Johann WadephulCDU/CSU - Iranische Protestbewegung - frauenorientierte Außenpolitik
Der sich den herzlichen Glück- und Segenswünschen für unsere Außenministerin gerne anschließt. – Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lage im Iran ist dramatisch. Die Brutalität, mit der das iranische Regime gegen die breite Protestbewegung vorgeht, sucht ihresgleichen.
Am 16. September, also vor fast drei Monaten, ist die junge Kurdin Mahsa Jina Amini durch brutales Vorgehen der Sittenpolizei zu Tode gekommen. Dies hat zu den größten landesweiten Protesten gegen das islamische Regime im Iran seit der sogenannten Islamischen Revolution im Jahre 1979 geführt – Proteste, die im ersten Moment von vielen mutigen Frauen getragen wurden, die gegen das repressive Regime aufbegehrten; ein Regime, das seit Jahrzehnten Frauen systematisch unterdrückt und drangsaliert.
Diesen Protesten haben sich sukzessive immer weitere Teile der Bevölkerung angeschlossen: Studenten, Händler, die Mittelschicht. Ihre Forderung ist klar: ein grundlegender Wechsel im Herrschafts- und Gesellschaftssystem im Iran. Anders als ihre Elterngeneration haben viele junge Menschen der iranischen Bevölkerung, die im Übrigen etwa gleich groß wie die deutsche ist und in der etwa 60 Prozent unter 30 Jahren sind, keine Beziehungen und keine Bindungen zur islamischen Staatsform. Sie wollen eine andere Staatsform. Dies versuchen das islamistische Terrorregime um Präsident Raisi und die Revolutionsgarden zu unterdrücken.
Die Bilanz ist verheerend. Schon jetzt wurden mehr als 18 000 Menschen verhaftet. Mehr als 400 unschuldige Menschen – Frauen, Kinder – wurden getötet. Berichte aus Gefängnissen sprechen von schlimmsten Menschenrechtsverletzungen. Frauen werden vergewaltigt, Kinder werden gefoltert. Die ARD-Journalistin Natalie Amiri hat der CDU/CSU-Fraktion geschildert, dass sie am Sonntag einen Beitrag senden wird, in dem eine Minderjährige aus den Gefängnissen berichtet und von den Schreien anderer Mädchen erzählt, die nach ihrer Mutter rufen.
Wir sind im Mittelalter angekommen. Es gibt öffentliche Hinrichtungen. Dieses Regime hat offensichtlich nichts mehr zu verlieren. Es wendet alle barbarischen Methoden an. Deswegen sind wir alle aufgerufen, ist die freie Welt aufgerufen, diesen Menschen, diesen Frauen, diesen Kindern, der Bevölkerung des Iran insgesamt zur Seite zu stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion reagiert die Bundesregierung darauf jedoch wie üblich zu spät, und sie macht zu wenig. Sie ist entweder nicht bereit oder nicht in der Lage, das historische Momentum und die notwendige Rolle Deutschlands zu definieren und eine darauf aufbauende, konsistente Außenpolitik zu formulieren.
Erst am 26. September, ganze zehn Tage nach der Ermordung Aminis, hat sich die Bundesaußenministerin per Twitter öffentlich zur Gewalt gegen Demonstranten geäußert.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie jetzt aber auch schon 50‑mal gesagt!)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das haben die Grünen uns ja gerade noch einmal vorgehalten: Feministische Außenpolitik verdient nur dann diesen Begriff, wenn die Außenpolitik in ihren praktischen Taten den eigenen Ansprüchen auch gerecht wird.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tut sie doch längst!)
Und das ist nicht der Fall.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der weiß doch selber nicht, was „frauenorientierte Außenpolitik“ sein soll!)
Dazu kommt der Bundeskanzler. Der Bundeskanzler hat bis zum 26. September gebraucht, bis er überhaupt etwas dazu gesagt hat.
(Christoph de Vries [CDU/CSU]: Gestern hat er gar nichts dazu gesagt! – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Merz hat eine Woche gebraucht, um zu den Reichsbürgern etwas zu sagen!)
Gestern in der Regierungserklärung – vollkommen richtig – haben wir vom Bundeskanzler 20 Minuten lang etwas über internationale Politik und keinen Satz zum Iran gehört – kein Wort, keine Silbe. Ist es Unfähigkeit? Ist es Unwille?
(Zuruf der Abg. Janine Wissler [DIE LINKE])
Ich muss noch mal darauf hinweisen: Das Mindeste, das die Inhaftierten, die Gefolterten von uns erwarten können, ist doch, dass wir ihnen eine Stimme verleihen. Deswegen wäre es die vornehmste Aufgabe des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland gewesen, hier an dieser Stelle etwas dazu zu sagen und für die Bundesrepublik Deutschland eine klare Position zu formulieren. Das ist nicht geschehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Braun [AfD])
Deswegen kann ich Sie nur dazu auffordern, dass Sie sich noch einmal unseren Antrag und auch die konkreten Forderungen anschauen, die dort drinstehen. Es muss doch konkret darum gehen, das Regime in Teheran maximal unter Druck zu setzen, seinen Handlungs- und Bewegungsspielraum größtmöglich einzuschränken.
(Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Wie kann es sein, dass wir dieser Tage zur Kenntnis nehmen müssen, dass Deutschland immer noch der größte Handelspartner des Iran in der EU ist?
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich würde gerne fortfahren. – In Ihrem Antrag sprechen Sie davon, dass die Iranpolitik mal geprüft werden müsse. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Zeit muss mehr gemacht werden, als zu prüfen. Sie müssen handeln. Die Bundesregierung muss endlich praktisch etwas tun.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Warum ist es Kanada möglich, die iranischen Revolutionsgarden komplett zu sanktionieren? Warum gibt es in der Europäischen Union jetzt ein erstes kleines Sanktionspaketchen und keine vollständige Sanktionierung der Garden? Warum ist es immer noch möglich, dass die Kinder der Mitglieder der Revolutionsgarden in Eliteschulen in Europa zur Schule gehen, sich hier frei bewegen und diese Schicht ein Leben in Saus und Braus führt? Hier muss mehr gemacht werden, hier muss Deutschland in eine Führungsrolle gehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Warum besteht das Islamische Zentrum Hamburg immer noch als Drehscheibe der Spionage und der Auslandsrepression dieses Regimes? Bürgermeister Scholz und sein Nachfolger Tschentscher haben an dieser Stelle nichts unternommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie diese Außenstelle des Regimes hier schließt. Es muss endlich etwas geschehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Iran, so wie er unter diesem Regime außenpolitisch und in der Region agiert, steht gegen alles, was Deutschland wichtig ist:
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, schon seit Jahrzehnten! – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das IZH ist ja kein neuer Fall! Wir wissen seit Jahren, dass das so ist! Was haben Sie dagegen getan?)
Er steht gegen Menschenrechte. Er stellt die Existenz Israels infrage. Er verunsichert die gesamte Region, führt Militärschläge im Irak durch, destabilisiert den Libanon.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Regime steht gegen alles, was Deutschland wichtig ist. Deswegen: In der deutschen Außenpolitik braucht es eine neue Iranpolitik, und sie muss sich endlich diesem Regime widersetzen.
Jetzt müssen Sie wirklich zum Schluss kommen, Herr Kollege.
Der Iran, diese große Kulturnation, ist größer, und dem müssen wir in unserer Außenpolitik endlich gerecht werden.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächste Rednerin ist Derya Türk-Nachbaur für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549447 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Iranische Protestbewegung - frauenorientierte Außenpolitik |