; Sie sagen ja, Sie sind mit dem Gesetz eigentlich sowieso nicht einverstanden.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Deshalb wäre es vielleicht sinnvoller, künftig darauf zu achten, dass die Verfahrensregeln eingehalten werden.

(Beifall bei der LINKEN und der AfD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege, was die Energiepreisbremse betrifft, ist es ja so, dass die Entwürfe dem Parlament seit vielen Wochen vorliegen, Sie die Gelegenheit hatten, sich ausgiebig mit dem Inhalt dieser Gesetze zu beschäftigen,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Aber nein! Das ist jetzt eine schwache Ausrede!)

und wir als Koalition dann noch viele Verbesserungen an diesem Gesetz vorgenommen haben.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie korrigieren sich doch permanent selbst! Das sagt alles über das Gesetz! – Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Ich glaube, dass sich die Menschen in diesem Land vor allem dafür interessieren, was wir mit den 230 Milliarden Euro, die wir hier heute beschließen werden, denn eigentlich unternehmen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Tolle Antwort!)

Ich hätte mich sehr gefreut, wenn sich Ihre Debattenbeiträge auch darauf bezogen hätten, wie dieses Geld verwendet wird, wie es richtig eingesetzt wird, wie es Schaden von den Menschen abhält, wie es Schaden von den Unternehmen in diesem Land abhält, wie wir vielleicht Dinge verbessern, von denen wir wissen, dass sie noch nicht optimal sind.

Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel. Wir haben erkannt, dass es Missbrauchspotenzial in diesem Gesetz gibt. Wir haben erkannt, dass es die Möglichkeit gibt, sich gegen den Steuerzahler zu optimieren. Das ist der Grund, warum es in diesem Gesetz eine zusätzliche Verordnung gibt. Meine Erwartung an den Bundeswirtschaftsminister ist ganz klar: Er muss dafür sorgen, dass diese Verordnung jetzt auch sehr schnell kommt und dass das Missbrauchspotenzial bestmöglich eingedämmt wird. Wollen wir vielleicht darüber reden, wie 230 Milliarden Euro, die den Menschen in diesem Land gehören, richtig eingesetzt werden, und nicht über die Frage, wann Sie oder Sie eine E‑Mail bekommen haben? Das ist dermaßen selbstreferenziell, dass es dem Anspruch des Hohen Hauses hier nicht gerecht wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein! So kann man das nicht machen! Diese Politik hat mit Seriosität nichts zu tun!)

Ich meine – das ist der wesentliche Punkt –, wir haben noch eine ganze Menge zu tun und laden die Opposition ein, an diesen Stellen weiter mitzuarbeiten. Das Thema Missbrauchspotenzial habe ich eben angesprochen. Ich werde weiterhin ganz persönlich auch öffentlich dafür werben, dass wir hier die Lücken schließen; denn es sind noch große Lücken.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Lücken im Gesetz?)

Zudem muss die Zeit der künstlich vergünstigten Energie bestmöglich genutzt werden, zum Beispiel für die dauerhafte Erhöhung des Energieangebots. Wir müssen eine ehrliche Kapazitätsplanung vornehmen. Dazu gehören für uns, für eine Industrienation wie Deutschland, auch die Ausweitung günstiger CO2-freier Grundlastkraftwerke, der Ausbau der heimischen Gasförderung und selbstverständlich der Ausbau der Freiheitsenergien.

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und natürlich gehört dazu auch, dass wir beim Thema Effizienz endlich mal PS machen.

(Beifall der Abg. Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was ist denn eigentlich im Bereich Smart Meter in den letzten zehn Jahren geschehen? Unter den Großen Koalitionen ist da gar nichts vorangekommen.

Wir haben große Aufgaben für das Jahr 2023. Die erste Welle der Attacken aus Russland haben wir abgeschmettert. Aber die Deiche müssen dauerhaft gestärkt werden. Bei uns im Norden heißt es: Nicht der Wind entscheidet den Kurs, sondern das richtige Setzen der Segel. Und das wird für 2023 unsere Aufgabe sein.

Ihnen allen frohe Weihnachten und herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Ralph Lenkert.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Ralph muss jetzt viel retten! Ralph muss meinen Glauben wieder stärken, also inhaltlich!)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7549430
Wahlperiode 20
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Energiepreisbremsen
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